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Haftungsrecht

Wenn ein Patient nach 20 Jahren zum ersten Mal zum Zahnarzt kommt, ist in der Regel viel zu tun. Im Fall eines Zahnarztes kam es sogar zu einem juristischen Nachspiel.

Nachdem der Praxisinhaber zunächst den Oberkiefer des Patienten saniert hatte, überkronte er in einem Folgetermin die Zähne 36 und 37. Wenig später stellte sich der Patient erneut in der Praxis vor.  Während dieses Termins extrahierte der Zahnarzt die beiden zuvor überkronten Zähne.
Wenig später verklagte ihn der Patient auf Schadenersatz. Sein Argument: Der Zahnarzt hätte die beiden Zähne nicht überkronen dürfen, ohne zuvor eine detaillierte Röntgenaufnahme anzufertigen. Der Behandler hingegen wies den Vorwurf zurück. Die Überkronung sei korrekt gewesen, auch wenn einer der Zähne zu diesem Zeitpunkt bereits aufgehellt war. Beim Folgetermin seien beide Zähne dann allerdings so zerstört gewesen, dass er sie nicht mehr habe retten können.

Ohne Röntgenbild keine Krone

Das Landgericht Köln folgte diesen Ausführungen nicht und bejahte einen groben Behandlungsfehler (Az.3 O 326/18). Dabei stützte es sich auf die Aussagen des medizinischen Sachverständigen. Der hatte ausgeführt:  Dass ohne genauere Untersuchung die Zähne 36 und 37 überkront worden seien, sei zahnmedizinisch nicht nachvollziehbar. Auf dem Panorama-Röntgenbild der Ausgangslage seien im Bereich des Zahnes 37 „deutliche(!) Auffälligkeiten“ vorhanden gewesen, so dass ein individuelles Röntgenbild des einzelnen Zahnes „zwingend notwendig“  gewesen sei. Das direkte Überkronen des Zahnes 37 war nach Ansicht des Gutachters damit ein nicht verständlicher Fehler, der einem Zahnarzt schlechterdings nicht unterlaufen dürfe.

Mangelnde Dokumentation überträgt Beweislast auf den Behandler

Auch die Extraktion der besagten Zähne konnte der Sachverständige nicht nachvollziehen, zumal keine Vitalitätsprobe dokumentiert sei. Zwar lasse sich nicht mehr abschließend beurteilen, ob eine endodontische Revisionsbehandlung den Zahnes 37 noch hätte retten können. Gegebenenfalls sei eine Entfernung wegen des erheblichen Aufwands der Behandlung sogar bereits bei Behandlungsbeginn vertretbar gewesen.

Dass aber auch andere Behandlungsmöglichkeiten zahnärztlich vertretbar gewesen wären, ist für den vorliegenden Behandlungsfehler unbeachtlich. Denn weil der Zahnarzt im konkreten Fall nicht belegen konnte, dass er den Patienten über eine solche Behandlung aufgeklärt hat, ist die Einwilligung des Klägers in die Extraktion unwirksam. Dokumentationsmängel gerade vor einer Zahnextraktion führen zu einer Umkehr der Beweislast, so dass vermutet wird, die Zahnextraktion sei ohne medizinische Indikation erfolgt.

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