Fehlerhafte Anlageberatung: So machen Sie Ihren Schaden geltend
Dr. jur. Alex JanzenAuf was zu achten ist, wenn man Schäden aus einer fehlerhaften Anlageberatung geltend machen möchte, und wie sich eine Anlageberatung überhaupt von anderen Dienstleistungen am Kapitalmarkt unterscheidet, erläutert Rechtsanwalt Dr. Alex Janzen.
Investitionen auf dem Kapitalmarkt geht häufig eine Anlageberatung und bzw. oder andere Tätigkeiten von qualifizierten Personen oder Institutionen, wie Banken, Wertpapierfirmen, Finanzdienstleistungsgesellschaften etc., voraus. Nicht immer verläuft eine Anlageberatung so, wie sich das eine Person vorgestellt hat, die Anlageberatung in Anspruch genommen hat.
Angesichts einer großen Vielfalt von Kapitalanlageprodukten auf dem Kapitalmarkt, die unterschiedliche Chancen und Risiken aufweisen, und in Anbetracht sehr unterschiedlicher Kenntnisse und Erfahrungen von Kapitalanlegern ist es nicht leicht, eine Anlageberatung anzubieten, die den Bedürfnissen eines konkreten Kapitalanlegers vollumfänglich entspricht. Berücksichtigt man auch den Umstand, dass die Rechtsprechung an eine ordnungsgemäße Beratung hohe Anforderungen stellt, ist es nicht verwunderlich, dass manch eine Anlageberatung mangelhaft oder fehlerhaft verläuft und zu einem Schaden eines Anlegers führt.
Abgrenzung der Anlageberatung von anderen Dienstleistungen
Nicht jede Kontaktaufnahme einer Person, die eine Anlageberatung in Anspruch nehmen möchte, zu einer fachlich qualifizierten Person oder zu einem Dienstanbieter auf dem Kapitalmarkt ist rechtlich als eine Anlageberatung zu qualifizieren. Es existiert eine Vielzahl anderer Dienstleistungen, die für einen Laien zwar wie eine Anlageberatung aussehen, jedoch tatsächlich etwas anderes darstellen und deshalb auch andere Rechte und Pflichten nach sich ziehen. Zu erwähnen sind hier etwa eine bloße Werbung mit Finanzinstrumenten, eine Anlagevermittlung, eine Auskunft, eine Finanzierungsberatung etc., die von der Anlageberatung abzugrenzen sind.
Wird erkennbar lediglich eine Werbung mit den Finanzinstrumenten betrieben, kann eine Person, welche Kapitalanlagengeschäfte tätigen möchte, regelmäßig nicht erwarten, vom Werbenden verbindliche Auskünfte oder konkrete und personenbezogene Empfehlungen in Bezug auf die beworbenen Finanzinstrumente zu erhalten.
Eine Anlagevermittlung ist hingegen anzunehmen, wenn eine Person in Bezug auf Finanzinstrumente verbindliche Auskünfte, nicht jedoch deren Bewertung, erwartet. Selbstverständlich muss ein Finanzdienstleister auch zu erkennen geben bzw. damit einverstanden sein, Anlagevermittlung zu erbringen. Besteht ein gegenseitiges Einverständnis, dass Anlagevermittlung erbracht wird, schuldet der Anlagevermittler nach der Rechtsprechung die Erteilung einer Auskunft, jedoch keine Bewertung der vermittelten Finanzinstrumente. Im Regelfall liegt einer Anlagevermittlung ein Auskunftsvertrag zugrunde, welcher unterschiedlich ausgestaltet und dementsprechend auch unterschiedliche Rechte und Pflichten der Vertragsparteien nach sich ziehen kann.
Eine Anlagevermittlung ist ferner von einer Auskunft im Rahmen einer laufenden Geschäftsverbindung abzugrenzen, die keinen gesonderten Vertrag begründet, sondern als eine Haupt- oder Nebenpflicht aus der laufenden Geschäftsverbindung zu qualifizieren ist. Bei privaten Gesprächen, die für jeden Gesprächspartner erkennbar keine rechtsgeschäftlichen Wirkungen begründen sollen, werden weder bestimmte Auskunfts- noch Beratungspflichten begründet.
Wiederum anders stellt sich die Sach- und Rechtslage bei einer Finanzierungsberatung. Diese liegt vor, wenn eine Anlage von Geld oder die Beschaffung einer Finanzierung, wie der Abschluss eines Darlehensvertrages, im Vordergrund steht, auch wenn ein Finanzprodukt als ein Teil der betreffenden Finanzierung vorgesehen ist. Zu beachten ist allerdings, dass manche Darlehensverträge gesetzlich mit bestimmten Aufklärungs- und Beratungspflichten verbunden sind. Zu verweisen ist hier etwa auf Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge, bei denen nach § 511 BGB der Darlehensgeber gegenüber dem Darlehensnehmer bestimmten Informations- und Beratungspflichten unterliegt.
Kein Beratungsvertrag wird in aller Regel geschlossen, wenn ein Kunde seiner Bank einen Auftrag zum Kauf von konkreten Wertpapieren oder einen sog. Execution only-Order erteilt. Manche Banken oder Discount-Broker weisen potentielle Kunden explizit darauf hin, dass sie keine Anlageberatung anbieten und Dienstleistungen nur an hinreichend qualifizierte Kapitalanleger erbringen. Auch dies schließt regelmäßig einen Beratungsvertrag aus.
Pflichten bei einer Anlageberatung
Das Kreditwesengesetz (KWG) qualifiziert eine Anlageberatung als „die Abgabe von persönlichen Empfehlungen an den Kunden, sofern die Empfehlung auf eine Prüfung der persönlichen Umstände des Anlegers gestützt oder als für ihn geeignet dargestellt wird“. Deshalb liegt eine Anlageberatung vor, wenn ausgehend von den persönlichen Umständen eines Kunden diesem eine Empfehlung in Bezug auf eine bestimmte Anlage abgegeben wird. Eine Empfehlung ist nicht lediglich eine Mitteilung von Informationen, sondern auch deren fachqualifizierte Bewertung.
Bereits diese gesetzliche Definition einer Anlageberatung lässt erkennen, dass eine Anlageberatung die Ermittlung der Anlageziele und der persönlichen und wirtschaftlichen Umstände eines Kunden voraussetzt. Eine betreffende Empfehlung beruht auf einem Beratungsvertrag, welcher von den Vertragsparteien ausdrücklich oder stillschweigend abgeschlossen werden kann. Der stillschweigende Abschluss eines Beratungsvertrages kann z. B. angenommen werden, wenn eine künftige Vertragspartei, z. B. ein Kunde oder eine Bank, an die andere künftige Vertragspartei mit einem Beratungsangebot herantritt und die andere Vertragspartei in das Beratungsgespräch eintritt.
Das Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) schreibt explizit vor, das Wertpapierdienstleistungsunternehmen, die in den Anwendungsbereich dieses Gesetzes fallen, Informationen über Erfahrungen, Kenntnisse, Ziele und finanzielle Verhältnisse ihrer Kunden einholen müssen, sofern Kundeninteressen sowie Art und Umfang der Geschäfte des Kunden dies gebieten. Allerdings reicht es regelmäßig aus, die betreffenden Angaben vom Kunden zu beschaffen, sofern kein Anlass besteht, Kundenangaben zu bezweifeln. Der Umfang von Informationspflichten eines Anlageberaters richtet sich danach, welche Informationen für den Kunden wesentlich sind, damit sich dieser für oder gegen die Anlage entscheiden kann. Als wesentlich in diesem Sinne erachtet die Rechtsprechung Nachteile und Risiken, die mit der Kapitalanlage verbunden sind.
Umfang der Aufklärungs- und Beratungspflichten
Die betreffenden Informationen müssen dem Kunden richtig, vollständig, wahrheitsgemäß, verständlich und sorgfältig übermittelt werden. Sofern ein Anlageberater nach dem Beratungsvertrag verpflichtet ist, dem Kunden eine Anlageempfehlung zu unterbreiten, muss er die erlangten Informationen des Kunden fachmännisch auswerten und beurteilen. Dabei hat ein Anlageberater sowohl personenbezogene als auch objektbezogene Kriterien heranzuziehen. Personenbezogene Kriterien sind der Wissenstand des Anlegers über die beabsichtigten Kapitalanlagen, die Risikobereitschaft und die Erfahrung des Anlegers. Einen erfahrenen Anleger, der konkrete Absichten in Bezug auf eine Kapitalanlage gefasst hat, muss die Bank nur insofern aufklären, als der betreffende Anleger nach bestimmten Informationen fragt, oder der Anlageberater erkennt, dass der erfahrene Anleger weitere Informationen benötigt.
Zu personenbezogenen Kriterien gehören auch Anlageziele des konkreten Anlegers, insbesondere ob dieser eine sichere Anlage anstrebt, oder spekulative Anlagegeschäfte tätigen möchte. Ferner gehören zu personenbezogenen Kriterien Einkommenssituation und Vermögensverhältnisse des Anlegers. Ein Anlageberater muss seine Empfehlung in Bezug auf eine Kapitalanlage an der ermittelten personenbezogenen Situation des konkreten Anlegers richten. Hat ein Anleger z. B. keine Anlageerfahrung und möchte lediglich risikoarme Anlagegeschäfte als einen Hinzuverdienst zu seinen Einkünften aus unselbstständiger Arbeit tätigen, darf ein Anlageberater diesem keine risikoreichen Anlagegeschäfte empfehlen.
Bei anlagebezogenen Kriterien handelt es sich um solche Eigenschaften einer Kapitalanlage, die für die Anlageentscheidung des konkreten Anlegers wesentlich sind oder wesentlich sein können. Insbesondere muss ein Anleger über Risiken der beabsichtigten Kapitalanlage aufgeklärt werden, mit denen tatsächlich gerechnet werden muss, rein hypothetische Risiken bedürfen regelmäßig keiner Aufklärung. Bei solchen Risiken kann es sich um allgemeine Risiken, z. B. Inflation, Geldpolitik der Regierung und der Zentralbanken, Konjunktur, Marktentwicklung etc. handeln. Darüber hinaus ist auch über Risiken in Bezug auf das konkrete Anlageobjekt aufzuklären, wie Währungsrisiken, Kurs- und Objektrisiken etc. Bestehen weitere Risiken und bzw. oder Umstände in Bezug auf die beabsichtigte Kapitalanlage muss der Anleger auch darüber aufgeklärt werden, jedenfalls sofern eine solche Aufklärung für die Entscheidung des Anlegers für oder wider der konkreten Kapitalanlage wichtig sein kann.
Schaden des Anlegers
Entspricht eine Anlageberatung nicht den Erfordernissen des Gesetzes, wie diese von der Rechtsprechung ausgelegt werden, und entsteht dem Anleger dadurch ein Schaden, hat der Anlageberater bei der Verletzung seiner Pflichten aus dem Beratungsvertrag diesen Schaden des Anlegers zu ersetzen. Beruht der Schaden des Anlegers nicht auf der Verletzung eines Beratungsvertrages, sondern auf der Verletzung von vorvertraglichen Informations- oder Aufklärungspflichten, ist dem Anleger der Schaden zu ersetzen, den er dadurch erlitten hat, dass er auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben vertraut hat. Der Anleger kann verlangen, so gestellt zu werden, wie er ohne die fehlerhafte Anlageberatung stehen würde. Dies umfasst einen Anspruch auf die Befreiung vom abgeschlossenen Vertrag und den Ersatz von Aufwendungen, die der Anleger nutzlos getätigt hat. Der Schaden ist so zu berechnen, dass nicht nur vergebliche Aufwendungen des Anlegers, sondern auch vermögensmäßige Auswirkungen der Anlage zu berücksichtigen sind.
Darlegungs- und Beweislast für den Nachweis des Schadens
Der Anleger muss die Pflichtverletzung des in Anspruch genommenen Anlageberaters beweisen. Dies umfasst insbesondere einen Beweis, dass die konkrete Anlageberatung fehlerhaft war. Hierfür muss der Kapitalanleger konkret vortragen, welchen Wissen- und Erfahrungsstand sowie welche Risikobereitschaft und Anlageziele er hatte. Ausgehend von diesem Vortrag des Anlegers hat der in Anspruch genommene Anlageberater die ihm vorgeworfene fehlerhafte Anlageberatung substantiiert zu bestreiten, indem er darlegt, wie die Aufklärung und Beratung des konkreten Anlegers erfolgt sind. Es reicht nicht aus, wenn der Anlageberater den Vortrag des geschädigten Anlegers lediglich bestreitet, ohne sich mit den Vorwürfen des Anlegers substantiiert auseinanderzusetzen. Besondere Bedeutung kommt dabei dem Protokoll über die Anlageberatung zu, deren Fehlerhaftigkeit der Anleger behauptet.