Grundsatzurteil zur Kostenerstattung nach Tod eines Kassenpatienten
Judith MeisterGesetzlich versicherte Patienten können sich in einigen Fällen gegen eine Sachleistung ihrer Kasse entscheiden und stattdessen Kostenerstattung wählen. Doch was passiert mit den Erstattungsansprüchen, wenn der Versicherte stirbt?
Anders als in der privaten Krankenversicherung gilt im gesetzlichen System normalerweise das sogenannte Sachleistungsprinzip. Das bedeutet: Patienten haben Anspruch auf eine (zahn)medizinische Versorgung, erhalten aber, außer bei Selbstzahler-Leistungen keine Rechnung. Die Bezahlung der medizinischen Leistungserbringer übernehmen die K(Z)Ven mit befreiender Wirkung.
Allerdings lassen die Sozialgesetze es in bestimmten Fällen zu, dass auch Kassenpatienten für die sogenannte Kostenerstattung optieren. In diesem Fall gehen die Patienten – ähnlich wie in der privaten Versicherung – in Vorleistung und lassen sich den erstattungsfähigen Anteil ihrer Behandlungskosten nachträglich von der Kasse erstatten.
So war es auch in einem Fall, der vor Kurzem das Bundesozialgericht beschäftigte. Und darum ging es: Im Jahr 2019 ließ sich ein Patient gegen Rechnung in einem Krankenhaus untersuchen. Nach der ersten Konsultation wurde der Mann stationär aufgenommen und verstarb in der Klinik. Zu Lebzeiten hatte seine Krankenkasse ihn noch darüber informiert, dass die Kostenerstattung im stationären Bereich lediglich 30 Prozent der Fallpauschalen abdecke. Genau diesen Anteil der Kosten wollte seine Witwe nun aber auch wirklich bezahlt bekommen.
Kostenerstattungsansprüche lassen sich vererben
Da ihr Mann bis zu seinem Tod rund 24.000 Euro an die Klinik gezahlt hatte, beantragte die Frau die Erstattung dieser Kosten bei der Kasse. Doch obwohl die Frau ihren Mann beerbt hatte, verweigerte diese die Erstattung:
Die Frau klagte daraufhin bis zum Bundessozialgericht (BSG) – und bekam recht. Die Kasseler Richter befanden, dass der Witwe ein Erstattungsanspruch in Höhe von rund 7000 Euro gegen die Kasse zustand (BSG, Az. 1 B KR 39/22 R).
Damit wandte sich das Gericht gegen die Ansicht der Krankenkasse, Ansprüche auf Geldleistungen nach § 13 Abs. 2 SGB V würden mit dem Tod des Versicherten erlöschen. Stattdessen befand das Gericht, dass sich selbst Erstattungsansprüche über noch nicht beglichene Arztrechnungen vererben lassen. Andernfalls entstünde eine willkürliche Ungleichbehandlung zwischen Versicherten, die die Kostenerstattung gewählt haben, und jenen, die dem Sachleistungsgrundsatz unterliegen.
Das Sachleistungsprinzip der Krankenversicherung einfach erklärt
Das Sachleistungsprinzip ist ein grundlegendes Konzept der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) in Deutschland. Es besagt, dass Versicherte medizinische Leistungen direkt von Ärzten, Zahnärzten oder anderen Leistungserbringern erhalten, ohne selbst in Vorleistung treten zu müssen. Die Abrechnung erfolgt direkt zwischen den Leistungserbringern und der Krankenkasse.
Wie funktioniert das Sachleistungsprinzip?
Versicherte der GKV legen beim Arzt oder Zahnarzt ihre elektronische Gesundheitskarte (eGK) vor. Damit erhalten sie alle medizinisch notwendigen Behandlungen, ohne eine direkte Rechnung zu erhalten. Die Abrechnung erfolgt zwischen der Arztpraxis und der Kassenärztlichen Vereinigung (KV), die das Honorar dann mit der Krankenkasse verrechnet.
Vorteile des Sachleistungsprinzips:
Keine Vorleistung für Patienten: Versicherte müssen die Behandlungskosten nicht selbst zahlen und später erstatten lassen.
Zugang zu medizinischer Versorgung für alle: Jeder gesetzlich Versicherte hat Anspruch auf notwendige Behandlungen, unabhängig vom Einkommen.
Vereinfachte Abrechnung: Die direkte Abwicklung zwischen Leistungserbringern und Krankenkassen entlastet Patienten von administrativem Aufwand.
Abgrenzung zum Kostenerstattungsprinzip:
Im Kostenerstattungsprinzip, das hauptsächlich in der privaten Krankenversicherung (PKV) gilt, zahlen Patienten ihre Arztrechnungen zunächst selbst und reichen sie anschließend bei ihrer Versicherung zur Erstattung ein. In der GKV können Versicherte auf Wunsch das Kostenerstattungsprinzip wählen, müssen dann aber unter Umständen Mehrkosten selbst tragen.
Sachleistungsprinzip in der Zahnmedizin
Zahnärztliche Behandlungen unterliegen ebenfalls dem Sachleistungsprinzip, allerdings mit bestimmten Einschränkungen. Während Regelversorgungen (z. B. Füllungen, Prophylaxe, einfache Zahnersatzlösungen) vollständig oder teilweise von der GKV übernommen werden, müssen Patienten für höherwertige Leistungen (z. B. Implantate, aufwendiger Zahnersatz) oft Eigenanteile zahlen.