Das gemeinsame Ziel von Medizin und Zahnmedizin: Weniger Zucker
Marzena SickingEs kommt nicht so häufig vor, dass Medizin und Zahnmedizin am selben Strang ziehen. Aber beim Thema Ernährung liegen die Gemeinsamkeiten wissenschaftsbasiert auf der Hand. Das wurde auch auf der Pressekonferenz der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde deutlich.
Ernährungsassoziierte Erkrankungen gelten weltweit als eine der Haupt-Todesursachen. Auch den Mundraum verschonen sie nicht. Medizin und Zahnmedizin machen dafür vor allem einen Übeltäter verantwortlich: den wachsenden Zuckeranteil in unserer Nahrung. „Zucker stellt dabei zweifelsfrei den klassischen ‚Common Risk Factor‘ dar, der Zahnmedizin und Medizin vereint wie kein zweiter Stoff. Das Paradebeispiel ist dabei der Einfluss von Zucker auf die Kariesentstehung.“, so DGZMK-Präsident Prof. Dr. Roland Frankenberger (Uni Marburg).
Zuckerkonsum sorgt für dramatische Zahlen
Zu den bekanntesten gesundheitlichen Risiken, die durch erhöhten Zuckerkonsum entstehen können, gehört Diabetes Mellitus Typ 2. Es werde vermutet, dass schon 2040 etwa 12,3 Millionen Menschen an Diabetes erkrankt sein werden, wenn sich der Zuckerkonsum nicht verringere. Beschleunigte Arterienverkalkung mit hoher Infarktgefahr sei eine der wichtigsten Folgen des Diabetes Mellitus.
„Der stetig steigende Zuckeranteil in der Ernährung ist einer der wichtigsten Gründe für diese dramatischen Zahlen. Zucker wird heute als dosisabhängiges Gift betrachtet“, erklärte der Ernährungsmediziner und Diabetologe Dr. Matthias Riedl (Hamburg) auf der DGZMK-Pressekonferenz. „Die Vielzahl an gesundheitlichen Folgen eines hohen Zuckerkonsums erstreckt sich in ein erhöhtes Entzündungspotential von Zahn, Zahnfleisch, Gelenken, der Haut und anderer Organe. Des Weiteren wird das Immunsystem geschwächt und die Infektanfälligkeit erhöht sich. Magen- und Darmbeschwerden werden gefördert. Die Darmflora leidet unter hohem Zuckerkonsum. Sogar Schlafprobleme können auftreten.“
Ernährung für Mundraum wie Gesamtorganismus gleichermaßen wichtig
Auch für die Zahngesundheit ist mäßiger Zuckerkonsum entscheidend, wie Prof. Dr. Roland Frankenberger erklärte: „Ohne Zucker keine Karies – so einfach ist das!“ Auch mit Zucker wäre Karies kein Problem, wenn alle Menschen im Rahmen der häuslichen Mundhygiene ihre Zähne zu 100 Prozent sauber putzten. Ohne bakteriellen Biofilm könne keine Karies entstehen, weil immer Zucker UND Bakterien vorhanden sein müssten. „Das Problem ist: 100 Prozent saubere Zähne sind eine Illusion, und daher ist ein vernünftiger Umgang mit zuckerhaltiger Ernährung aus kariologischer Sicht extrem wichtig“, machte der DGZMK-Präsident deutlich.
Gebisse vor Jungsteinzeit weisen kaum Karies auf
Die Warnung vor hohem Konsum der problematischen Substanz hat heute schon deshalb ihre Relevanz, weil der Zuckerkonsum von unter 1 kg pro Kopf pro Jahr vor dem Jahr 1800 im Rahmen der Industrialisierung auf über 30 kg pro Kopf pro Jahr regelrecht explodiert ist.
„Neuere zusammenfassende Untersuchungen zeigen, dass der Zuckerkonsum auch zur Entstehung einer Gingivitis (Zahnfleischentzündung) beiträgt und mit mehr Parodontitis assoziiert ist“, erläuterte Prof. Dr. Johan Peter Wölber (Uni Freiburg). Neuere Interventionsstudien, die eine Zuckervermeidung der Proband*innen beinhalteten, konnten sogar trotz gleichbleibendem oder vermehrtem Zahnbelag eine Reduktion der Zahnfleischentzündung zeigen.
Gesundheitspolitik gefordert
Die Quintessenz der Wissenschaftler: Die Gesundheitspolitik ist in Sachen Zuckervermeidung dringend gefordert, etwa im Sinne der Verhältnisprävention. Konkret wurden Werbeverbote, Zuckersteuer, verminderte Präsentation und bessere Kennzeichnung in Supermärkten genannt. Angesichts der großen wissenschaftlichen Evidenz zu den krankmachenden Folgen hohen Zuckerkonsums sei der Gesetzgeber hier in seiner Fürsorgepflicht gefordert.
Tipp: Zuckerkonsum mit neuer App besser kontrollieren
Aber auch der Einzelne kann bereits vieles tun. Dr. Matthias Riedl hat mit seiner myFoodDoctor-App ein Werkzeug entwickelt, das dem Nutzer hilft, zu einer ausgewogenen und gesunden Ernährung zu gelangen. Der Nutzer trackt mit der App vier Tage lang seine Essgewohnheiten und erhält anschließend eine ausführliche Analyse der verzehrten Nahrungsmittel, einschließlich des Zuckerkonsums, sowie konkrete Ratschläge für ein ausgewogenes und gesundes Essverhalten. Viele Nutzer konnten so bereits auf Insulinspritzen verzichten oder sind nun nicht mehr auf Bluthochdruckmedikamente angewiesen.
Mehr Informationen dazu finden Sie hier: https://myfooddoctor.de/app/