Wirtschaftsnachrichten für Zahnärzte | DENTAL & WIRTSCHAFT
Steuerrecht
Inhaltsverzeichnis

Eine unsichere wirtschaftliche und politische Situation in Deutschland führt bei manchen Zahnärztinnen und Zahnärzten zu Überlegungen, ihren Wohnsitz in das benachbarte Ausland zu verlegen und ihre in Deutschland gelegene Zahnarztpraxis vom Ausland aus zu betreiben, um so der hohen deutschen Besteuerung zu entgehen und wirtschaftliche sowie politische Unwägbarkeiten zu vermeiden, die künftig auf Deutschland zukommen können.

Unbeschränkte Einkommensteuerpflicht in Deutschland 

Der Gedanke scheint verlockend zu sein: nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG) sind nämlich nur diejenigen natürlichen Personen in Deutschland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Einen Wohnsitz unterhält eine natürliche Person in Deutschland nach § 8 Abgabenordnung (AO), indem sie hier eine Wohnung zur Verfügung hat und die Umstände darauf hindeuten, dass sie diese Wohnung beibehalten und benutzen wird. Ausgehend von dieser gesetzlichen Rechtslage könnte man meinen, die Aufgabe des deutschen Wohnsitzes führe notwendigerweise dazu, dass die unbeschränkte Einkommenssteuerpflicht in Deutschland beendet werde, so dass Einkünfte aus einer in Deutschland belegenen Zahnarztpraxis wie auch alle anderen Einkünfte aus Deutschland im neuen Wohnsitzstaat im Ausland und nicht in Deutschland zu versteuern wären.

Ein genauer Blick auf das deutsche Steuerrecht offenbart allerdings, dass eine solche Aufgabe des deutschen Wohnsitzes keineswegs dazu führt, dass die deutsche Besteuerung stets entfällt, insbesondere wenn nach dem Wegzug weiterhin Einkünfte aus deutschen Quellen generiert werden. Zu besserer Illustration der betreffenden Problematik soll folgendes Beispiel dienen: Stellen wir uns eine in Deutschland niedergelassene Zahnärztin oder einen niedergelassenen Zahnarzt vor, die neben freiberuflichen Einkünften aus der Zahnarztpraxis auch inländische Einkünfte aus der Vermietung von Wohnimmobilien sowie Kapitaleinkünfte aus Aktien inländischer und ausländischer Aktiengesellschaften erzielen. Die betreffende Zahnärztin bzw. der betreffende Zahnarzt planen aus steuerlichen und wirtschaftlichen Gründen, ihren Wohnsitz in die Schweiz zu verlegen. Ihre Einkunftsquellen in Deutschland, inklusive des Betriebes ihrer Zahnarztpraxis, der Vermietung inländischer Wohnimmobilien und des Aktienbesitzes sollen im gleichen Umfang bestehen bleiben. Ihre deutsche Zahnarztpraxis wollen sie weiterhin betreiben, indem sie von ihrem neuen Wohnsitz aus täglich über die Grenze nach Deutschland pendeln.

Problematik des doppelten Wohnsitzes im Inland und im Ausland

In diesem Zusammenhang sollte beachtet werden, dass es zur Beendigung der deutschen unbeschränkten Einkommensteuerpflicht regelmäßig nicht ausreichen würde, sich im Ausland niederzulassen, ohne in Deutschland einen Wohnsitz aufzugeben. Damit ist die Problematik des doppelten Wohnsitzes im Inland und im Ausland gemeint. Unter einem Wohnsitz versteht das deutsche Steuerrecht jegliche, auch eine sehr bescheidene, Bleibe in Deutschland, die einem Steuerpflichtigen zur Verfügung steht und die der betreffende Steuerpflichtige in gewisser Regelmäßigkeit nutzt.

Es reicht deshalb zur Beibehaltung eines deutschen Wohnsitzes aus, wenn ein Steuerpflichtiger z. B. im Elternhaus auch nach dem Wegzug ins Ausland ein Zimmer zur eigenen Verfügung hat, dass er nach eigenem Ermessen bei seinen inländischen Aufenthalten nutzen kann und das mit persönlichen Gegenständen des betroffenen Steuerpflichtigen ausgestattet ist. Das Gleiche gilt, wenn ein Steuerpflichtiger seine inländische Wohnung an Dritte vermietet hat, sich allerdings das Recht vorbehält, bestimmte Räumlichkeiten in der betreffenden Wohnung nach Bedarf und ohne eine Absprache mit den Mietern zu nutzen. Selbstverständlich reicht es auch nicht aus, die eigene Wohnung nur zum Schein z. B. an Angehörige zu „vermieten“, während tatsächlich die Eigennutzung der betreffenden Wohnung beabsichtigt ist.

Mittelpunkt der Lebensinteressen einer Person

In Fällen der doppelten Ansässigkeit eines Steuerpflichtigen im Inland und im Ausland stellt das deutsche Steuerrecht, konkret die Doppelbesteuerungsabkommen (DBA), die Deutschland mit den meisten Industrienationen abgeschlossen hat, auf den Mittelpunkt der Lebensinteressen einer betroffenen Person. Um diesen Mittelpunkt zu ermitteln, beleuchtet man die gesamten Lebensumstände eines doppelt Ansässigen, dabei werden sowohl die berufliche Situation als auch die private und gesellschaftliche Verankerung einer Person umfassend gewürdigt. Lebt ein Steuerpflichtiger z. B. die meiste Zeit im Ausland, während seine Familie in der inländischen Wohnung in Deutschland bleibt, geht man regelmäßig davon aus, dass sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen des betroffenen Steuerpflichtigen am Wohnort seiner Familie, in diesem Fall in Deutschland, befindet.

Das Gleiche gilt, wenn der Steuerpflichtige mit seiner Familie ins Ausland weggezogen ist, seine inländische Wohnung jedoch beibehält und seine gesellschaftlichen und privaten Kontakte sowie der Schwerpunkt seiner beruflichen Tätigkeit in Deutschland liegen. Auch in diesem Fall wird man nach der Gesamtabwägung aller Umstände regelmäßig dazu kommen, dass sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen eines solchen Steuerpflichtigen auch nach dem Wegzug ins Ausland in Deutschland befindet.

Beschränkte Einkommensteuerpflicht in Deutschland

Bezogen auf unseren Beispielsfall müsste die niedergelassene Zahnärztin bzw. der niedergelassene Zahnarzt seinen inländischen Wohnsitz komplett aufgeben und mit seiner Familie ins Ausland, in unserem Fall in die Schweiz, wegziehen. In diesem Fall würde die unbeschränkte Einkommenssteuerpflicht der betreffenden Personen im Zeitpunkt der Aufgabe des inländischen Wohnsitzes enden und ab diesem Zeitpunkt die beschränkte Einkommensteuerpflicht dieser Personen in Deutschland in Bezug auf inländische Einkunftsquellen beginnen. Im Gegensatz zu unbeschränkten Einkommensteuerpflicht, welche die weltweiten Einkünfte eine Person umfasst, greift das deutsche Einkommensteuerrecht bei beschränkter Einkommensteuerpflicht grundsätzlich nur auf inländische Einkünfte einer betreffenden Person zu.

In unserem Beispielsfall wären das in erster Linie Einkünfte aus der Zahnarztpraxis, die nach dem deutschen innerstaatlichen Steuerrecht und nach dem Recht der DBA auch bei der beschränkten Einkommensteuerpflicht in Deutschland versteuert werden müssten. Sowohl das DBA zwischen Deutschland und der Schweiz als auch die meisten anderen deutschen DBA grenzen nämlich die Besteuerungsrecht zwischen DBA-Staaten an einzelnen Einkunftsquellen in der Weise ab, dass sie das Besteuerungsrecht an solchen Einkünften dem Staat gewähren, zu welchem die einzelnen Einkünfte den stärksten Bezug aufweisen.

Einkünfte aus Grundbesitz und aus Betriebsstätten

Klassischerweise geht man davon aus, dass Einkünfte aus dem Grundbesitz die stärkste Verbindung zum Staat aufweisen, in welchem der betreffende Grundbesitz belegen ist. Das gleiche gilt für Einkünfte aus Betriebsstätten. Unter einer Betriebsstätte versteht sowohl das deutsche innerstaatliche Steuerrecht als auch das Recht der deutschen DBA jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient, bzw. in der die Tätigkeit eines Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt wird. Dabei zählt das Gesetz, in diesem Fall § 12 AO sowie Art. 5 Abs. 2 DBA Deutschland-Schweiz, nicht nur Geschäftsstellen, Werkstätten und Fabrikationsstätten, sondern auch Zweigniederlassungen und Bauausführungen von einer bestimmten Dauer zu Betriebsstätten. Auch eine Zahnarztpraxis erfüllt ohne Weiteres die Merkmale einer Betriebsstätte nach § 12 Satz 1 AO sowie nach Art. 5 Abs. 2 DBA Deutschland-Schweiz.

Nach § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG unterliegen Einkünfte aus selbständiger Arbeit, die im Inland ausgeübt oder verwertet wird oder für die im Inland eine feste Einrichtung oder eine Betriebsstätte unterhalten wird, der beschränkten Steuerpflicht in Deutschland. Gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 1 DBA Deutschland-Schweiz können Einkünfte aus einem freien Beruf sowie allgemein aus selbstständiger Tätigkeit nur in dem Staat besteuert werden, in welchem die Person ansässig ist, die diese Einkünfte bezieht. Etwas anderes gilt allerdings, wenn die betreffende Person die Einkünfte aus einer selbstständigen Arbeit in einer festen Einrichtung erzielt. In diesem Fall können solche Einkünfte nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 DBA Deutschland-Schweiz auch in dem Staat besteuert werden, in welchem die betreffende feste Einrichtung unterhalten wird und Einkünfte erzielt werden, in unserem Beispielsfall in Deutschland. Nach expliziter Feststellung des Art. 14 Abs. 2 DBA Deutschland-Schweiz umfasst ein freier Beruf insbesondere die selbstständig ausgeübte Tätigkeit von Zahnärzten.

Progressionsvorbehalt für ausländische Einkünfte

Um eine Doppelbesteuerung von Einkünften aus selbstständiger Arbeit zu vermeiden, stellt die Schweiz diese Einkünfte aus deutschen Quellen, z. B. freiberufliche Einkünfte aus Zahnarztpraxen, nach § 24 Abs. 2 Nr. 1 Halbsatz 1 DBA Deutschland-Schweiz von der schweizerischen Besteuerung frei, unterwirft diese allerdings nach § 24 Abs. 2 Nr. 1 Halbsatz 2 DBA Deutschland-Schweiz dem Progressionsvorbehalt. Der Progressionsvorbehalt bedeutet, dass ausländische Einkünfte im Inland zwar nicht besteuert werden, jedoch die Bemessungsgrundlage einer inländischen Steuer für Zwecke der Ermittlung des persönlichen Steuersatzes erhöhen. Erzielt z. B. eine Person im Inland und im Ausland Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit in Höhe von jeweils 100.000 Euro, werden im Inland zwar nur 100.000 Euro inländischer freiberuflicher Einkünfte besteuert, der persönliche Einkommensteuersatz der betreffenden Person wird allerdings aus einer Bemessungsgrundlage von 200.000 Euro ermittelt. Aufgrund des progressiven Einkommensteuertarifs sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz ergibt sich hierdurch in beiden Ländern ein wesentlich höherer Einkommensteuersatz, als wenn nur die inländischen freiberuflichen Einkünfte ohne den Progressionsvorbehalt zu versteuern wären.

Im Ergebnis unterliegen deshalb freiberufliche Einkünfte aus Zahnarztpraxen auch bei Personen, die nur in der Schweiz ansässig sind, jedoch in Deutschland Zahnarztpraxen betreiben, ausschließlich der Besteuerung in Deutschland im Rahmen der beschränkten deutschen Einkommensteuerpflicht nach deutschem inländischen Steuerrecht, d. h. die betreffenden Einkünfte werden regulär nach deutschem Steuerrecht ermittelt und nach deutschen Steuersätzen besteuert. Erzielen die Zahnärztin bzw. der Zahnarzt aus unserem Beispiel weitere Einkünfte aus schweizerischen Quellen, können deutsche Einkünfte aus der Zahnarztpraxis nach § 24 Abs. 2 Nr. 1 Halbsatz 2 DBA Deutschland-Schweiz in der Schweiz zur Ermittlung des persönlichen Steuersatzes dem beschriebenen Progressionsvorbehalt unterfallen.

Inländische Einkünfte aus Vermietung

Inländische Einkünfte aus der Vermietung von in Deutschland belegenen Wohnimmobilien, welche die Zahnärztin bzw. der Zahnarzt in unserem Beispielsfall auch nach ihrem Wegzug in die Schweiz erzielen, unterliegen nach § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG weiterhin der deutschen beschränkten Steuerpflicht, während die Schweiz diese Einkünfte nach § 24 Abs. 2 Nr. 1 DBA Deutschland-Schweiz von der schweizerischen Besteuerung freistellt, wobei auch hier der Progressionsvorbehalt für die freigestellten Einkünfte greift. Damit werden die betreffenden Einkünfte aus der Vermietung von Wohnimmobilien auch dann ausschließlich nach deutschem inländischen Steuerrecht und nach inländischen Steuersätzen besteuert, wenn die Zahnärztin bzw. der Zahnarzt in unserem Beispielsfall nur in der Schweiz ansässig sind.

Einkünfte aus Kapitalvermögen

Wesentlich komplexer ist die steuerliche Behandlung von Einkünften aus Kapitalvermögen. Diese Einkünfte werden grundsätzlich in beiden Staaten, in unserem Beispiel in Deutschland und in der Schweiz, nach deren inländischen Steuerrecht besteuert. Allerdings wird die ausländische Einkommensteuer auf Kapitaleinkünfte natürlicher Personen in dem jeweils anderen DBA-Staat auf deren inländische Einkommensteuer angerechnet. In bestimmten Fällen stellt die Schweiz nach § 24 Abs. 2 Nr. 2 lit. c) DBA Deutschland-Schweiz Kapitaleinkünfte aus deutschen Quellen von der eigenen Besteuerung frei.

Dr. jur. Alex Janzen

Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Rechtsanwaltskanzlei Dr. jur. Alex Janzen
Dr. jur. Alex Janzen ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht sowie für Bank- und Kapitalmarktrecht in Düsseldorf. Er berät Unternehmen im Steuerrecht, Kapitalmarktrecht sowie im Medizinrecht, insbesondere in Fragen der Steueroptimierung, Besteuerung von Ärzten und Praxisgemeinschaften, Vertretung in Einspruchs- und Klageverfahren, in Fragen der Praxisfinanzierung sowie im ärztlichen und zahnärztlichen Honorarrecht.

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