Wegen fehlender Impfung freigestellt: Was passiert mit dem Urlaubsanspruch?
Marzena SickingWurde ein Arbeitnehmer freigestellt, weil er der sogenannten einrichtungsbezogenen Impfpflicht nicht nachgekommen ist, dann geht das auch zu Lasten seines Urlaubanspruchs. Das hat das Bundesarbeitsgericht entschieden.
Urlaubsanspruch bei Freistellung nach § 20a IfSG: Bundesarbeitsgericht entscheidet über Kürzung
Das Bundesarbeitsgericht hat in einem aktuellen Urteil (5 AZR 167/23) bestätigt, dass Zeiten einer unbezahlten Freistellung aufgrund der Nichterfüllung der Vorgaben des vormaligen § 20a Infektionsschutzgesetz (IfSG aF) bei der Berechnung des Jahresurlaubs zu berücksichtigen sind. Dies bedeutet, dass der Urlaubsanspruch eines Arbeitnehmers für die Dauer der Freistellung anteilig gekürzt werden durfte.
Sachverhalt: Freistellung und Tätigkeitsverbot für Mitarbeiterin im Seniorenwohnheim
Die Klägerin war als Alltagsbegleiterin in einem Seniorenwohnheim beschäftigt und erfüllte im März 2022 nicht die in § 20a Abs. 1 IfSG aF vorgeschriebenen Voraussetzungen, da sie keinen Immunitätsnachweis vorlegen konnte und auch nicht gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 geimpft war. Infolgedessen stellte die Arbeitgeberin die Klägerin ab dem 1. April 2022 bis zum 31. Dezember 2022 von der Arbeit frei, bis die notwendigen Nachweise erbracht würden. Ab dem 1. September 2022 unterlag die Klägerin zudem einem befristeten Tätigkeitsverbot, das vom zuständigen Gesundheitsamt verhängt wurde.
Klage der Arbeitnehmerin gegen Streichung von 12,5 Urlaubstagen
Die Klägerin forderte die Zahlung von Vergütung für den Zeitraum der Freistellung vom 1. April bis zum 31. August 2022 unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs und machte Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall geltend. Zudem beantragte sie die Feststellung, dass ihr für das Jahr 2022 weitere 13 Urlaubstage zustehen. Die Arbeitgeberin hatte den Urlaubsanspruch der Klägerin für jeden vollen Monat der Freistellung anteilig um 12,5 Tage gekürzt, was zu einem Gesamturlaubsanspruch von 13 Tagen weniger führte.
Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zugunsten des Arbeitgebers
Das Bundesarbeitsgericht bestätigte im Wesentlichen die Entscheidungen der Vorinstanzen und wies die Klage größtenteils ab. Ein Anspruch auf Annahmeverzugsvergütung oder Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bestehe nicht, da die Freistellung aufgrund der Nichterfüllung der Anforderungen des § 20a IfSG aF gerechtfertigt war. Auch der Feststellungsantrag auf einen ungekürzten Urlaubsanspruch hatte keinen Erfolg. Das Gericht entschied, dass die nicht geleisteten Arbeitstage während der Freistellung nicht als Zeiten mit Arbeitspflicht zu betrachten sind und somit den Urlaubsanspruch anteilig kürzen.
Was Arbeitnehmer und Arbeitgeber über Urlaubskürzung nach Freistellung wissen müssen
Das Gericht führte aus, dass der Erholungszweck des Urlaubs auf der tatsächlichen Arbeitsleistung während des Bezugszeitraums basiert. Da die Klägerin aus freien Stücken die gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfüllte, was zur Freistellung führte, ist eine Kürzung des Urlaubsanspruchs gerechtfertigt. Die Klägerin hat jedoch Anspruch auf einen halben zusätzlichen Urlaubstag, da die Arbeitgeberin bei der Kürzung eine unzulässige Aufrundung vorgenommen hatte.
Dieses Urteil schafft Klarheit für Fälle, in denen Arbeitnehmer aufgrund der Nichterfüllung gesetzlicher Vorgaben freigestellt werden und bestätigt, dass solche Freistellungen den Urlaubsanspruch anteilig kürzen können.
FAQ zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht in Deutschland
Was ist die einrichtungsbezogene Impfpflicht?
Die einrichtungsbezogene Impfpflicht war eine gesetzliche Vorgabe, die bestimmte Berufsgruppen im Gesundheitswesen und in anderen relevanten Einrichtungen verpflichtete, einen Impf- oder Genesenennachweis gegen COVID-19 vorzulegen. Sie wurde eingeführt, um den Schutz vulnerabler Gruppen, wie beispielsweise ältere Menschen oder Patienten mit Vorerkrankungen, zu gewährleisten. Die einrichtungsbezogene Impfpflicht trat am 15. März 2022 in Kraft und war bis zum 31. Dezember 2022 befristet. Danach wurde sie nicht verlängert und ist somit nicht mehr gültig.
Wer war von der einrichtungsbezogenen Impfpflicht betroffen?
Die Impfpflicht galt für Beschäftigte in verschiedenen Einrichtungen, darunter: Krankenhäuser, Arzt- und Zahnarztpraxen,. Pflegeheime, Rettungsdienste, Einrichtungen zur Betreuung und Unterbringung von Menschen mit Behinderungen, Einrichtungen für ambulante Pflege und Sozialdienste.
Welche Nachweise mussten Beschäftigte während der Geltungsdauer erbringen?
Während der Geltungsdauer mussten betroffene Beschäftigte einen der folgenden Nachweise vorlegen:
Impfnachweis: Dokumentation über eine vollständige Impfung gegen COVID-19.
Genesenennachweis: Nachweis über eine überstandene COVID-19-Infektion, die nicht länger als sechs Monate zurücklag.
Ärztliches Attest: Bestätigung, dass eine Impfung aus medizinischen Gründen nicht möglich war.
Was geschah, wenn ein Mitarbeiter keinen Nachweis für die Corona-Impfung vorlegte?
Während der Geltungsdauer konnte das zuständige Gesundheitsamt ein Tätigkeitsverbot aussprechen, wenn ein Mitarbeiter keinen Nachweis erbrachte. Der Arbeitgeber war verpflichtet, das Gesundheitsamt zu informieren, wenn ein Nachweis nicht vorgelegt wurde.
Gab es Ausnahmen von der einrichtungsbezogenen Corona-Impfpflicht?
Ja, es gab Ausnahmen für Personen, die aus medizinischen Gründen nicht gegen COVID-19 geimpft werden konnten. Dies musste durch ein ärztliches Attest belegt werden.
Welche Konsequenzen hatte die Nichteinhaltung der Impfpflicht?
Bei Nichteinhaltung der Impfpflicht während ihrer Geltungsdauer konnte das Gesundheitsamt ein Tätigkeitsverbot verhängen, was dazu führte, dass der betroffene Mitarbeiter nicht mehr in der jeweiligen Einrichtung arbeiten durfte. Es konnten auch Bußgelder verhängt werden.
Wie wurde die Impfpflicht kontrolliert?
Die Einhaltung der Impfpflicht wurde durch den Arbeitgeber kontrolliert, der die entsprechenden Nachweise von den Mitarbeitern einforderte. Der Arbeitgeber war verpflichtet, dem Gesundheitsamt mitzuteilen, wenn ein Mitarbeiter keinen gültigen Nachweis vorlegte.
Was bedeutete ein Tätigkeitsverbot für die Arbeitsverhältnisse?
Ein Tätigkeitsverbot bedeutete, dass der betroffene Mitarbeiter seine Arbeit in der Einrichtung nicht mehr ausüben durfte. Während der Dauer des Verbots bestand kein Anspruch auf Gehalt. In einigen Fällen konnte dies zu einer Änderungskündigung oder Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen.
Was waren die rechtlichen Grundlagen der einrichtungsbezogenen Impfpflicht?
Die rechtliche Grundlage bildete der § 20a des Infektionsschutzgesetzes (IfSG), der im Dezember 2021 vom Deutschen Bundestag beschlossen wurde. Diese Regelung war Teil der Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie und zum Schutz vulnerabler Bevölkerungsgruppen.
Warum gilt die einrichtungsbezogene Impfpflicht nicht mehr?
Die einrichtungsbezogene Impfpflicht war von Anfang an befristet bis zum 31. Dezember 2022. Nach diesem Datum wurde die Regelung nicht verlängert, da die pandemische Lage neu bewertet wurde und die Pflicht aufgrund veränderter epidemiologischer Gegebenheiten als nicht mehr notwendig erachtet wurde.
Was passiert, wenn ein Mitarbeiter sich nach einem Tätigkeitsverbot impfen lässt?
Da die einrichtungsbezogene Impfpflicht nicht mehr gilt, ist eine nachträgliche Impfung für die Erfüllung dieser spezifischen gesetzlichen Anforderungen nicht mehr relevant. Während der Geltungsdauer hätte eine Impfung jedoch zur Aufhebung eines verhängten Tätigkeitsverbots geführt.