Welche Rechte haben Arbeitnehmer, wenn ihr Kind krank ist?
Judith MeisterWenn Eltern an ihrem Arbeitsplatz ausfallen, weil sie sich um ihren kranken Nachwuchs kümmern müssen, stellen sich etliche rechtliche Fragen. Ein Überblick über die aktuelle Gesetzeslage und die Pflichten von Arbeitnehmern und Arbeitgebern.
Arbeitspflicht vs. Elternpflicht: Wann dürfen Eltern zu Hause bleiben?
„Bitte holen Sie Ihr Kind ab. Es ist nicht gesund.“ Wenn die Kindertagesstätte einen solchen Anruf absetzt, beginnt nicht nur für die betroffenen Eltern ein organisatorischer Albtraum. Auch der Arbeitgeber, bei dem die Mutter oder der Vater des erkrankten Kindes beschäftigt ist, hat vielfach ein Problem. Der Grund: Die Eltern müssen (und dürfen) in diesem Fall ihren Arbeitsplatz verlassen und sich um den Nachwuchs kümmern. Das kann gerade in kleinen Betrieben – etwa in Zahnarztpraxen – zu erheblichen Personalengpässen und spürbaren finanziellen Belastungen des Arbeitgebers führen.
Wann müssen Praxischefs abwesende Mitarbeitende weiterbezahlen?
Zwar gilt im deutschen Arbeitsrecht normalerweise die Regel „ohne Arbeit kein Lohn“. Der Gesetzgeber hat jedoch einen wichtigen Ausnahmetatbestand geschaffen – nämlich § 616 BGB.
§ 616 BGB: Vergütung bei vorübergehender Verhinderung
Laut § 616 BGB behalten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihren Vergütungsanspruch, wenn sie aus einem unverschuldeten persönlichen Grund für eine verhältnismäßig kurze Zeit nicht arbeiten können. Die Krankheit eines Kindes zählt zu solchen Gründen. In diesem Fall muss der Praxisinhaber oder die Praxisinhaberin das Gehalt weiterzahlen.
Allerdings gibt es eine wichtige Einschränkung: § 616 BGB kann per Arbeits- oder Tarifvertrag ausgeschlossen werden. Ist das der Fall, greift eine andere Regelung – das Kinderkrankengeld der gesetzlichen Krankenkassen.
Kinderkrankengeld: Wer hat Anspruch und wie lange?
Wenn § 616 BGB nicht greift oder die Abwesenheit länger andauert, können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit gesetzlicher Krankenversicherung auf § 45 SGB V zurückgreifen. Diese Vorschrift regelt das sogenannte Kinderkrankengeld.
Anspruch auf Kinderkrankentage
Elternpaare: 10 Tage pro Kind und Elternteil (maximal 25 Tage insgesamt)
Alleinerziehende: 20 Tage pro Kind
Mehr als zwei Kinder: Maximal 50 Tage pro Elternteil, 100 Tage für Alleinerziehende
Während der Corona-Pandemie wurde diese Regelung vorübergehend stark ausgeweitet. Seit dem 8. April 2023 gelten jedoch wieder die oben genannten Standardwerte.
Wichtig: Im Gegensatz zu § 616 BGB übernimmt hier nicht der Arbeitgeber die Kosten, sondern die Krankenkasse zahlt ein Krankengeld. Dieses beträgt in der Regel 90 % des Nettogehalts, ist aber nach oben gedeckelt.
Sonderfall: Privatversicherte Arbeitnehmer
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die privat krankenversichert sind, haben keinen Anspruch auf Kinderkrankengeld nach § 45 SGB V. In diesem Fall sind sie auf individuelle Vereinbarungen mit dem Arbeitgeber angewiesen oder müssen unbezahlten Urlaub nehmen.
Kann der Arbeitgeber Homeoffice anordnen?
In der Praxis kommt häufig die Frage auf, ob Eltern, deren Kind krank ist, stattdessen im Homeoffice arbeiten können. Grundsätzlich gilt:
Ist der Mitarbeitende arbeitsfähig, aber zu Hause gebunden (z. B. weil das Kind Betreuung braucht, aber nicht schwer krank ist), kann Homeoffice eine Lösung sein.
Ist der Mitarbeitende aufgrund der Pflegeaufgabe nicht arbeitsfähig, besteht kein Anspruch auf Homeoffice.
Arbeitgeber können kein Homeoffice anordnen, wenn der Arbeitsvertrag dies nicht vorsieht.
Welche Rechte haben Eltern – und welche Pflichten Arbeitgeber?
Eltern dürfen ihr krankes Kind betreuen und haben dafür verschiedene gesetzliche Absicherungen.
Arbeitgeber müssen unter bestimmten Bedingungen das Gehalt weiterzahlen (§ 616 BGB), wenn dieser nicht im Arbeitsvertrag ausgeschlossen wurde.
Gesetzlich Versicherte haben einen Anspruch auf Krankengeld von der Krankenkasse (§ 45 SGB V), wenn sie ihr krankes Kind betreuen.
Privatversicherte sind auf individuelle Regelungen mit dem Arbeitgeber angewiesen.
Homeoffice kann eine Lösung sein, wenn es mit dem Arbeitgeber abgestimmt ist und die Arbeitsfähigkeit besteht.
Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Informationen der gesetzlichen Krankenkassen zum Kinderkrankengeld