Ruhestand und Erbfolge strukturiert und rechtzeitig planen
Expertenwissen zum Thema Erben und SchenkenD&W RedaktionIn den nächsten fünf Jahren gehen etwa 30 Prozent der Zahnärzte in Ruhestand, denn laut BZÄK sind 29% der Zahnärzte 60 Jahre oder älter. Das Thema Erben und Schenken ist daher aufgrund der Demographie aktueller denn je. Wir haben mit Erbschaftsplaner Turhan Kurt, Steuerberater Markus Schwarz und Rechtsanwalt Dirk Wenke über die Planung von Ruhestand und Erbfolge gesprochen.
Warum ist eine interdisziplinäre Beratung im Erbrecht und der vorsorgenden Vermögensplanung aus Ihrer Sicht besonders wichtig?
Kurt: Vergleichen wir das doch mal mit einer OP – ein komplexer Eingriff erfordert immer mehrere Fachdisziplinen. Der Chirurg wird z.B. nicht ohne gesicherte Diagnose eines Orthopäden oder ohne die Narkose durch einen Anästhesisten operieren. So ist es tatsächlich auch bei der Erbschaftsplanung. Erst braucht man eine genaue Diagnose. Das ist Sache eines Erbschaftsplaners, der im Rahmen einer umfassenden Analyse eine genaue Ist-Situation des Mandanten erfasst. Wo stehe ich heute? Wo entwickle ich mich finanziell hin? Was benötige ich im Ruhestand?Und vor allem die Frage: Was passiert,wenn ich nicht mehr bin? Und erst, wenn die Diagnose steht, kann man im zweiten Schritt die Behandlung angehen.
Schwarz: Um bei diesem Vergleich zu bleiben: jetzt kommt die zweite Fachdisziplin ins Spiel. Die Behandlung soll so schonend wie möglich und nur so progressiv wie nötig sein. Übersetzt heißt das: nicht alles, was steuerlich umsetzbar ist, macht auch Sinn. Erst kommt die Planung, dann erst wird geschaut, wie die Umsetzung steueroptimal gestaltet werden kann.
Wenke: Und erst danach, wenn Sie so wollen, kommt die OP, oder umgemünzt auf die Erbschaftsplanung: die Umsetzung.Hier fließen die Resultate aus der Planung und der steuerlichen Optimierung in Verträge, Vollmachten und Testamente. Jede Fachdisziplin benötigt also die anderen beiden. Es macht beispielsweise keinen Sinn eine Gestaltung rechtlich umzusetzen, ohne genau zu wissen, welche steuerlichen Auswirkungen entstehen können.
Schwarz: Genauso unsinnig wäre es,wenn nur und ausschließlich aus steuerrechtlicher Sicht geplant wird, ohne zivilrechtliche Auswirkungen einzubeziehen.
Kurt: Steuerberater und Rechtsanwalt sind wiederum immer im Vorfeld auf vollständige Informationen zur genauen Vermögenstruktur der Kunden angewiesen, die in der notwendigen Form und Detailliertheit nur ein Erbschaftsplaner liefern kann.
Oft werden die Themen Erbschafts- und Nachfolgeplanung,Generationenmanagement und Vermögensnachfolge viel zu lange vernachlässigt. Wie sind da Ihre Erfahrungen?
Schwarz: Wer das Thema angehen will,muss sich mit dem eigenen Tod oder dem des Ehegatten beschäftigen. Wer macht das schon gerne? Das führt oft dazu, dass die Planung für den Ernstfall aufgeschoben wird. Unsere Wahrnehmung ist auch,dass es die Komplexität des Themas ist,die viele davor zurückschrecken lässt.
Wenke: Dazu kommen falsche Informationen oder Halbwissen, die zu Irrglauben bei den Mandanten führen. Einfachstes Beispiel ist, dass Ehegatten glauben, alles gehöre beiden zu gleichen Teilen. Das ist mitnichten so! Daher rührt auch oft der zweite Irrglaube bezüglich des sogenannten Berliner Testaments. Hier glauben tatsächlich viele, den überlebenden Ehegatten zum Alleinerben eingesetzt und die Kinder erst mal wirksam vom Erbe ausgeschlossen zu haben. Die Kinder können aber ihre Pflichtteile fordern und bei z.B.einem Kind kann das bereits ein Viertel des gesamten Erbes sein.
Kurt: Einer der größten Hemmschuhe ist aber, dass die wenigsten wissen, wo und wie sie bei diesem Thema anfangen sollen.Viele gehen das Thema klassischerweise erst mal nur mit dem Steuerberater an. Das ist aber nicht unbedingt zielführend,denn der Steuerberater hat nicht den Einblick in die privaten Vermögensverhältnisse, wie manch einer denkt.
Ab welchem Alter oder Lebensabschnitt sollte man sich Gedanken zu den Themen Erbrecht oder generationsübergreifender Vermögenserhalt machen?
Kurt: Die statistische Lebenserwartung beträgt etwas mehr als 80 Jahre – dumm nur, dass der Tod das nicht weiß! Ich bin seit über 25 Jahren bei der Feuerwehr und habe einige Situationen miterlebt,bei denen ich wusste: jetzt gerade ist die Polizei zusammen mit einem Notfallseelsorger unterwegs zur jungen Familie des verunfallten 40-Jährigen. Und sie werden sagen müssen, dass er leider nicht mehr nach Hause kommen wird. Daher gibt es eigentlich nie „das richtige Alter“.
Dirk Wenke ist seit 19 Jahren im Familien- und Erbrecht tätig. Er ist Fachanwalt für Familienrecht, Netzwerkpartner der apoBank für Erbrecht und Familienrecht und berät schwerpunktmäßig Freiberufler und Unternehmer,überwiegend im Gesundheitswesen.Neben komplexen Scheidungssachverhalten liegt der Fokus auf der Gestaltungsberatung im Erbrecht,insbesondere zu Gestaltungsformen der Vermögensnachfolge, des Vermögenserhalts, Steuervermeidung,Verteilungsgerechtigkeit und Streitvermeidung. Kontakt: wenke@kwm-law.de
Wenke: Das ist jetzt ein drastisches Beispiel. Tatsächlich kommt es immer auf den Einzelfall an. Die Bedeutung eines Testaments ist für eine gerade volljährige, alleinstehende Person noch nicht zwingend relevant. Befindet man sich in der Familienplanung oder Existenzgründung, gibt es bereits berechtigte Bedürfnisse zur Absicherung der Familie. Als PraxisinhaberIn ist beispielsweise die Verhinderung von Erbengemeinschaften unter Beteiligung minderjähriger Kinder äußerst wichtig.
Schwarz: Je nach Vermögenssituation und der Lebensumstände sollte nicht erst zum Zeitpunkt des Ruhestands über das Thema nachgedacht werden. Ansonsten kann hier Zeit verstreichen, in der die nächste Generation schon sinnvoll in die Planung des Vermögenserhalts hätte einbezogen werden können. Daher ist meine Empfehlung ganz klar: so frühzeitig wie möglich und nötig.
Wenke: Das ist jetzt ein drastisches Beispiel. Tatsächlich kommt es immer auf den Einzelfall an. Die Bedeutung eines Testaments ist für eine gerade volljährige, alleinstehende Person noch nicht zwingend relevant. Befindet man sich in der Familienplanung oder Existenzgründung, gibt es bereits berechtigte Bedürfnisse zur Absicherung der Familie. Als PraxisinhaberIn ist beispielsweise die Verhinderung von Erbengemeinschaften unter Beteiligung minderjähriger Kinder äußerst wichtig.
Schwarz: Je nach Vermögenssituation und der Lebensumstände sollte nicht erst zum Zeitpunkt des Ruhestands über das Thema nachgedacht werden. Ansonsten kann hier Zeit verstreichen, in der die nächste Generation schon sinnvoll in die Planung des Vermögenserhalts hätte einbezogen werden können. Daher ist meine Empfehlung ganz klar: so frühzeitig wie möglich und nötig.
Welche rechtlichen, steuerlichen und finanziellen Aspekte sind zu beachten?
Schwarz: Diese Frage lässt sich nie pauschal und im Grunde nur am jeweiligen Beispiel beantworten. Es gibt aber ein paar grundsätzliche Punkte aus steuerlicher Sicht, die man beachten kann. Dazugehört zum Beispiel nach Möglichkeit steuerliche Freibeträge auszuschöpfen.Diese betragen zwischen Ehegatten, die in der Zugewinngemeinschaft leben, 500.000 Euro. Jeder Ehegatte kann zudem jedem Kind steuerfrei 400.000 Euroschenken oder vererben.
Wenke: Ein weiterer Grundsatz ist: vermeide nach Möglichkeit Erbengemeinschaften! Diese entstehen immer zwangsläufig, wenn man kein Testament und mindestens zwei gesetzliche Erben hat.
Kurt: Aus finanzieller Hinsicht ist immerzu beachten, dass es am Ende nicht eng wird, weil man „aus steuerlichen Gründen“ zu viel aus der Hand gegeben hat.Umgekehrt kann lange Zurückhaltung zu vermeidbaren Steuerzahlungen führen. Eine Ruhestandsplanung mit Maß und Auge muss daher Bestandteil einer professionellen Beratung sein.
Welche Themenschwerpunktekommen immer wieder vor und sind von besonderer Bedeutung?
Schwarz: Als Steuerberater haben wir immer wieder Mandanten, die entweder gar keine Vorstellung haben oder aber das Thema zu sehr auf die steuerliche Komponente einengen. Die einen kommen und sagen „wir müssen da jetzt was machen“,und die anderen wollen „Erbschaftsteuersparen“.
Wenke: Im rechtlichen Bereich ist da das Spielfeld größer. Oft genannt werden Themen wie Streitvermeidung, Verteilungsgerechtigkeit, Absicherung bei Geschäftsunfähigkeit, Vermögensschutz durch Ehevertrag, sogar Themen wie Sicherung der eigenen Liquidität spielen eine Rolle.
Kurt: Ein Punkt gewinnt bei unseren Mandanten immer mehr an Bedeutung und das ist die Durchsetzung des letzten Willens durch Testamentsvollstreckung.
Gibt es eine empfohlene Vorgehensweise für eine strukturierte interdisziplinäre Beratung?
Turhan Kurt berät seit 25 Jahren ausschließlich Zahnmediziner.Der Schwerpunkt seiner Tätigkeit liegt in der langfristigen und professionellen Liquiditäts- und Ruhestandsplanung. Er ist Finanzökonom (ebs) und ist über den Verband FPSB zertifizierter Finanzplaner (Certified Financial Planner, CFP), Erbschaftsplaner (CertifiedFoundation and Estate Planner, CFEP) sowie Generationenmanager (CertifiedGenerations Advisor, CGA). Zugleich ist er ausgebildeter Testamentsvollstrecker (DVEV). Kontakt: tk@kurt-engel.de
Kurt: Da antworten wir am besten gleich in der richtigen Reihenfolge. Ja, die gibt es. Im ersten Schritt werden die Grundlagen für die Beratung, also alle persönlichen und wirtschaftlichen Daten erfasst und in eine Planung überführt. Dazu gehört sowohl die Ruhestandsfinanzierung als auch ein „Sterben auf Probe“: In einer Simulation können wir darlegen, welche finanziellen, steuerlichen und rechtlichen Auswirkungen die nächsten zwei Erbgänge haben. Davon hängen die gesamte weitere Planung und Gestaltung ab. Daher ist auf diesen Punkt auch besonderes Augenmerk zu richten. In einem zweiten Schritt werden Wünsche und Ziele der Mandanten definiert und besprochen.
Schwarz: Dann kommt die Planungsphase. Spätestens ab jetzt sind alle drei Disziplinen mit an Bord. In diesem dritten Schritt werden Gestaltungsoptionen geprüft und abgewogen. Es werden, ausgehend von den Zielen und Wünschen der Mandanten, mehrere mögliche Maßnahmenpakete in finanzieller, steuerlicher und rechtlicher Hinsicht abgeprüft und alle Wechselwirkungen simuliert.
Wenke: Final erfolgt dann die konkrete Umsetzung, also beispielsweise die Verträge für eine Familiengesellschaft, Testament, Vorsorgevollmachten, etc. Die Erfahrung hat gezeigt, dass erbrechtliche Planungen immer dann besonders effektiv umgesetzt werden können, wenn eine interdisziplinäre Zusammenarbeit in den einzelnen Stufen gut funktioniert.
Welche Konsequenzen drohen,wenn mit der Planung von Ruhestand und Erbfolge zu lange gewartet wird?
Kurt: Der Tod kündigt sich leider nicht immer rechtzeitig an und plötzlich habe ich die ungeregelte Erbschaft mit gesetzlicher Erbfolge, Erbengemeinschaft und ungewollter Vermögensverteilung.
Markus Schwarz arbeitet als Steuerberaterin der rein auf Heilberufe spezialisierten Steuerkanzlei Ertelt. Neben der regulären steuerrechtlichen Beratung widmet er sich insbesondere den Bereichen gesellschaftsrechtliche Umwandlungen sowie Erben und Schenken. Kontakt: markus.schwarz@kanzlei-ertelt.de
Schwarz: Gerade bei Immobilien sind Übertragungen gegen Nießbrauch ein probates Mittel, Vermögen aus der Hand zu geben, die Früchte davon aber weiter zu genießen. Steuerlich wirkt eine Übertragung gegen Nießbrauch aber nur, wenn noch eine ausreichend lange Lebenserwartung gemäß der statistischen Sterbetafeln gegeben ist. Außerdem verliert man mitzunehmendem Alter den Spielraum für steuerlich relevante 10-Jahresfristen.
Wenke: Im Todesfall ist die gewollte Verteilungsgerechtigkeit nicht sichergestellt.So können z.B. geschiedenen Ehegatten oder Schwiegerkindern Teile des Familienvermögens zustehen.
Was sind Ihrer Meinung nach typische Fehlvorstellungen in erbrechtlicher Hinsicht, die zu fatalen Problemen führen können?
Wenke: Da gibt es leider einige. Eheleute unterliegen z.B. häufig der Annahme, dass Ihnen in der Ehe alles jeweils zur Hälfte gehört. Dem ist keineswegs so. Jeder Ehegatte kann in der Ehe eigenes Vermögen bilden.Das bedeutet aber auch, dass Zahlungen auf das Konto des Ehegatten sich am Ende steuerlich auswirken können, wenn z.B.auf ein gemeinschaftliches Konto immer nur Geld von einem der Eheleute eingeht.Hier kann regelmäßige eine hälftige Schenkung vorliegen. Ein weiteres Problem kann entstehen, wenn nur ein Ehegatte ein Konto hat. Im Todesfall kann die Verfügung über dieses Konto gesperrt sein, bis der überlebende Ehegatte den Erbschein vorlegen kann – und das kann dauern! Richtig interessant wird es für kinderlose Paare, die sich z.B. eine gemeinsame Immobilie gekauft haben: hier erbt nicht einfach nur der Ehegatte, sondern auch die Schwiegereltern beim Tod des Partners! Wollen wir hoffen,dass sie sich leiden können…
Schwarz: Probleme können auch entstehen, wenn das Vermögen aus Immobilien besteht. Durch die teilweise massiv gestiegenen Immobilienwerte sind plötzlich erbschaftsteuerliche Konsequenzen zu erwarten – aber die Liquidität fehlt, da siein Immobilien gebunden ist. Dafür reicht unter Umständen schon das Familienhaus auf einem großen Grundstück.
Kurt: Mir fällt da sofort ein Spruch ein:Auch der Tod bringt Leben in die Familie – Erbstreitigkeiten! Und jede Erbengemeinschaft ist so ein potenzielles Streitnest. Wenn ich eine Erbengemeinschaft verhindern will, muss ich ein Testament erstellen. Aber bitte nicht auf dem Computer, anschließend ausgedruckt und unterschrieben. Denn dann ist es schon ungültig, weil es nicht handschriftlich erstellt wurde. Und ich habe plötzlich doch die Erbengemeinschaft…