Überstunden in der Praxis: Diese Regeln sollten Zahnärzte und ZFA kennen
Judith Meister und Marzena SickingManchmal lassen sich Überstunden in der Zahnarztpraxis nicht vermeiden. Doch wer muss im Fall der Fälle länger bleiben? Und wie wird die Extra-Arbeit vergütet? Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Was zählt als Überstunden?
Im Arbeitsrecht wird der Begriff der Überstunden nicht explizit definiert. Überstunden entstehen, wenn Arbeitnehmer über die im Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag festgelegte Arbeitszeit hinaus tätig sind.
Ein Beispiel: Eine angestellte Zahnärztin, die von 8 Uhr bis 13 Uhr arbeiten soll, leistet Überstunden, sobald sie nach 13 Uhr noch arbeitet. Besonders viele Überstunden führen zur sogenannten Mehrarbeit. Mehrarbeit liegt vor, wenn ein Arbeitnehmer länger arbeitet als nach dem Arbeitszeitgesetz zulässig.
Wie unterscheidet sich Mehrarbeit von Überstunden?
Mehrarbeit ist eine spezielle Form der Überstunden, die gegen gesetzliche Arbeitszeitregelungen verstößt. Arbeitnehmer dürfen in der Regel nicht mehr als 48 Stunden pro Woche arbeiten, es sei denn, es gibt besondere Umstände.
Wie viele Überstunden sind erlaubt?
Diese Frage lässt sich pauschal nicht beantworten. Das Arbeitszeitgesetz schreibt lediglich vor, dass Arbeitnehmer pro Woche im Normalfall nicht mehr als 48 Stunden arbeiten sollen. Theoretisch könnten angestellte Mitarbeiter also von Montag bis Samstag jeweils acht Stunden schuften, ohne gegen die Vorgaben des Gesetzes zu verstoßen.
Ausnahmen von der 48-Stunden-Woche
In Ausnahmefällen erlaubt das Arbeitszeitgesetz auch eine Arbeitszeit von bis zu 60 Stunden pro Woche, vorausgesetzt, dass die durchschnittliche Arbeitszeit über sechs Monate hinweg wieder auf acht Stunden pro Tag sinkt.
„Da die meisten Arbeitsverträge eine 40-Stunden-Woche vorsehen, dürfen Mitarbeiter daher problemlos acht Überstunden pro Woche machen“, erläutert Randhir K. Dindoyal, Rechtsanwalt in München. In Einzelfällen sind sogar 20 Überstunden pro Woche erlaubt. Dann allerdings muss der Chef sicherstellen, dass sich die Durchschnittsbelastung innerhalb von sechs Monaten wieder auf acht Stunden pro Tag einpendelt.
Müssen Arbeitnehmer gegen ihren Willen Überstunden leisten?
Grundsätzlich müssen Arbeitnehmer Überstunden leisten, wenn dies im Arbeits- oder Tarifvertrag vereinbart ist. Viele Arbeitsverträge enthalten entsprechende Klauseln, die dem Arbeitgeber erlauben, Überstunden anzuordnen.
Die Rechtsprechung fordert zwar, dass Arbeitgeber neben den eigenen Interessen auch die Belange der Belegschaft berücksichtigen, doch die Praxis sieht anders aus. „Allerdings sind nur selten Konstellationen denkbar, in denen die Belange eines angestellten Zahnarztes überwiegen. Das gilt vor allem, wenn ein Notfallpatient zu versorgen ist oder es gilt, erkrankte Kollegen zu vertreten“, sagt Rechtsanwalt Dindoyal.
Ausnahmen von der Überstundenpflicht
Schwangere und schwerbehinderte Arbeitnehmer haben besonderen Schutz. Schwangere dürfen grundsätzlich nicht mehr als acht Stunden täglich arbeiten. Schwerbehinderte sind nicht verpflichtet, Überstunden zu leisten, wenn sie dies nicht möchten.
Wie werden Überstunden bezahlt?
Die Vergütung von Überstunden hängt in erster Linie vom Arbeits- oder Tarifvertrag ab. Dort sollte festgelegt sein, ob und wie Überstunden bezahlt werden. Wurden die Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet oder genehmigt, besteht in der Regel ein Anspruch auf Vergütung.
„Das heißt allerdings nicht, dass die Arbeitnehmer in jedem Falle leer ausgehen“, so Rechtsanwalt Dindoyal. Die Rechtsprechung gesteht ihnen zumindest dann eine Vergütung zu, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalles eine solche erwarten durften (vgl. etwa BAG, Az. 5 AZR 765/10). In Zahnarztpraxen dürfte diese Voraussetzung meist erfüllt sein.
Allerdings gibt es eine wichtige Ausnahme: Zahnärzte, deren monatliches Bruttogehalt die Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung übersteigt, dürfen nicht ohne Weiteres erwarten, für Überstunden bezahlt zu werden.
Ausnahme: Beitragsbemessungsgrenze
Arbeitnehmer, deren Bruttogehalt die Beitragsbemessungsgrenze der Rentenversicherung übersteigt, haben unter Umständen keinen Anspruch auf Überstundenvergütung. Die Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung liegt 2024 in den neuen Bundesländern bei 7.450 Euro und in den alten Bundesländern bei 7.550 Euro monatlich.
Können Überstunden pauschal ausgeschlossen werden?
Es ist möglich, die Vergütung von Überstunden pauschal im Arbeitsvertrag zu regeln. Eine allgemeine Klausel wie „mit dem monatlichen Gehalt sind alle anfallenden Überstunden abgegolten“ wird jedoch von der Rechtsprechung als zu unbestimmt betrachtet und gilt daher als unwirksam.
Pauschale Abgeltung von Überstunden
Für Vollzeitkräfte erlaubt die Rechtsprechung eine pauschale Abgeltung von bis zu 20 Überstunden pro Monat, wenn dies im Arbeitsvertrag eindeutig formuliert ist. Darüber hinausgehende Überstunden müssen dann gesondert vergütet oder durch Freizeit ausgeglichen werden.
Wann können Überstunden abgefeiert werden?
Wenn der Arbeitsvertrag dies vorsieht, können Arbeitnehmer in Absprache mit ihrem Chef die Extrastunden in Freizeit umwandeln.
Rechtsanspruch auf Ruhezeiten und Pausen
Das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) regelt nicht nur die maximale Arbeitszeit, sondern auch die Rechte der Arbeitnehmer auf Pausen und Ruhezeiten. Diese Regelungen gelten auch bei Überstunden und sind von besonderer Bedeutung, um die Gesundheit und das Wohlbefinden der Mitarbeiter zu schützen.
Pausenregelungen
Nach dem Arbeitszeitgesetz haben Arbeitnehmer Anspruch auf eine Pause, wenn ihre Arbeitszeit sechs Stunden überschreitet. Bei einer Arbeitszeit von sechs bis neun Stunden ist eine Pausenzeit von mindestens 30 Minuten vorgeschrieben. Wer länger als neun Stunden arbeitet, hat Anspruch auf eine Pause von mindestens 45 Minuten. Diese Pausen dürfen in Abschnitte von jeweils mindestens 15 Minuten aufgeteilt werden.
Besonders in Zahnarztpraxen, wo häufig lange Arbeitsschichten vorkommen, sind diese Pausen essenziell, um die Konzentration und Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter aufrechtzuerhalten.
Ruhezeiten zwischen Arbeitstagen
Neben den Pausen während der Arbeit müssen auch Ruhezeiten zwischen zwei Arbeitstagen eingehalten werden. Laut Arbeitszeitgesetz beträgt die gesetzliche Ruhezeit mindestens elf Stunden. Das bedeutet, dass zwischen dem Ende eines Arbeitstages und dem Beginn des nächsten Arbeitstages mindestens elf Stunden Pause liegen müssen.
Diese Ruhezeit darf nicht durch Überstunden verkürzt werden. Das Einhalten der Ruhezeiten ist wichtig, um sicherzustellen, dass die Mitarbeiter ausreichend Zeit zur Erholung haben. Wird die Ruhezeit regelmäßig verletzt, kann dies zu gesundheitlichen Problemen und einer verminderten Arbeitsleistung führen.
Homeoffice und Überstunden
Mit der Zunahme von Homeoffice-Arbeitsplätzen seit der COVID-19-Pandemie stellt sich die Frage, wie Überstunden in dieser neuen Arbeitsumgebung erfasst und vergütet werden. Homeoffice bietet zwar Flexibilität, kann aber auch dazu führen, dass die Grenzen zwischen Arbeitszeit und Freizeit verschwimmen, was häufig unbeabsichtigte Überstunden zur Folge hat.
Herausforderungen bei der Arbeitszeiterfassung im Homeoffice
Im Homeoffice ist es oft schwieriger, die Arbeitszeit klar zu trennen und zu erfassen. Arbeitnehmer könnten dazu neigen, länger zu arbeiten, da der Arbeitsplatz im privaten Raum integriert ist und der Arbeitsweg entfällt. Um Überstunden korrekt zu dokumentieren, müssen Unternehmen geeignete Systeme zur Arbeitszeiterfassung bereitstellen. Seit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) im Jahr 2019 sind Arbeitgeber verpflichtet, die Arbeitszeiten ihrer Mitarbeiter systematisch zu erfassen – dies gilt auch für das Homeoffice.
Risiken und Chancen von Überstunden im Homeoffice
Eine Gefahr des Homeoffice ist, dass Arbeitnehmer sich „immer erreichbar“ fühlen und außerhalb der vertraglich geregelten Arbeitszeiten arbeiten, was die Anzahl der Überstunden erhöhen kann. Um diesem Trend entgegenzuwirken, sollten klare Absprachen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern getroffen werden. Dazu gehören feste Arbeitszeiten und klar definierte Erholungsphasen.
Steuerliche Aspekte von Überstundenvergütungen
Überstundenvergütungen unterliegen wie das reguläre Einkommen der Besteuerung und den Sozialabgaben. Es gibt jedoch einige steuerliche Besonderheiten, die Arbeitnehmer und Arbeitgeber kennen sollten.
Besteuerung von Überstundenvergütungen
Überstundenvergütungen werden in der Regel zusammen mit dem regulären Gehalt versteuert. Das bedeutet, dass die zusätzliche Vergütung für Überstunden der Lohnsteuer unterliegt und in die Berechnung des zu versteuernden Einkommens einfließt. Je nachdem, in welcher Steuerklasse sich der Arbeitnehmer befindet, können Überstundenvergütungen dazu führen, dass der Steuersatz steigt, was zu einer höheren Steuerbelastung führt. Für Arbeitnehmer ist es wichtig, zu wissen, dass sie netto oft weniger von den Überstundenvergütungen behalten als zunächst erwartet.
Sozialabgaben auf Überstundenvergütungen
Zusätzlich zur Lohnsteuer müssen auf Überstundenvergütungen auch Sozialversicherungsbeiträge gezahlt werden, solange das Einkommen unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze liegt. Die Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung beträgt 2024 in den alten Bundesländern 7.550 Euro und in den neuen Bundesländern 7.450 Euro pro Monat. Wer mehr verdient, muss auf das darüber hinausgehende Einkommen keine Sozialversicherungsbeiträge zahlen.
Ausnahmen bei der Vergütung von Überstunden für Gutverdiener
Für Zahnärzte und andere gut verdienende Angestellte, deren Einkommen über der Beitragsbemessungsgrenze liegt, gibt es Besonderheiten. Diese Arbeitnehmer können nicht automatisch davon ausgehen, dass ihre Überstunden vergütet werden. In der Regel wird davon ausgegangen, dass bei einem sehr hohen Gehalt Überstunden bereits durch das hohe Grundgehalt abgegolten sind. Eine ausdrückliche vertragliche Regelung, die Überstundenvergütungen ausschließt oder begrenzt, ist in solchen Fällen daher häufig zulässig.
Möglichkeiten der steuerlichen Entlastung
Arbeitnehmer, die regelmäßig Überstunden leisten, können unter bestimmten Umständen einen Teil ihrer Steuerlast reduzieren. Zum Beispiel können Werbungskosten oder Berufsausgaben in der Steuererklärung geltend gemacht werden, um die Steuerbelastung zu senken. Hierzu zählen Fahrtkosten, Arbeitsmittel oder auch die Kosten für eine berufliche Weiterbildung.