Wirtschaftsnachrichten für Zahnärzte | DENTAL & WIRTSCHAFT
Zahnmedizin

Die Zahlen sind eindeutig. Patienten mit Alzheimer-Demenz leiden besonders oft an Parodontitis. Doch was ist die Ursache? Die Häufung von Zahnfleischerkrankungen könnte einerseits darauf zurückgehen, dass die Betreffenden wegen ihrer Krankheit die Mundhygiene vernachlässigen.

Neueste Studien legen allerdings nahe, dass mangelnde Zahnpflege möglicherweise nicht die Folge, sondern die Ursache für den kognitiven Verfall ist: Schon vor einigen Jahren fanden Forscher in den Gehirnen von Alzheimer-Patienten mehr Spuren des Parodontose-Bakteriums als bei gesunden Probanden. Schützt eine akribische Zahnpflege also möglicherweise vor Demenz-Erkrankungen?

Zähneputzen als Demenz-Prävention?

Nach wie vor ist nicht hinreichend geklärt, was genau die Ursache für Alzheimer ist. Arteriosklerose und genetische Dispositionen werden ebenso als begünstigende Faktoren gesehen wie ein schlecht eingestellter Diabetes mellitus, Bluthochdruck, ein ungesunder Lebensstil oder bestimmte Viren. Relativ neu ist allerdings das Wissen um den Zusammenhang von Zahngesundheit und neurodegenerativen Erkrankungen.

Bereits 2019 wiesen US-amerikanische Forscher Porphyromonas gingivalis (P.g.), einen zentralen Erreger von Parodontitis, und dessen Toxine, Gingipaine, im Gehirn von Alzheimer-Patienten nach und stellten einen Zusammenhang zur Entstehung von Alzheimer her. Jetzt haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Greifswald eine neue Studie im amerikanischen Fachjournal Alzheimer’s & Dementia  veröffentlicht. Und auch sie stellt einen Zusammenhang zwischen Zahnfleisch- und Alzheimer-Erkrankungen her.

„Es ist sehr schwierig, methodisch aussagekräftige Studien zu den Auswirkungen von Parodontitis durchzuführen“, erläutert einer der Autoren, Christian Schwahn. Erst kürzlich entwickelte statistische Modelle hätten es ermöglicht, eine kontrollierte klinische Studie zu simulieren, die die Daten von behandelten Patienten und unbehandelten Erkrankten zusammengeführt. Dadurch sei es erstmals gelungen, einen Zusammenhang zwischen der Behandlung von Zahnfleischerkrankungen und einer beginnenden Alzheimer-Krankheit zu analysieren.

Jahrelange Beobachtung liefert bemerkenswerte Ergebnisse

Im Rahmen ihrer Arbeit behandelten die Wissenschaftler 177 Probanden, die unter einer beginnenden Demenz litten, nicht nur zahnärztlich. Sie überwachten auch deren Gehirnaktivität über Jahre hinweg per MRT. Das Ergebnis: Eine Parodontitis-Behandlung mindert die beginnende Demenz. Die Forscher nannten den Zusammenhang „moderat bis stark“. Die Studienergebnisse veröffentlichten sie im Fachmagazin „Alzheimer’s & Dementia“ veröffentlicht.

Die Ergebnisse seien bemerkenswert: Erstens, weil die Parodontitis-Patienten zum Zeitpunkt der MRT-Untersuchung jünger als 60 Jahre waren. Zweitens, weil die Beobachtungszeit zwischen der zahnärztlichen Behandlung und der MRT-Untersuchung bei den Patienten im Durchschnitt bei 7,3 Jahren lag, betonten die Co-Autoren Thomas Kocher und Hans J. Grabe. „Unser Ansatz liegt klar in der Prävention und der rechtzeitigen Behandlung der Zahnfleischerkrankung,  um mögliche Folgeschäden zu verhindern“, so Kocher. Man werde künftig in diesem Bereich auf Beobachtungsstudien setzen, die eine kontrollierte klinische Studie simulieren, so die Studienautoren weiter. Eine klinische Studie mit einer Placebo-Behandlung in einer Patientengruppe, also mit absichtlich zahnärztlich unbehandelten Patienten, ist aus ethischen und medizinischen Gründen nicht durchführbar.

Quelle: Christian Schwahn,Stefan Frenzel,Birte Holtfreter,Sandra Van der Auwera,Christiane Pink,Robin Bülow,Nele Friedrich,Henry Völzke,Reiner Biffar,Thomas Kocher,Hans Jörgen Grabe, for the Alzheimer’s Disease Neuroimaging Initiative , Effect of periodontal treatment on preclinical Alzheimer’s disease—Results of a trial emulation approach, https://doi.org/10.1002/alz.12378