Können Demenzkranke wirksam ein Testament erstellen?
Judith MeisterÄndert ein betagter Mensch kurz vor seinem Tod seinen letzten Willen oder setzt erstmalig ein Testament auf, kommt es oft zum Streit um die Wirksamkeit des Dokumentes. Allerdings können auch Demenzkranke unter bestimmten Umständen noch wirksam testieren.
Wer wirksam seinen letzten Willen niederlegen will, muss nach deutschem Recht mindestens 16 Jahre alt und in der Lage sein, den Inhalt und die Tragweite der Erklärung zu verstehen. Nicht testieren kann demnach, wer unter einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit oder einer Bewusstseinsstörung leidet und daher nicht in der Lage ist, die Bedeutung der Erklärung zu erfassen.
Fraglich ist, wann eine solche Störung vorliegt und ob zum Beispiel auch Demenzkranke noch in der Lage sind, wirksam ein Testament zu errichten – oder eine bereits bestehende Verfügung zu ändern. Über diese Frage kommt es in der Praxis immer wieder zu Streit. Zum Beispiel, wenn die ursprünglich im Testament Bedachten zugunsten einer anderen Person enterbt werden.
Wann ist das Testament eines demenzkranken Menschen wirksam?
Damit das Testament eines demenzkranken Menschen wirksam ist, muss der Patient nach der Rechtsprechung die Fähigkeit zu „selbstständigen und eigenverantwortlichen Entscheidungen“ haben und in der Lage sein, diese „frei von Einflüssen etwaiger interessierter Dritter“ zu treffen (vgl. OLG Bamberg, Az. 4 W 16/14). Zudem muss der oder die Testierende die Tragweite und Wirkungen des Testaments auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Betroffenen noch voll erfassen können (OLG Hamm, Az. 10 U 76/16).
Fehlt es, wie in den allermeisten Fällen, an einem fachärztlichen Gutachten, das dem oder der Betroffenen eben jene Fähigkeiten für den Zeitpunkt der Testamentserstellung bestätigt, müssen im Streitfall die Gerichte die Frage klären. In einer solchen Situation sind Zeugenaussagen – etwa von Ärzten oder einem Notar – von großer Bedeutung. Auch prüfen die Gerichte oft Dokumente, die der oder die Betreffende in derselben Zeitspanne verfasst hat, zum Beispiel Briefe oder Tagebucheinträge.
Wer die Testierunfähigkeit einer Person mit Demenz beweisen muss
Wie erbittert um die Frage der Testierfähigkeit oft gestritten wird, beweist eine aktuelle Entscheidung des Landgerichts Frankenthal. Im konkreten Fall hatte der Testamentsvollstrecker der Verstorbenen deren letzten Willen im Eilverfahren zu kippen versucht.
Die Erblasserin, die keine pflichtteilsberechtigten Angehörigen hinterließ, hatte in einem jüngeren Testament dem Sohn einer Freundin ein wertvolles Anwesen in Ludwigshafen vermacht.
Der Testamentsvollstrecker hielt diese Verfügung für unwirksam, da die Frau bei der notariellen Errichtung des Testaments kurz vor ihrem Tod nicht mehr in der Lage gewesen sei, die Tragweite und die Bedeutung ihrer letztwilligen Verfügung zu erfassen. Dies begründete der Mann mit Arztbriefen, die eine „beginnende demenzielle Entwicklung“ der Erblasserin und schließlich eine „bekannte Demenz“ der 90-Jährigen kurz vor ihrem Tod attestierten.
Wie das Gericht über die Testierfähigkeit entschieden hat
Der Notar, der das Testament aufgenommen hatte, war hingegen der Auffassung, dass die alte Dame bei der Verfügung unbeschränkt geschäfts- und testierfähig war. Diese Auffassung hatte er auch in einem Zusatz zur notariellen Urkunde ausdrücklich festgehalten.
Das Landgericht Frankenthal wies auf dieser Basis den Eilantrag des Testamentsvollstreckers ab. Das Argument: Grundsätzlich könne auch eine Demenz erkrankte Person testierfähig sein. Eine Demenzerkrankung entwickele sich regelmäßig in bestimmten Stufen, wobei zwischen leichter, mittelschwerer und schwerer Demenz zu unterscheiden sei. Entscheidend komme es auf die Urteilsfähigkeit der testierenden Person zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments an.
Vorliegend sprachen nach Auffassung des Gerichts die Umstände des Falles nur für eine leichtgradige Demenz. Der Testamentsvollstrecker musste nun im Hauptverfahren beweisen, dass es – entgegen der ersten Einschätzung des Gerichts – doch an der Testierfähigkeit zum Zeitpunkt der notariellen Beurkundung gefehlt habe. Auch das gelang ihm allerdings nicht, sodass das Gericht das Testament auch im Hauptsacheverfahren für wirksam erklärte (LG Frankenthal, Az. 8 O 97/24).
Auch Zeugenaussagen von Medizinern können relevant werden
Fazit: Gerade in Fällen, in denen die Testierfähigkeit posthum beurteilt werden muss, sind die Gerichte vielfach auf Zeugenaussagen angewiesen. Hier können auch Ärzte und Zahnärzte geladen werden, wenn sie den Erblasser zum fraglichen Zeitpunkt regelmäßig behandelt haben.