Die 5 Säulen einer Faktorbegründung: Patientenbezogene Begründungsbeispiele
Abrechnung für die ZahnarztpraxisTanja SchüttFür Privatleistungen richtet sich das zahnärztliche Honorar nach der amtlichen Gebührenordnung für Zahnärzte vom 1. Januar 2012 (GOZ) und der Gebührenordnung für Ärzte vom 1. Januar 1996 (GOÄ). Gemäß § 5 GOZ kann der Zahnarzt oder die Zahnärztin das zahnärztliche Honorar je nach Schwierigkeit, Zeitaufwand oder Umstand einer Leistungserbringung selbst bestimmen. In bestimmten Fällen ist dann eine Begründung notwendig.
Der Schwellenwert bemisst sich nach dem 1-fachen bis 3,5-fachen Satz des Gebührenverzeichnisses, wobei der Faktor 2,3 als Mittelwert betrachtet wird. Für den 1,0-fachen bis zum 2,3-fachen Satz einer einzelnen Leistung muss keine Begründung in der Rechnung angegeben werden. Wird der Faktor von 2,3 überschritten, ist eine Begründung notwendig.
Diese Begründung wird aber oft von der Beihilfe oder der Privaten Krankenversicherung nicht anerkannt. Es wird argumentiert, dass die Begründung angeblich nicht ausreicht. Sie fordern eine patientenbezogene Begründung für die Leistungen, bei denen ein höherer Faktor als 2,3 berechnet wurde.
Dazu ist ausdrücklich festzuhalten: Die Forderung, dass nur personenbezogene bzw. patientenbezogene Gründe zur Regelsatzüberschreitung vorzuliegen haben, ist im Gesetzestext (GOZ 2012) nicht gefordert. Um Erstattungsprobleme jedoch zu vermeiden und im Sinne des Patienten zu handeln, empfiehlt es sich, bei Rechnungsstellung auf eine aussagekräftige Begründung zu achten.
Mittlerweile kommt es vor, dass für die Erbringung einer Leistung der Faktor des Höchstsatzes 3,5 nicht mehr ausreichend ist. Gemäß § 2 Abs. 1 GOZ dürfen Sie auch – unter entsprechenden Voraussetzungen – oberhalb des Faktors 3,5 Ihre Leistungen berechnen. Da der Patient ein Anrecht auf eine Begründung hat, ist es auch hier empfehlenswert, bereits in der Rechnungsstellung eine aussagekräftige Begründung zu hinterlegen.
Patientenbezogene Begründungen für Rechnungsstellung
Aus langjähriger Erfahrung im Erstattungsbereich möchte ich nachfolgend einige Begründungsbeispiele nennen, die mögliche patientenbezogene Begründungen darstellen und eine gute Prognose bezüglich der Anerkennung seitens der Beihilfe und PKVen aufweisen.
Hinweis: Berücksichtigen Sie bei der Wahl Ihrer Begründung also nicht nur den Befund, sondern auch die Auswirkung auf die Behandlung! Sollte der Patient eine Erläuterung der Begründung wünschen, ist dem Patienten die Begründung gemäß § 12 Abs. 3 GOÄ und § 10 Abs. 3 GOZ näher zu erläutern.
Allgemeine Begründungsbeispiele für Abrechnung der zahnärztlichen Leistungen
Starker Musculus Masseterdruck und motorische Unruhe der Zunge
– deswegen war die Freistellung des Behandlungsfeldes und die Präparation des Zahnes erheblich erschwert.Eingeschränkter Intraoralzugang aufgrund von Mundwinkelrhaghaden (eingerissene Mundwinkel) oder Herpes – demzufolge war die Platzierung der Behandlungsinstrumente zeitaufwändig.
Behandlung eines Kindes – Überdurchschnittlich hoher Zeitaufwand, aufgrund des Alter des Kindes war es notwendig, die Behandlung mehrfach zu unterbrechen, um in Behandlungspausen die Kooperationsfähigkeit des Kindes wiederherzustellen.
Fehlende Bissorientierung, ungünstige Bissverhältnisse/Abrasionsgebiss/offener Biss etc. – erschwerende Umstände wegen fehlender Führung durch Front-/Eck- oder Seitenzähne.
Erhöhter Zeitaufwand und Schwierigkeitsgrad wegen erhöhter Sputumabsonderung – deshalb zeitaufwändige Trockenlegung und erschwerte Trockenhaltung des Behandlungsgebietes.
Begründungsbeispiele im Röntgenbereich
Besonders hoher Zeitaufwand und Schwierigkeitsgrad wegen Pharyngealreflex (Würgereiz) – dadurch musste die Positionierung mehrfach unterbrochen und der Röntgenfilm/Datenträger neu platziert werden.
Erhöhter Schwierigkeitsgrad und Zeitaufwand wegen schwieriger intraoraler Positionierung des Röntgenfilms/Datenträgers aufgrund von flachen Gaumen/kleiner Mundöffnung/empfindlichen Mundboden/eingeschränktem Intraoralzugang/Platzmangel bei Röntgen-Mess-Aufnahme/motorischer Unruhe des Zungengrundes.
Schwierige Einstellung des Patienten im Röntgengerät aufgrund von angezogenen/angespannten Schultern und Ausblendung der Wirbelsäule.
Individuelle patientenbezogene Gründe können sich aus der Anamnese ergeben
Hypertonie (Bluthochdruck): Erhöhte Schwierigkeit wegen erhöhter Blutungsneigung – infolgedessen war die Trockenhaltung der Zahnregion/Kavität überdurchschnittlich erschwert.
Parkinson: Überdurchschnittliche Schwierigkeiten aufgrund der motorischen Unruhe – deswegen war die Platzierung der Behandlungsinstrumente erheblich erschwert.
Marcumar/ASS 100: PatientIn befindet sich in Antikoagulantien-Behandlung. Aufgrund der Einnahme von blutverdünnenden Medikamenten kam es zu erhöhter Blutungsneigung – dies erschwerte die Sicht im Behandlungsgebiet.
Fehlende Compliance: Geistige oder körperliche Beeinträchtigung – daher erschwerte Lagerungsproblematik, zeit-intensives Aufklären und Sicherstellen der einzelnen Behandlungsschritte.
Verständigungsschwierigkeiten: Extremer Zeitaufwand bei einer nicht deutschsprachigen Person durch Verwendung von Google Translate oder Dolmetscher.
AngstpatientIn: Besonders zeitaufwändiges Vorgehen und Behandlungsunterbrechungen, um alle einzelnen Behandlungsschritte zu erklären und die Kooperationsfähigkeit des Patienten aufrecht zu erhalten.
Die fünf Säulen der Begründung bei der zahnärztlichen Abrechnung
1. Ermitteln Sie den betriebswirtschaftlichen Stundensatz und den Zeitaufwand der durchschnittlichen Leistungsposition – nur so können Sie den überdurchschnittlichen Umfang einer Leistungserbringung kostenmäßig und praxisindividuell einschätzen.
2. Aus dem Begründungstext muss ersichtlich sein, auf welche der nach § 5 Abs. 2 GOZ erforderlichen Bemessungskriterien (Schwierigkeit/Zeitaufwand/Umstände bei der Ausführung/Schwierigkeit des Krankheitsfalles) sich die angegebene Begründung bezieht. Verwenden Sie zusätzlich Ausdrücke wie bspw. „überdurchschnittlich“, „extrem“, „erhöht“, „erheblich“, „außergewöhnlich“.
3. Erwähnen Sie die erhöhte Schwierigkeit, den überdurchschnittlichen Umstand oder den erheblichen Zeitaufwand bereits bei der Behandlung vor dem Patienten – so ist dieser bereits auf Faktorsteigerungen und Begründungen sensibilisiert.
4. Damit sich Ihre AbrechnungsmitarbeiterInnen die Begründungen nicht „aus den Fingern saugen“ oder „aus dem Hut zaubern“ muss, da sie mal wieder „auf dem Schlauch steht“, wäre es brillant, wenn Sie als BehandlerIn eine kurze stichpunktartige Begründung in der Dokumentation vermerken. Diese kann dann ausführlicher in der Rechnungslegung formuliert werden.
5. Erfassen Sie die Besonderheiten bei einer Behandlung und beschreiben Sie, welche Auswirkung diese auf die Behandlung hat. Erstellen Sie einen individuellen Begründungskatalog und hinterlegen Sie diesen in der PVS.
Experten-Tipp: Verwenden Sie statt Mundöffnung lieber Intraoralzugang und statt Speichelfluss besser Salivation oder Sputumabsonderung. Warum? Weil die Rechnungen durch eine versicherungsinterne Software geprüft und die Wörter wie Speichelfluss oder Mundöffnung pauschal negiert werden.