Wie entwickeln sich die Zinsen für Praxiskredite?
Judith MeisterDie Zeiten des billigen Geldes sind vorbei. Immobilienkredite sind bereits deutlich teurer geworden – und werden es bis auf Weiteres auch bleiben. Doch bedeutet das automatisch, dass auch die Zinsen für Investitionsdarlehen anziehen? Die Antwort kennt Max Herbst, Chef der unabhängigen Finanzberatung FMH in Frankfurt/M.
Herr Herbst, jüngste Prognosen der FMH gehen davon aus, dass die Bauzinsen schon bald wieder bei vier Prozent oder mehr liegen. Vor einigen Jahren finanzierten Käufer noch für weniger als ein Prozent. Was ist der Grund für diese Entwicklung?
Den einen Grund gibt es nicht. Vielmehr sehen wir gerade eine ungewöhnliche Häufung von Faktoren, die einen Anstieg der Zinsen begünstigen.
Welche sind das?
Allein die Tatsache, dass in Deutschland über neue Staatsschulden in Höhe von einer Billionen diskutiert wurde, hat die Renditen der Bundesanleihe von 2,46 auf 2,92 Prozent gejagt. Das bedeutet nichts anderes, als dass der Staat deutlich mehr Zinsen zahlen muss, wenn er sich Geld am Kapitalmarkt beschafft.
Und was hat das mit den Bauzinsen zu tun?
Die Rendite der Bundesanleihe beeinflusst direkt die Rendite der Pfandbriefe. Und die wiederum schlägt direkt auf die Höhe der Bauzinsen durch. Wir sehen bereits, dass die ersten Banken beginnen, ihre Zinsen hochzusetzen.
Hinzu kommen die aktuellen weltpolitischen Probleme. Die Sorge um den Rechtsruck in den USA und die Zukunft der Nato aber auch der drohende Wirtschaftskrieg mit den Vereinigten Staaten: All das sind Risikofaktoren, die die deutsche Wirtschaft extrem beeinflussen und die Beschaffung von neuem Geld verteuern.
Wirken sich all diese Faktoren direkt auf die Konditionen für Investitionskredite aus?
Jein. Baufinanzierung und Investitionsfinanzierung greifen auf unterschiedliche Refinanzierungen zurück. Während die Bauzinsen, wie gesehen, stark von der Pfandbriefrenditen und mittelbar von der Rendite der Bundesanleihe beeinflusst sind, sind die Zinsen für Investitionskredite abhängig von den Geldanlagen wie Tages- und Festgeld oder Anleiheprodukten. Deren Konditionen wiederum sind stark beeinflusst von den Leitzins Entscheidungen der Europäischen Zentralbank (EZB). Wer einen Praxiskredit benötigt, sollte die Geldpolitik der EZB daher genau verfolgen.
Neben steigenden Anlagezinsen können aber noch weitere Faktoren die Zinsen treiben. Banken preisen bei der Kreditvergabe nicht nur ihre Margen, sondern auch einen Risikoaufschlag ein. Lahmt die Wirtschaft in Deutschland und ächzen die Krankenversicherer unter immer höheren Ausgaben, erhöht dies den Aufschlag für Zahlungsausfälle und verteuert den Kredit.
Mit welchen Werten sollten (angehende) Praxisinhaber kalkulieren, wenn sie in der näheren Zukunft einen Kredit aufnehmen müssen?
Wenn wir unterstellen, dass Tagesgeld im Mittel etwa 1,5 Prozent Zinsen abwirft und Festgeld für zehn Jahre zwei Prozent einbringt, bedeutet das für die Banken: Eine Refinanzierung für einen Investitionskredit über zehn Jahre kostet im Mittel 1,75 Prozent. Auf diesen Wert schlägt die Bank noch ihre Bearbeitungskosten auf, will Marge verdienen und wird den Risikoaufschlag großzügig kalkulieren. Welche Sätze sie dafür aufruft, variiert jedoch von Fall zu Fall – je nachdem, wer um einen Kredit nachsucht und welche Voraussetzungen er oder sie erfüllt: Welche Sicherheiten bietet der Praxischef, wie hoch ist der Kredit und wofür wird er aufgenommen? Wegen dieser nicht einheitlichen Risiko-Faktoren findet man nirgends Zinsvergleiche, die sich auf Investitionskredite beziehen.
Können Sie trotzdem versuchen, eine Größenordnung zu nennen?
Als Orientierung lassen sich die Zinsen für Raten- oder Modernisierungskredite für Privatpersonen heranziehen. Bei einer Laufzeit von zehn Jahren liegt deren Zinssatz laut dem aktuellen FMH-Ratenkreditvergleich bei 7,30 Prozent. Mit diesem Wert sollten Praxischefs in jedem Fall kalkulieren. Oft werden die Zinsen allerdings noch höher sein, um die Unwägbarkeiten des Praxisbetriebs abzubilden. Realistische Zinsen für Investitionskredite liegen derzeit zwischen also 6,5 und elf Prozent, je nach Risikoeinschätzung der Bank und den Sicherheiten, die der Zahnarzt mitbringt.
Gelten diese Werte auch für im Grundbuch abgesicherte Raten- bzw. Investitionskredite? Und wie schätzen Sie die Entwicklung ein?
Wer auf einer Immobilie freie Grundschulden an Sicherheit anbieten will – was nicht immer möglich und sinnvoll ist – bekommt vergleichbare Zinsen wie bei einen privaten Immobilienerwerb. Aktuell sind das knapp unter vier Prozent, in den kommenden Monaten könnte der Wert auf etwa fünf Prozent steigen.
Wird der Investitionskredit hingegen nur auf die Wirtschaftskraft der Praxis abgesichert, gelten die oben genannten Zinsen von 6,5 bis elf Prozent.
Fürchten Sie auch hier einen Anstieg?
Ich sehe eher eine Seitwärtbewegung. Zwar kann es durchaus sein, dass wir wieder eine höhere Inflation bekommen und damit auch gewisse Zinsveränderungen einhergehen. Ich persönlich gehe aber davon aus, dass die EZB auf eine solche Entwicklung recht konsequent reagieren und die Leitzinsen anheben würde.
Und es gibt auch Grund zur Hoffnung: Kommt mit der hohen neuen Staatsverschuldung und den damit einhergehenden Investitionen die deutsche Wirtschaft wieder in Schwung, könnte sich zwar der Anlagezins erhöhen, aber der Risikoaufschlag würde sinken. Im Ergebnis blieben die Zinsen also gleich. Zur Wahrheit gehört aber auch: Bringen die Schulden keine Trendwende, dann könnte aber auch der gegenteilige Effekt eintreten.
Das sind viele Variablen. Was raten Sie Zahnärzten, die auf absehbare Zeit einen Praxiskredit aufnehmen oder umschulden müssen?
Zahnärzte, die in diesen unruhigen Zeiten investieren wollen oder müssen, sollten in jedem Fall auf ausreichende Liquidität achten und die Kredite nicht auf Kante nähen. Zudem würde ich dringend dazu raten, eine möglichst lange Laufzeit zu vereinbaren. Das kostet zwar etwas mehr Zinsen aber es bedeutet geringere Ratenhöhe und lässt den Praxisinhabern Luft zum Atmen.
Nicht im Grundbuch gesicherte Kredite lassen sich zudem jederzeit vorzeitig ganz oder teilweise zurückbezahlen. Und selbst bei grundbuchlich gesicherten Darlehen besteht diese Möglichkeit nach dem Ablauf von zehn Jahren.
Herr Herbst, wir danken Ihnen für das Gespräch.
Zur Person: Seit 39 Jahren bieten Max Herbst und seine FMH-Finanzberatung unabhängige Zins- und Produktvergleiche, um Verbrauchern und Geschäftskunden die Orientierung bei Zinsentscheidungen zu erleichtern.
Quelle:FMH-Finanzberatung