Dokumentation in der Zahnarztpraxis – unendliche Geschichte oder wichtige Grundlage?
Tanja SchüttWir alle wissen: Die Dokumentation einer Behandlung ist von großer Bedeutung und es sollte ein besonderes Augenmerk daraufgelegt werden. Die Realität sieht jedoch leider anders aus. Es fehlt die Zeit in der Praxis, wird zu kurz und schnell erledigt oder auf später vertan und dann wird die Hälfte vergessen. Es ist höchste Zeit das Thema Dokumentation als Team in der Praxis einmal grundlegend anzugehen, ein stabiles Fundament zu etablieren und somit in der Umsetzung so einfach wie möglich zu gestalten.
Fakt ist: Als Zahnarzt und Zahnärztin besteht eine Dokumentationspflicht einer Behandlung. Dies ist in der zahnärztlichen Berufsordnung sowie im Patientenrechtegesetz verankert. Nachstehend zur Erinnerung die Kernaussagen der gesetzlichen Regelungen:
Bürgerliches Gesetzbuch § 630f
Der 1. Absatz sagt aus, dass der Behandelnde verpflichtet ist entweder eine Dokumentation in Papierform oder eine elektronische Patientenakte zu führen. Berichtigungen und Änderungen von Eintragungen in der Patientenakte sind nur zulässig, wenn neben dem ursprünglichen Inhalt erkennbar bleibt, wann sie vorgenommen worden sind.
Der 2. Absatz verpflichtet den Behandelnden sämtliche aus fachlicher Sicht für die derzeitige und künftige Behandlung wesentlichen Maßnahmen und deren Ergebnisse aufzuzeichnen. Insbesondere die Anamnese, Diagnosen, Untersuchungen, Untersuchungsergebnisse, Befunde, Therapien / Eingriffe und ihre Wirkungen, Einwilligungen und Aufklärungen. Eine Aufbewahrungspflicht von zehn Jahren nach Abschluss der Behandlung ist im 3. Absatz geregelt.
Musterberufsordnung (MBO) §12 Dokumentation
Der 1. Absatz verpflichtet den Zahnarzt, Befunde und Behandlungsmaßnahmen chronologisch und für jeden Patienten getrennt zu dokumentieren und mindestens zehn Jahre nach Abschluss der Behandlung aufzubewahren. Zudem besagt Absatz 3, dass die zahnärztlichen Dokumentationen einem vor-, mit- oder nachbehandelnden Zahnarzt oder Arzt sowie einem begutachtenden Zahnarzt oder Arzt auf Verlangen vorübergehend überlassen werden muss. Im Absatz 4 ist klar geregelt, dass der Zahnarzt dem Patienten auf dessen Verlangen Einsicht in die ihn betreffenden zahnärztlichen Dokumentationen zu gewähren hat.
Bundesmantelvertrag § 5 Abs. 1 und 2 – Aufzeichnungen
Für Vertragszahnärzte kommen noch die Dokumentationspflichten aus dem Bundesmantelvertrag hinzu. Zu diesen Vorschriften gehören die Dokumentation der einzelnen Leistung, der behandelten Zähne, der Befund und die Behandlungsdaten.
Ersatzkassenvertrag für Zahnärzte § 7 – Rechte und Pflichten der Vertragszahnärzte
Zu den im Ersatzkassenvertrag vorgeschriebenen Dokumentationspflichten gehört die Dokumentation des Tages, der behandelten Zähne, der Leistung und der Behandlung.
So wichtig ist gute Dokumentation
Sie kommen als Zahnarztpraxis also sowieso nicht drumherum. Machen Sie sich die Wichtigkeit und die Wirksamkeit einer guten Dokumentation bewusst, die Ihnen als Vorteil dient:
Transparenz des Behandlungsumfanges: Das gesamte Praxisteam kann den bisherigen Verlauf und den aktuellen Stand nachvollziehen – dadurch werden Unklarheiten und Rückfragen vermieden.
Beweismittel bei Haftung für angebliche Behandlungs- und Aufklärungsfehler: Beruhigende Absicherung vor Gericht.
Beweismittel bei Mängelgutachten, Schadensersatz- und Schmerzensgeldprozessen, Regressen und Wirtschaftlichkeitsprüfungen: Schutzfunktion
Vermeidung von Honorarverlust: Eine ordentliche und nachvollziehbare Dokumentation sichert eine ordnungsgemäße Abrechnung. Verschenken Sie kein Honorar!
Ermittlung der Faktorenhöhe: Ihre Abrechnungsmitarbeiterin wird es Ihnen sehr danken, da sie sich Begründungen für die Schwellenwertüberschreitung nicht ausdenken muss.
Aufklärungshinweise: Sie und Ihr Team wissen, was und worüber Sie mit dem Patienten gesprochen haben und können daran sofort anknüpfen.
Honorarverlust bei mangelnder Dokumentation
Sehen Sie sich die nachstehende Tabelle „Honorarverlust“ an. Sie zeigt die Folge von nicht dokumentierten Leistungen. Bitte beachten Sie bei dieser tabellarischen Aufführung, dass es sich „nur“ um den 2,3-fachen Faktor handelt. Bei einer Faktorsteigerung von 3,5 ist der Verlust pro Jahr noch viel größer.
Oft muss es schnell gehen. SPKV von P mdB erh um ES und ZZV. Bitte was? Schreiben der Privaten Krankenversicherung von Patienten erhalten mit der Bitte um Erstattungsschreiben und Zahlungszielverlängerung. Ja, ich liebe sie auch – die beliebten Abkürzungen. Beachten Sie dabei unbedingt die Nachvollziehbarkeit. Es empfiehlt sich eine Kürzel-Liste in der Praxis anzulegen oder nur allgemein bekannte Kürzel zu verwenden, sodass jeder nachvollziehen kann, was genau gemeint ist.
Beispiel Honorarverlust:
BEMA | Punkte | Honorar | vergessen pro Woche | Verlust im Jahr* |
ViPr | 8 | 7,20 Euro | 5-mal (36,00 Euro) | 1.878,43 Euro |
BMF | 10 | 12,00 Euro | 4-mal (48,00 Euro) | 2.504,57 Euro |
PSI | 12 | 14,40 Euro | 4-mal (57,60 Euro) | 3.005,49 Euro |
Zst | 16 | 19,20 Euro | 2-mal (38,40 Euro) | 2.003,66 Euro |
Konsil 181a | 14 | 16,80 Euro | 2-mal (33,60 Euro) | 1.753,20 Euro |
GOZ | Punkte | Honorar | vergessen pro Woche | Verlust im Jahr* |
Ä5 | 80 | 10,72 Euro (2,3) | 3-mal (32,16 Euro) | 1.678,06 Euro |
0030 | 200 | 25,87 Euro (2,3) | 2-mal (51,74 Euro) | 2.699,72 Euro |
0070 | 50 | 6,47 Euro (2,3) | 6-mal (38,82 Euro) | 2.025,57 Euro |
2130 | 104 | 13,45 Euro (2,3) | 4-mal (53,80 Euro) | 2.807,21 Euro |
2197 | 130 | 16,82 Euro (2,3) | 5-mal (84,10 Euro) | 4.388,22 Euro |
*berechnet bei 52,1786 Wochen im Jahr
So sind Sie entspannt bei der Dokumentation
Wenn Sie erstmal eine Dokumentationsbasis im Sinne von vorgefertigten Leistungskomplexen, Dokumentationsbausteinen und Behandlungsprotokollen geschaffen haben, verfügen Sie über eine optimale Ausgangslage und können die vorgefertigten Konstrukte einfach individualisieren. Dies schenkt Ihnen Sicherheit an alles dokumentierbare zu denken und Sie verschenken kein Honorar. So können Sie dem Thema Dokumentation deutlich entspannter begegnen und setzten endlich mal ein Punkt hinter dieser „never ending story“.
5 bewährte Tipps für eine gute Dokumentation:
1. Lesen wie ein Buch! Gehen Sie Schritt für Schritt die Behandlung im Kopf durch.
2. Legen Sie sich Textbausteine & Dokumentationskomplexe für die einzelnen Behandlungsbereiche an.
3. Erstellen Sie Formblätter & Protokolle für die einzelnen Behandlungsbereiche.
4. Schulen Sie Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und konkretisieren die Umsetzung der Dokumentation.
5. Dokumentieren Sie Zeit, Umstände oder Schwierigkeit bei Leistungserbringung.
Beispiel Musterdokumentation einer Wurzelkanalbehandlung (WKB)
Datum: 08. Mai 2024
Behandler: Dr. Doku
Anamnese
Patient kam mit Beschwerden am Zahn 16
Es fing vor ein paar Tagen mit leichten ziehenden und plötzlich auftretenden Schmerzen an und wurde immer schmerzhafter
Befunde und Diagnose
16 Vitalitätsprüfung + pos.
16 Perkussionstest – neg.
16 parodontal unauffällig
Biss mit blauer Okklusionsfolie kontrolliert, kein Frühkontakt
16 hat alte Kunststofffüllung, leichte Undichtigkeit, distal im Zwischenraum
Aufklärung
16 Aufklärung über mögliche Therapiemaßnahmen XY, Wurzelkanalbehandlung empfohlen
Patient über qualitative Maßnahmen und Zusatzkosten aufgeklärt
Pat. möchte WKB mit qualitätsverbessernden Maßnahmen
Therapiemaßnahmen
16 Rö-Einzelzahnfilm: Fokussuche, keine apikale Aufhellung, erschwerte Positionierung des Sensors/Zahnfilms wegen eingeschränktem Intraoralzugang
16 Oberflächenbetäubung mit Oraqixn
16 Infiltrationsanästhesie palatinal und buccal mit Ultracain 1 Ampulle
16 Zahnkrone trepaniert, lange Dauer wegen hartem Material der Zirkonkrone
16 Darstellung und Aufsuchen der Kanäle erschwert wegen obliterierter Wurzelkanäle
16 Entfernung der vitalen Pulpa 4x, erschwerende Umstände wegen gekrümmter Kanäle
16 Wurzelkanalaufbereitung mit Handinstrumenten, erschwert wegen gekrümmter Kanäle
16 medikamentöse Einlage mit Ledermix
16 verschlossen mit Cavit
Interne Infos
Abrechnung: bitte KV und HV erstellen und Pat. per Mail zusenden
Pat. möchte diese Formulare zum nächsten Termin unterschrieben mitbringen
Next: maschinelle Aufbereitung der WKs, Phys, elektr. Längenbestimmung, Rö-Mess, Med