Behandlungsfehler: Neues Urteil zur Verwendung von Toxavit
Judith MeisterWenn Zahnärzte veraltete Methoden anwenden, begehen sie einen Behandlungsfehler. Ein Haftungsfall entsteht in solchen Konstellationen aber nicht immer. Das zeigt ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichts Jena.
Die Verwendung von Toxavit zur Devitalisation der Pulpa ist seit Jahrzehnten umstritten. Dennoch kommt das Medikament immer zum Einsatz, obwohl dies schon seit längerem nicht mehr dem zahnmedizinischen Standard entspricht. Zahlreiche Gerichte, die mit Fragen der Zahnarzthaftung befasst sind, haben daher in der Vergangenheit entschieden, dass die Verwendung von Toxavit schlechterdings unverständlich und daher grob fehlerhaft ist (vgl. etwa OLG Hamm, Az. 26 U 171/05 oder OLG Köln Az. 5 U 96/03).
Nun allerdings lässt eine Entscheidung des OLG Jena aufhorchen. Der Senat verneinte einen groben Behandlungsfehler eines Zahnarztes trotz Gabe von Toxavit, da der Patient nicht hatte beweisen können, dass ihm dadurch ein Gesundheitsschaden entstanden war.
Beraten durch einen Sachverständigen befand das Gericht, dass die Anwendung von Toxavit, obwohl die Abtötung des noch schmerzreaktiven Nervengewebes zum Zwecke der Schmerzbeseitigung unter Verwendung von Toxavit nicht mehr dem gegenwärtigen zahnmedizinischen Kenntnisstand entspricht, in Ausnahmefällen indiziert sein könne.
Dabei stützte sich das Gericht auf die Aussage des Gutachters, der unter anderem ausgeführt hatte, dass die vom Patienten beklagte Entzündung des Kieferknochens sich nicht auf die Anwendung von Toxavit zurückführen lassen. Dies wäre nur möglich gewesen, wenn das Medikament mit dem Kieferknochen in Kontakt gekommen wäre. Genau das hatte der Sachverständige aber unmissverständlich verneint.
Zahnärztliche Fehler ohne negative Folgen für den Patienten
Zwar sei die Verwendung von Toxavit nach wie vor als behandlungsfehlerhaft einzustufen, zumal sich aus der Behandlungsdokumentation des Zahnarztes keine Voraussetzungen für das Vorliegen eines Ausnahmefalls zur Verwendung des Medikaments ergaben. Ebenso sei die Tatsache, dass der Patient nicht über die Risiken der Behandlung aufgeklärt worden sei, eine Pflichtverletzung gewesen. Beide Regelverstöße des Zahnarztes hätten allerdings keine Gesundheitsschäden beim Patienten hervorgerufen.
nur in Fällen, in denen eine grober Behandlungsfehler vorliegt. In einer solchen Konstellation wird vermutet, dass der Behandlungsfehler für diese Verletzung des Patienten ursächlich war. §
Da das Gericht vorliegend aber keinen groben zahnärztlichen Behandlungsfehler annahm, könnte der Patient den geforderten Beweis nicht erbringen und das Verfahren endet zugunsten des Zahnarztes (OLG Jena, Az. 7 U 1170/22).