Beschäftigungsverbot: Verfällt der Urlaubsanspruch einer schwangeren Zahnärztin?
Judith MeisterDass angestellte Zahnärztinnen während der Schwangerschaft einem Beschäftigungsverbot unterliegen, ist keine Seltenheit. Doch welche Auswirkungen hat das auf den Urlaubsanspruch?
Der Mutterschutz gehört zu den heiligen Kühen des deutschen Arbeitsrechts. Entsprechend bleiben Urlaubsansprüche, die eine Arbeitnehmerin bis zu dieser staatlichen verordneten Auszeit angesammelt hat, bei einem mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbots unberührt (vgl. § 24 Satz 1 MuSchG).
Was gilt für Urlaubsanspruch vor und während des Beschäftigungsverbots?
Damit nicht genug: Kann eine schwangere oder stillende Zahnärztin ihren Urlaub nicht vor Beginn eines Beschäftigungsverbots nehmen, verfallen weder die zuvor nicht genommenen Tage noch der während der Zeit des Beschäftigungsverbots erworbene Urlaub. Das gilt nach einem aktuellen Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) sogar dann, wenn mehrere Schwangerschaften und mehrere Beschäftigungsverbote aufeinanderfolgen (BAG, Az. 9 AZR 226/23)
Im konkreten Fall ging es um eine angestellte Zahnärztin, die von ihrem ehemaligen Chef Abgeltung von 68 Urlaubstagen verlangte. Die Frau hatte kurz hintereinander zwei Kinder geboren und unterlag während beider Schwangerschaften einem Beschäftigungsverbot.
Insgesamt kamen für die beiden Schwangerschaften nebst Stillzeit zwei Jahre und vier Monate zusammen, in denen die Frau nach Maßgabe mutterschutzrechtlicher Vorgaben nicht hatte arbeiten durfte. Der relevante Zeitraum begann im Dezember 2017 und endete Ende März 2020, als auch das Arbeitsverhältnis endete. Als sie die Praxis verließ, verlangte die Frau von ihrem Chef Abgeltung der noch offenen Urlaubstage.
Schwangere erwerben Urlaubsansprüche, auch wenn sie nicht arbeiten (dürfen)
Ihre Ansprüche berechnete die Zahnärztin so:
Fünf Tage stünden ihr als Resturlaub aus dem Jahr 2017 zu, da sie ihre freien Tage wegen des ersten Beschäftigungsverbotes nicht mehr hatte nehmen können.
Die 63 Tage übrigen Urlaubstage seien in den Jahren für 2018 und 2019 entstanden, als sie ebenfalls nicht arbeiten durfte.
Insgesamt stünden ihr deshalb rund 13.000 Euro zu. Der Chef wollte diese Summe nicht bezahlen. Er argumentierte, dass die Kollegin während der Beschäftigungsverbote keine Urlaubsansprüche habe erwerben können, da sie während dieser Zeit ja gerade nicht gearbeitet habe.
Mit dieser Argumentation drang der Zahnarzt vor Gericht aber nicht durch. Die klagende Zahnärztin siegte in allen Instanzen und damit auch vor den Bundesrichtern in Erfurt. Das Gericht befand, dass die Urlaubsansprüche der Frau sehr wohl entstanden seien. Der Grund: Die Ausfallzeiten wegen eines Beschäftigungsverbots nach § 24 S. 1 MuSchG seien rein rechtlich Arbeitszeiten gleichgestellt. Und weil während eines Beschäftigungsverbotes angesammelte Urlaubstage nicht verfallen, könnte sich der Arbeitgeber auch darauf nicht berufen.
Praxistipp: Zahnärztliche Arbeitgeber, bei denen Beschäftigungsverboten eher die Regel denn die Ausnahme sind, sollten sich anwaltlich beraten lassen und bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses überlegen, ob sie die betreffende Kollegin unter Anrechnung ihrer Urlaubstage unwiderruflich freizustellen.