Risikomanagement: Wenn der Praxisinhaber geschäftsunfähig wird - Vorsorgen mit Vollmachten
D&W RedaktionEs ist eine Situation, die man lieber ausblendet: Der Praxisinhaber wird krank oder hat einen Unfall. <strong>Von jetzt auf gleich kann er für längere Zeit keine Unterschriften mehr leisten und keine Entscheidungen mehr treffen. Er ist nicht mehr geschäftsfähig
Wer die Existenz seiner Praxis und das Wohlergehen seiner Familie nicht aufs Spiel setzen will, muss sich dem folgenden Szenario rechtzeitig stellen:
Als sich das Unglück ereignet, führt Dr. B. seine Praxis bereits seit längerem mit zwei Assistenz-Zahnärzten. Der Verkehrsunfall reißt ihn von jetzt auf gleich aus dem Leben, Intensivstation, Koma. Dr. B. kann keine Entscheidungen mehr treffen, ist nicht mehr geschäftsfähig. Wann der Unternehmer wieder in seine Zahnarztpraxis zurückkehren kann, ist völlig unklar. Die Verpflichtungen für die Praxis belaufen sich zu diesem Zeitpunkt auf rund 800.000 Euro. Dr. B. ist verheiratet und hat zwei Kinder. Außerdem gibt es Hauseigentum. Wie geht es mit der Praxis weiter?
Die Praxis wird führungslos
Als Nicht-Zahnärztin darf die Ehefrau, Frau B., weder über die Konten der Praxis verfügen noch Abrechnungen tätigen oder Gehälter überweisen. Das wäre ein Vergehen. Auch den angestellten Assistenz-Zahnärzten darf sie keine Anweisungen erteilen, weil sie keine Zahnärztin ist.
Weil die Praxis faktisch führungslos ist, empfiehlt ihr der Berater, den Zustand ihres Mannes der Kassenzahnärztlichen Vereinigung zu melden und dorthin einen engen Kontakt zu halten, um in der Abwesenheit ihres Mannes so wenig Fehler wie möglich zu machen und die Praxis vor dem Niedergang zu schützen.
Ohne Vollmachten bleibt nur der Gang zum Betreuungsgericht
Aber das ist noch lange nicht alles: Weil Dr. B. keine Vollmachten hinterlegt hat und gegenüber der Bank keine autorisierten Ansprechpartner verfügbar sind, muss sich Frau B. übers Betreuungsgericht einen Betreuer für ihren Mann bestellen lassen. Diesem Betreuer und seinen Entscheidungen sind sie und ihr Mann dann auf Gedeih und Verderb ausgeliefert.
Hätte die Bank den Eindruck, dass der Schuldendienst in Gefahr ist, könnte die Bank im schlimmsten Fall das Mandat aufgeben – und schon stünde die Praxis vor der Insolvenz. Frau B. macht kein Auge mehr zu. Wie soll es mit den Privatfinanzen weitergehen? Frau B. ist nicht befugt, den Unternehmerlohn vom Praxiskonto aus aufs Privatkonto zu überweisen. Da sie kein eigenes Vermögen aufgebaut oder andere Einkommensströme hat, droht sie bald mittellos dazustehen.
Vollmachten nicht einfach aus dem Internet herunterladen
Glücklicherweise war das alles bis hierin nur ein Szenario. Dr. B. erfreut sich bester Gesundheit, zeigt sich aber gegenüber seinem Berater bestürzt über die möglichen Ausmaße, wenn ein solcher Notfall einträte und er nicht vorgesorgt hätte. Deshalb kümmert er sich jetzt sofort um die sogenannte General- und Vorsorgevollmacht. Klugerweise widersteht er der Versuchung, sich einfach Vorlagen aus dem Netz herunterzuladen, diese auszufüllen und zu glauben, dies sei rechtssicher. Er weiß von seinem Berater:
Eine General- bzw. Vorsorge-Vollmacht muss …
- juristisch wasserdicht verfasst sein,
- alle Erfordernisse berücksichtigen,
- maßgeschneidert sein,
- die richtigen Menschen bevollmächtigen und
- und notariell beglaubigt sein.
Nur so lassen sich Praxis und Privatfinanzen im Ernstfall weiterhin erfolgreich managen.
Banken haben ihre eigenen Vorlagen für Vollmachten
Bei dieser Gelegenheit erfährt Dr. B. auch, dass Banken ihre eigenen Formulare für Vollmachten ausgeben, und nur gegen diese Vorlage rechts- und regresssicher Geld freigeben bzw. Überweisungen autorisieren.
Generalvollmacht: Sicherheit für den Ernstfall
Ist der Praxisinhaber vorübergehend nicht geschäftsfähig, lassen sich Praxen über einen gewissen Zeitraum mit Generalvollmachten weiterführen. Sie ermöglichen die wichtigsten Entscheidungen in puncto Personal, also Einstellungen und Entlassungen sowie Vertragsänderungen. Sollte sich herausstellen, dass der Praxisinhaber nicht zurückkehren kann an seinen Arbeitsplatz, wäre mit einer Generalvollmacht sogar der Verkauf der Praxis möglich. Auch Änderungen an der Eigentumssituation, wie etwa am Haus, sind damit eine Option.
Zwei Formen der Generalvollmacht
Der Berater weist Dr. B. noch auf wichtige Feinheiten hin. Es gibt zwei Formen der Generalvollmacht:
- Die Vermögenssorge-Vollmacht, von der bislang hier die Rede war, und die
- Personensorge-Vollmacht: Sie ist vor allem dann wichtig, wenn Frau B. ihren Mann z.B. in ein anderes Krankenhaus verlegen will – was sie ohne diese Vollmacht nicht veranlassen könnte.
Fazit: Vorsorgen für eine Geschäftsunfähigkeit
Eine General- und Vorsorgevollmacht ist absolut existenziell und sichert die Handlungsfähigkeit der Ehefrau in Bezug auf die Praxis und das Privatvermögen. Eine notariell beglaubigte Vollmacht ist überall im DACH-Raum anerkannt, beim Notar lassen sich jederzeit Duplikate anfertigen, was im Einzelfall dringend notwendig sein kann.
Wichtig: Für den Fall, dass der Praxisinhaber zwar erkrankt, aber noch in der Lage ist, zu sprechen und seinen Willen zu äußern, ist keine Vorsorgevollmacht erforderlich. Allerdings sollte man auch diesen Fall durchdenken: Schutz bei Krankheit bietet das Krankentagegeld, das das Einkommen bei einer krankheits- oder unfallbedingten längeren Arbeitsunfähigkeit ersetzt. Daneben macht es Sinn, eine Absicherung gegen Berufsunfähigkeit und schwere Krankheiten zu installieren, um finanzielle Ausfälle so weit wie möglich abzufedern.
Auch interessant sind unsere anderen Artikel aus der Serie Risikomanagement:
Risikomanagement: Strategien gegen die Insolvenz der Zahnarztpraxis
Risikomanagement: Was passiert nach dem Tod des Praxisinhabers?
Unser Autor:
* Holger Nentwig, auch „Mister Asset Protection“ genannt, ist Spezialist für den Bereich Vermögensaufbau, Vermögenssicherung und Vermögensnachfolge und hat mehr als 30 Jahre Erfahrung in der Beratung von Unternehmern und selbstständigen Zahnärzten. Als ausgebildeter Dipl.-Kaufmann, Certified Estate Planner und Master of NLP Coaching berät er seit 1986 Zahnärzte und Zahnärztinnen im DACH-Raum. www.gfmsnentwig.de
Holger Nentwig ist Autor des Finanz-Podcasts „Lass Dich nicht abzocken. Finanzen: Lernen – planen – leben“ und des Business-Podcasts „Aufgebohrt & Nachgehakt: Unternehmen Zahnarztpraxis“.