Wirtschaftsnachrichten für Zahnärzte | DENTAL & WIRTSCHAFT
Steuertipps
Inhaltsverzeichnis

Was passiert beim Erben ohne vorausschauende Planung?

Stellen Sie sich vor, Sie segeln bei schönem Wetter dahin, doch plötzlich kommt ein Sturm auf. So ähnlich fühlt sich die Erbschaft- und Schenkungssteuer an – sie kann die beste Crew ordentlich durcheinanderwirbeln, wenn keine vorausschauende Planung erfolgt ist.

Die steuerliche Realität im Erbfall

Grundlage für die Höhe der Erbschaft- und Schenkungssteuer ist der sogenannte steuerpflichtige Erwerb. Hier gibt es zwei maßgebliche Parameter, die beide vom Verwandtschaftsgrad abhängen: der Freibetrag und die Steuerklasse.

Grundsätzlich gilt: Je näher der Verwandtschaftsgrad, umso höher die Freibeträge und umso niedriger die Steuerklasse. Ehegatten werden gesondert betrachtet. Der steuerpflichtige Erwerb, also der Teil, auf den ein Erbe Steuern zahlen muss, errechnet sich aus dem steuerlichen Nachlasswert abzüglich seines persönlichen Freibetrags. Die Unterschiede sind groß: Während Ehepartner 500.000 Euro Freibetrag haben, betragen sie für z. B. Nichten und Neffen gerade einmal 20.000 Euro. Zudem sind die Ehegatten in der günstigen Steuerklasse 1, die Nichten und Neffen in der Steuerklasse 3. Erbt beispielsweise die Ehefrau 1 Mio. Euro, beträgt die Steuerschuld nach Abzug des Freibetrags insgesamt 15.000 Euro, während die Nichte als Erbin 174.000 Euro Steuern zahlen müsste (siehe Tabelle 1).

Für Ehepartner und Kinder beginnen die Steuersätze bei 7 % für Vermögenswerte, die den Freibetrag nur geringfügig übersteigen, und können bis zu 30 % für sehr hohe Vermögenswerte betragen. Bei weiter entfernten Verwandten und Nichtverwandten fangen die Steuersätze bei 30 % an und steigen bis 50 % (siehe Tabelle 1).

Tabelle 1: Steuerliche Unterschiede bei den Freibeträgen

 

Steuerklasse I

Steuerklasse II

Steuerklasse III

Wert des stpfl. Erwerbs (§ 10 ErbStG) bis einschließlich

Ehegatten, Lebenspartner, Kinder, Enkel

Eltern, Geschwister und deren Kinder

alle übrigen

75.000 Euro

7 %

15 %

30  %

300.000 Euro

11 %

20 %

30 %

600.000 Euro

15 %

25 %

30 %

6.000.000 Euro

19 %

30 %

30 %

13.000.000 Euro

23 %

35 %

50 %

26.000.000 Euro

27 %

40 %

50 %

über 26.000.000 Euro

30 %

43 %

50 %

Tabelle 2: Persönliche Freibeträge

 

Steuerklasse

Freibeträge

Ehegatten/Lebenspartner

I

500.000 Euro

Kinder

I

400.000 Euro

Enkel

I

200.000 Euro

Eltern/Urenkel

I

100.000 Euro

Nichte/Neffen/Geschwister

II

20.000 Euro

alle übrigen

III

20.000 Euro

Das ungeplante Szenario

Angenommen, Sie gehen über Bord und hinterlassen Ihrem einzigen Kind ein zu versteuerndes Vermögen in Höhe von 800.000 Euro. Ohne eine vorherige Planung wird der Freibetrag von 400.000 Euro abgezogen, und auf die verbleibenden 400.000 Euro wird die Erbschaftsteuer fällig. Bei einem Steuersatz von 11 % für diesen Betrag bedeutet dies eine Steuerlast von 44.000 Euro.

Für den Erben bedeutet dies, dass auf einen guten Teil des geerbten Vermögens im Hafen das Finanzamt wartet. Problematisch wird es, wenn das Vermögen überwiegend aus nicht liquidem Vermögen, beispielsweise Immobilien, besteht. Diese können in der Regel nicht ohne Weiteres verkauft werden, um die Steuer zu begleichen. In solchen Fällen kann es notwendig sein, Kredite aufzunehmen, was den finanziellen und emotionalen Stress der Hinterbliebenen erhöht.

Ein weiteres Problem beim ungeplanten Über-Bord-Gehen kann sich aus einer ungleichen Verteilung des Vermögens zwischen Ehegatten oder ungünstigen ehevertraglichen Regelungen (Stichwort: Berliner Testament) ergeben. Oftmals ist das Vermögen auf einen Ehepartner konzentriert oder die Ehepartner setzten sich im Rahmen eines Testaments zu Alleinerben ein. Dies kann dazu führen, dass die steuerlichen Freibeträge nicht optimal genutzt werden können bzw. Teile des Vermögens gleich zweimal der Erbschaftsteuer unterworfen werden. Nämlich einmal beim Erwerb durch den überlebenden Ehepartner und ein zweites Mal beim finalen Übergang des Vermögens auf die Kinder.

Vorausschauende Planung und ihre Vorteile

Wie beim Segeln kann man den Wind nicht ändern, aber man kann die Segel anders setzen. Eine kluge Nachlassplanung in Verbindung mit einer fundierten Ruhestandplanung kann die steuerlichen Rahmenbedingungen berücksichtigen und Möglichkeiten nutzen, die Steuerlast zu minimieren.

Der Autor

Markus Schwarzarbeitet als Steuerberater in der auf Heilberufe spezialisierten Steuerkanzlei Ertelt. Neben der regulären steuerrechtlichen Beratung widmet er sich insbesondere den Bereichen gesellschaftsrechtliche Umwandlungen sowie Erben und Schenken. Kontakt und weitere Informationen: www.kanzlei-ertelt.de markus.schwarz@kanzlei-ertelt.de

Verschiedene Vermögensarten und ihre Begünstigungen

In der Erbschaft- und Schenkungsteuer gibt es unterschiedliche Vermögensarten, die jeweils speziellen steuerlichen Regelungen unterliegen. Diese können im Rahmen einer vorausschauenden Vermögens- und Ruhestandsplanung durch die sogenannte vorweggenommene Erbfolge gezielt genutzt werden:

BETRIEBSVERMÖGEN:

Für Betriebsvermögen gibt es besondere steuerliche Begünstigungen. Ein großer Teil des Betriebsvermögens kann unter bestimmten Voraussetzungen begünstigt übertragen werden. In der Regel wird dann der Wert nur zu 85 % berücksichtigt.

IMMOBILIENVERMÖGEN:

Immobilien können steuerbegünstigt vererbt oder verschenkt werden. Z. B. können selbst genutzte Wohnimmobilien unter Ehegatten und an Kinder steuerfrei übertragen werden, sofern die Kinder die Immobilie für zehn Jahre selbst nutzen.

FINANZVERMÖGEN:

Hierzu zählen Bankguthaben, Aktien und andere Wertpapiere. Diese Vermögensarten unterliegen den allgemeinen Freibeträgen und Steuersätzen, können aber durch geschickte Schenkungen zu Lebzeiten steuerlich optimiert werden.

Beispiele für Steuervergünstigungen

Eine effektive Möglichkeit, die Steuerlast zu reduzieren, besteht darin, Immobilien mit einem sogenannten Nießbrauchsvorbehalt zu übertragen. Dabei bleibt der Nießbrauchsberechtigte (z. B. die Eltern) berechtigt, die Immobilie weiterhin zu nutzen und die Erträge der Immobilie zu verwerten. Der Wert des Nießbrauchs wird aber vom Übertragungswert der Immobilie abgezogen, wodurch die Bemessungsgrundlage für die Steuer erheblich verringert werden kann. So könnte jemand eine Immobilie im Wert von 800.000 Euro an sein Kind übertragen, sich jedoch ein lebenslanges Nießbrauchsrecht vorbehalten. Bei einem angenommenen Wert des Nießbrauchs in Höhe von 300.000 Euro reduziert sich der steuerpflichtige Wert der Schenkung auf 500.000 Euro. Nach Abzug des Freibetrags von 400.000 Euro bleiben nur noch 100.000 Euro steuerpflichtig und die Zuflüsse aus dem vemieteten Objekt stehen weiterhin dem Übergeber zur Verfügung.

Übrigens können auch Depots gegen Nießbrauch übertragen werden – das sollte aber unbedingt nur über einen hier-auf spezialisierten Vermögensverwalter abgebildet werden.

Ein anderer Ansatzpunkt, um Vermögen steuergünstig unter Berücksichtigung der benötigten Ruhestandsliquidität zu übertragen, kann die Übertragung von Betriebsvermögen gegen eine Versorgungsrente sein. Hierbei wird das Betriebsvermögen schenkweise auf die nächste Generation übertragen, während der Übertragende eine lebenslange Rente erhält. Beispielsweise könnte ein Zahnarzt die Praxis im Wert von 1.000.000 Euro an seinen Sohn (ebenfalls Zahnarzt) übertragen und eine jährliche Versorgungsleibrente von 50.000 Euro vereinbaren. Der Kapitalwert dieser Leibrente wird vom Übertragungswert des Betriebsvermögens abgezogen, wodurch sich die steuerliche Bemessungsgrundlage reduziert. In Verbindung mit den Begünstigungen für Betriebsvermögen und Abzug des entsprechenden Freibetrags könnte so die Steuer vermieden werden. Überdies hinaus können die vorhandenen nicht vollständig genutzten Freibeträge für weitere Übertragungen verwendet werden.

Eine sinnvolle Strategie zur Steueroptimierung ist auch die mehrmalige Nutzung der Freibeträge durch schrittweise Schenkungen. Da die Freibeträge alle zehn Jahre neu genutzt werden können, ist es möglich, größere Vermögenswerte über mehrere Jahre steueroptimiert zu übertragen. Wenn jemand plant, seinen zwei Kindern ein Vermögen von insgesamt 1.200.000 Euro zu übertragen, könnte er in einem ersten Schritt jeweils 400.000 Euro an jedes Kind schenken. Nach zehn Jahren können die Freibeträge erneut genutzt werden, um wiederum 400.000 Euro zu schenken.

Ein in diesem Zusammenhang wichtiger Aspekt der Nachlassplanung ist die gleichmäßige Verteilung des Vermögens zwischen den Ehepartnern. Durch strategische Schenkungen und Übertragungen zu Lebzeiten sollte das Vermögen so auf beide Ehepartner verteilt werden, dass die Freibeträge beider Partner voll ausgeschöpft werden können. 

Die interdisziplinäre Zusammenarbeit

Aus der Vielzahl an möglichen Gestaltungen kommt es vor allem darauf an, die steuerrechtlich angebotenen Möglichkeiten mit der Finanz- und Ruhestandsplanung abzustimmen. Denn nicht alles, was steuerrechtlich möglich ist, ist auch aus Sicht der Ruhestandsplanung sinnvoll. Es nützt nichts, wenn das Vermögen steueroptimal übertragen wurde, am Ende aber nicht genug übrigbleibt, um den gewünschten Lebensunterhalt bestreiten zu können.