Entgeltfortzahlung: Nach sechs Wochen ist (nicht) immer Schluss
Judith MeisterArbeitnehmer, die unverschuldet krank werden, erhalten ihr volles Gehalt, auch wenn sie in dieser Zeit nicht arbeiten. Zwar besteht der Anspruch auf Entgeltfortzahlung nur sechs Wochen lang. Oft müssen Praxischefs ihre gesundheitlich angeschlagenen Mitarbeiter aber deutlich länger finanzieren.
„Wird ein Arbeitnehmer (…) infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert, ohne dass ihn ein Verschulden trifft, so hat er Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber (…) bis zur Dauer von sechs Wochen.“ So steht es § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG.
Was aus Sicht der Arbeitnehmer sehr erfreulich ist, ist für Praxischefs vor allem eines: teuer. Denn auch wenn der Gesetzgeber die Entgeltfortzahlung zeitlich begrenzt hat, kann es durchaus sein, dass Arbeitgeber länger als sechs Wochen für erkrankte Arbeitnehmer zahlen müssen.
Wenn wenige Stunden den Unterschied bei der Entgeltfortzahlung machen
Generell gilt für die Entgeltfortzahlung der Grundsatz des einheitlichen Verhinderungsfalls. Er besagt folgendes: Sucht den Arbeitnehmer während einer Arbeitsunfähigkeit eine neue, auf einem anderen Grundleiden beruhende Krankheit heim, und führt diese ebenfalls zur Arbeitsunfähigkeit, dann muss der Arbeitgeber dem oder der Betroffenen nur für insgesamt sechs Wochen das Gehalt weiter zahlen. Anders ausgedrückt: Überschneiden sich unterschiedliche Erkrankungen, ist der Anspruch auf Entgeltfortzahlung insgesamt auf die Dauer von sechs Wochen seit Beginn der ersten Erkrankung beschränkt.
Kein einheitlicher Verhinderungsfall liegt hingegen vor, wenn die erste auf Krankheit bereits auskuriert war und der Arbeitnehmer nun wegen eines anderen gesundheitlichen Problems zu Hause bleiben muss. Damit ein Arbeitnehmer erneut eine Entgeltfortzahlung verlangen kann, muss er allerdings nicht unbedingt schon wieder gearbeitet haben: Es genügt, wenn er nachweisen kann, dass er für wenige, außerhalb der Arbeitszeit liegende Stunden arbeitsfähig war (BAG, Az. 5 AZR 505/18).
Einheitlicher Verhinderungsfall: Die Umstände des Einzelfalls entscheiden
Immerhin: Der Beweis, zwischen zwei Krankheiten kurzfristig wieder arbeitsfähig gewesen zu sein, ist kein Selbstläufer. Die Gerichte entscheiden hier stets nach den Umständen des Einzelfalls.
So urteilte etwa LAG Köln zugunsten eines Arbeitgebers und befand, dass ein einheitlicher Verhinderungsfall auch vorliegen könne, wenn die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nicht unmittelbar aufeinander folgen (Az. 12 Sa 453/16). Das gelte zum Beispiel dann, wenn der betreffende Mitarbeiter im vorangegangenen Jahr mehr krank als gesund war.
Auch die Krankmeldung an sich kann für einen einheitlichen Verhinderungsfall sprechen –zum Beispiel, wenn der Arbeitnehmer mitteilt, „weiterhin“ krank zu sein, und erst später die AU von einem Arzt einer anderen Fachrichtung nachreicht.
Tipp: Zahnärzte, die nach einem solchen Vorfall nicht mehr an eine „neue“ Arbeitsunfähigkeit glauben, können von ihrem Arbeitnehmer den Beweis verlangen dass er zwischendurch tatsächlich wieder arbeitsfähig war. Dafür muss der oder die Betreffende meist den behandelnden Arzt von seiner Schweigepflichtentbindung entbinden.
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