Wirtschaftsnachrichten für Zahnärzte | DENTAL & WIRTSCHAFT
Glossar & FAQ
Inhaltsverzeichnis

Morphologische und histologische Eigenschaften der Gingiva

Die Gingiva lässt sich in zwei funktionelle Bereiche unterteilen: die freie marginale Gingiva und die befestigte Gingiva. Letztere ist durch eine feste Verankerung am Periost und dem Bindegewebe der Alveolarfortsätze charakterisiert und bildet damit einen wesentlichen Teil der mechanischen Schutzstruktur im Mundraum. Histologisch besteht die Gingiva aus einem mehrschichtigen, häufig verhornten Plattenepithel, das auf einer Basalmembran ruht und in eine gut vaskularisierte Lamina propria übergeht. Die arterielle Versorgung erfolgt über das Rete arteriosum gingivae, welches aus Ästen der A. alveolaris superior und inferior gespeist wird.

Klinisch relevante Parameter in der Gingiva-Bewertung

In der zahnärztlichen Praxis erfolgt die Beurteilung der Gingiva mithilfe standardisierter Parameter, die wichtige Rückschlüsse auf die parodontale Gesundheit ermöglichen. Die Sondierungstiefe (ST) liefert Aufschluss über mögliche pathologische Veränderungen im Sulcus gingivalis. Die Blutung auf Sondieren (BOP) dient als sensitiver Entzündungsmarker. Gingivale Rezessionen (GR) sowie der klinische Attachmentverlust (CAL) geben Hinweise auf die chronische Progression einer parodontalen Erkrankung. Die Klassifikation dieser Parameter basiert auf dem aktuellen Konsensbericht der AAP und EFP von 2018.

Gingivale Erkrankungen – Klassifikation und Differenzialdiagnostik

Die häufigste entzündliche Veränderung ist die plaqueinduzierte Gingivitis. Sie verläuft meist reversibel, bleibt auf die Gingiva beschränkt und resultiert in Rötung, Schwellung und Blutungsneigung. Ursächlich ist die lokale Akkumulation bakterieller Biofilme am Zahnfleischrand. Demgegenüber stehen nicht-plaqueinduzierte Gingivitiden, die durch virale, mykotische oder immunologische Faktoren ausgelöst werden können. Hierzu zählen unter anderem Lichen planus und das benigne Schleimhautpemphigoid, die differentialdiagnostisch sicher erkannt und interdisziplinär behandelt werden sollten.

Gingivahyperplasien entstehen häufig infolge pharmakologischer Einflüsse, etwa bei Einnahme von Nifedipin, Phenytoin oder Ciclosporin. Klinisch imponieren sie als wulstige Verbreiterung der marginalen Gingiva, die funktionell und ästhetisch beeinträchtigend wirken kann. Die primäre Therapie besteht in der Reduktion der Plaquelast, ergänzt durch chirurgische Maßnahmen wie Gingivektomien, sofern keine medikamentöse Umstellung möglich ist.

Gingivarezessionen, klassifiziert nach Miller, betreffen primär den Rückgang des marginalen Zahnfleischs mit Freilegung der Zahnhälse. Auslösende Faktoren sind neben traumatischen Putztechniken auch kieferorthopädische Einflüsse und parodontaler Gewebeabbau. Behandlungsoptionen reichen von modifizierten koronalen Verschiebelappen bis hin zu freien Schleimhaut- oder Bindegewebstransplantaten.

Bedeutung der Gingiva im systemischen Kontext

Zahlreiche epidemiologische und klinische Studien belegen einen engen Zusammenhang zwischen parodontalen Erkrankungen und systemischen Erkrankungen. Gingivale Entzündungen können die systemische Entzündungsantwort triggern und so Einfluss auf chronisch-systemische Krankheitsbilder wie Typ-2-Diabetes, kardiovaskuläre Erkrankungen und Schwangerschaftskomplikationen nehmen. Der pathophysiologische Mechanismus beruht auf einer erhöhten Zytokinfreisetzung und der bakteriellen Translokation in den Blutkreislauf. Vor diesem Hintergrund wird die interdisziplinäre Betreuung parodontal erkrankter Patientinnen und Patienten zunehmend zur medizinischen Notwendigkeit. Die Etablierung strukturierter Screening-Programme wie dem ParoPass kann in der Praxis ein effektives Mittel sein, um gefährdete Patientengruppen frühzeitig zu identifizieren.

Prävention und Recall in der zahnärztlichen Betreuung

Ein zentrales Element der Prävention ist die risikobasierte Planung von Unterstützungsintervallen im Rahmen der unterstützenden Parodontitistherapie (UPT). Die Intervalle orientieren sich an Parametern wie Blutung, Sondierungstiefe, Mundhygieneindex und systemischen Risiken. Die motivierende Gesprächsführung (Motivational Interviewing) hat sich als effektive Methode zur langfristigen Compliance-Steigerung erwiesen. Ergänzend spielt die rechtssichere Dokumentation aller Befunde und Maßnahmen gemäß § 630f BGB eine entscheidende Rolle. Die Aufklärung zur häuslichen Mundhygiene sowie die regelmäßige professionelle Zahnreinigung sind ebenso integraler Bestandteil einer nachhaltigen parodontalen Betreuung.

FAQ für Patient:innen

Was ist gesundes Zahnfleisch?

Gesundes Zahnfleisch ist blassrosa, liegt eng an den Zähnen an und weist weder Schwellungen noch Blutungsneigung auf. Es bildet einen schützenden Abschluss des Zahnhalteapparates gegen äußere Einflüsse.

Warum ist Zahnfleischbluten gefährlich?

Zahnfleischbluten ist in den meisten Fällen ein Frühzeichen für eine Gingivitis. Wird die zugrunde liegende bakterielle Entzündung nicht behandelt, kann sich daraus eine chronische Parodontitis entwickeln, die zu Zahnlockerung und -verlust führen kann.

Wie kann ich Zahnfleischentzündungen vorbeugen?

Eine konsequente Mundhygiene mit Zahnbürste und Interdentalreinigung, unterstützt durch regelmäßige professionelle Zahnreinigungen und Kontrolluntersuchungen beim Zahnarzt, ist der effektivste Schutz vor Zahnfleischerkrankungen.

Kann Zahnfleisch nachwachsen, wenn es sich zurückgebildet hat?

Ein zurückgebildetes Zahnfleisch kann nicht von selbst nachwachsen. In manchen Fällen können chirurgische Maßnahmen, wie eine Zahnfleischtransplantation, helfen, das Gewebe wiederherzustellen.

Welche Rolle spielt das Zahnfleisch bei meiner Allgemeingesundheit?

Chronische Zahnfleischentzündungen stehen im Verdacht, systemische Erkrankungen wie Herzinfarkt oder Diabetes negativ zu beeinflussen. Eine gute Parodontalhygiene ist daher nicht nur für die Mundgesundheit, sondern auch für den gesamten Organismus bedeutsam.

Welche Rolle spielt die Ernährung bei der Zahnfleischgesundheit?

Eine ausgewogene Ernährung, reich an Vitaminen und Mineralstoffen, insbesondere Vitamin C, unterstützt die Gesundheit des Zahnfleisches. Zucker- und säurereiche Lebensmittel sollten hingegen vermieden werden.

Was sind die Risiken einer unbehandelten Zahnfleischerkrankung?

Unbehandelte Zahnfleischerkrankungen können zu schwerwiegenden Folgen wie Zahnverlust, erhöhtem Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes führen.

Welche Hausmittel helfen bei Zahnfleischproblemen?

Mundspülungen mit Kamillen- oder Salbeitee, sowie das Auftragen von Aloe Vera auf das entzündete Zahnfleisch können lindernd wirken. Diese Maßnahmen ersetzen jedoch nicht die zahnärztliche Behandlung.

Wie beeinflussen Rauchen und Alkohol die Gesundheit des Zahnfleisches?

Rauchen und übermäßiger Alkoholkonsum können das Zahnfleisch schädigen, das Immunsystem schwächen und das Risiko für Zahnfleischerkrankungen erheblich erhöhen.

Wann sollte ich bei Zahnfleischproblemen einen Zahnarzt aufsuchen?

Ein Zahnarzt sollte aufgesucht werden, wenn Symptome wie anhaltende Zahnfleischblutungen, Schmerzen oder sichtbare Rückbildungen des Zahnfleisches auftreten. Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung sind entscheidend.

Quelle:

Chapple IL et al. (2018): Periodontal health and gingival diseases – consensus report of the EFP/AAP., Nibali L. et al. (2017): The systemic impact of periodontitis: current status and future perspectives, Tonetti MS et al. (2020): Treatment of stage I–III periodontitis – S3-level clinical practice guideline.

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