Wirtschaftsnachrichten für Zahnärzte | DENTAL & WIRTSCHAFT
Vorsorge & Finanzen

Zahnarzt Dr. E. hat vieles in seinem Leben richtig gemacht, seine Zahnarztpraxis läuft wunderbar. Bei einem Umsatz von weit über 1 Mio. Euro könnte er sich eigentlich entspannt zurücklehnen. Doch Dr. E. hat ein großes Problem. Er steht am Rande der Privatinsolvenz. Dr. E. fragt sich vollkommen zurecht, wo das ganze Geld geblieben ist, dass er mit seiner Praxis verdient hat.

So hoch ist der durchschnittliche Umsatz in einer Zahnarztpraxis

Statistisch machte ein Zahnarzt 2020 mit seiner Praxis in Deutschland einen Umsatz von 556.000 € und verursachte Kosten von 371.242 €, was zu einem durchschnittlichen Überschuss von 184.758 € führte. Die durchschnittliche Umsatzrendite einer deutschen Zahnarztpraxis lag also bei etwa 33 %.

Zahnärzte sind für Finanzhaie leichte Opfer

Warum kam es bei Dr. E. dennoch zu einer finanziellen Notsituation? Die Antwort ist recht einfach und dennoch sehr komplex. Weil er seine Finanzströme nicht im Griff hatte. Eine Vielzahl von unrentablen Sparverträgen mit absurd hohen Monatsraten, zu hohe Kreditzahlungen, zu hohe private Auszahlungen und zu geringe Steuerrücklagen sind die Ursachen. An seinem unternehmerischen Geschick haben somit eine Menge Menschen viel Geld verdient. Weil er kein Einzelfall ist, werden Zahnärzte (und Ärzte) in Finanzvertrieben gerne LEO (leicht erreichbare Opfer) genannt.

Überschuss ist nicht gleich Gewinn

Tatsächlich steht der Praxisüberschuss dem Praxisinhaber nicht als Gewinn zur freien Verfügung. Vielmehr gehen davon noch Steuern und diverse Fixkosten ab, die berücksichtigt werden müssen. Das führt bei Praxisinhabern nicht selten dazu, dass man am Ende das Gefühl hat, sich trotz gut laufender Praxis nichts leisten zu können. Das Geld verrinnt einem zwischen den Fingern.

Private Liquiditätsplanung schafft Ordnung

Was kann man dagegen tun? Zuallererst ist es unumgänglich, dass man die Sorgfalt, die man für seine unternehmerischen Zahlen aufwendet, auch für seine privaten Finanzflüsse in gleichem Umfang walten lässt. Was für die Praxis die BWA, ist für den privaten Bereich die Finanzplanung. Sie bildet das Navigationsinstrument für finanzielle Entscheidungen.

Welche finanziellen Ziele gibt es?

Um sein finanzielles Ziel zu erreichen, ist es wichtig, sich mit diesem auseinanderzusetzen. Die Frage, die man sich stellen muss, lautet: Wofür oder für wen investieren wir die ganze Arbeitszeit und generieren unseren Umsatz? Die dazugehörigen Antworten lauten meist:

  1. Finanzielle Sicherheit
: Ich kann früh aufhören zu arbeiten, weil alle privaten Ausgaben gedeckt sind.
  2. Finanzielle Vitalität
: Ich kann mir zusätzlich noch die schönen Dinge des Lebens leisten.
  3. Finanzielle Freiheit
: Ich kann vollkommen frei agieren und investieren, ohne zu arbeiten.

Diese Ziele haben sich weltweit als die finanziellen Masterziele herauskristallisiert, nach denen die meisten Menschen streben.

Status quo: Wo stehe ich finanziell eigentlich?

Nachdem die Zielrichtung klar ist, ist es wichtig zu wissen, wo man finanziell steht. Vor allem der Liquiditätsbedarf muss ermittelt werden. Gerade bei Zahnärzten ist er in der Regel sehr hoch. Zum Versorgungswerk gesellen sich regelmäßig viele private Altersversorgungsverträge, zahlreiche Kredite für Praxis, Eigenheim und vermietete Objekte sowie private Krankenversicherungen für die ganze Familie – und ein generell hoher Lebensstandard. In den seltensten Fällen hat der Zahnarzt darüber eine detaillierte Übersicht. Von einer Hochrechnung auf die kommenden Jahre ganz zu schweigen. Dabei kann man z. B. die Studienkosten der Kinder auch heute schon quantifizieren.

Die Vorteile einer fundierten Liquiditätsplanung liegen auf der Hand: Sie bietet eine detaillierte Übersicht über die aktuellen Kosten, plant zukünftige Ausgaben heute schon ein und unterzieht diese Ausgaben diversen Stresstests, wie z.B. Umsatzrückgang, Krankheit oder Tod.

Beispiel Liquiditätsplanung

Zahnarzt H. 35 Jahre alt, verheiratet, 3 Kinder, überlegt ein Eigenheim zu bauen. Die Kosten des Projektes belaufen sich auf rund 1.200.000 €. Der Finanzierungsaufwand über Zins und Tilgung beläuft sich auf 66.000 € jährlich. Dr. H kann diese Investition aus seinem Liquiditätsüberschuss bestreiten. Dieser beläuft sich nach Abzug aller unternehmerischen und privaten Kosten auf 80.000 €, sodass ein Polster von etwas mehr als 1.000 € monatlich verbleibt.

Bei Krankheit sieht das Ganze anders aus. Es müsste ein Zahnarzt angestellt werden, die Praxiseinnahmen würden sich reduzieren und die Krankentagegeldversicherung und Berufsunfähigkeitsversicherung müssten die entstandene Lücke schließen. Der Überschuss wandelt sich in eine Unterdeckung von jährlich mehr als 80.000 €, die irgendwie ausgeglichen werden muss.

Diese Berechnungen finden im normalen Alltag des Zahnarztes wenig oder keine Berücksichtigung. Die Absicherungen werden in aller Regel nach der finanziellen Möglichkeit des Zahnarztes – oder dem verkäuferischen Geschick des Finanzberaters – getroffen. Eine dezidierte Betrachtung nach dem tatsächlichen Bedarf des Zahnarztes findet nicht statt. Dabei sollte doch genau dies im Mittelpunkt aller finanziellen Entscheidungen stehen. Oftmals kommt bei einer genauen Betrachtung heraus, dass bereits getroffene finanzielle Entscheidungen den Zahnarzt in seiner Existenz gefährden können, wenn mal nicht alles glatt im Leben läuft.

Ein guter Finanzplan bewahrt vor finanziellen Fehlentscheidungen.

Die häufigsten Fehler, die Zahnärzte bei ihren Finanzen machen

Steuern:

Gerade bei steigenden Umsätzen in den ersten Jahren der Selbstständigkeit passiert es häufig, dass die Vorauszahlungen nicht den Umsätzen angepasst werden. Mehr Umsatz bedeutet natürlich auch mehr Steuerlast, die wiederum einer höhere Vorauszahlung bedarf. Passt man dies nicht rechtzeitig an, stehen spätestens im dritten Jahr hohe Nachzahlungen an, die bei fehlender Liquidität zum echten Problem werden können. Es empfiehlt sich daher ein separates Steuerkonto einzuführen und regelmäßig angepasste Zahlungen darauf zu tätigen. Die Höhe der monatlichen Einzahlungen werden vom Steuerberater bestimmt.

Abschreibungen:

Investiert man in seine Praxis, kann man die Investitionen steuerlich abschreiben. Man nennt dies Absetzung für Abnutzung (AfA). Diese Absetzungen führen dazu, dass man seine Steuerlast in der Praxis verringert und dadurch die freie Liquidität erhöht. Diese freie Liquidität ist eigentlich dafür geschaffen, um die Anschaffung zu tilgen. Dies wird in der Praxis häufig vernachlässigt. Man verkonsumiert die geschaffene Liquidität und erhöht seinen Lebensstandard. Das kann dann zu einem Problem werden, wenn die Abschreibungsfrist abgelaufen und der Steuervorteil nicht mehr vorhanden ist. Plant man die Abschreibung mit seinem Steuerberater und baut den Abschreibungsplan in die Finanzplanung ein, kann man die Liquiditätsschwankungen vorhersehen und frühzeitig darauf reagieren.

Zu hohe Lebenshaltungskosten:

Eine fehlende Übersicht über die Lebenshaltungskosten kann zu einem Lebensstandard führen, den die Praxis so eigentlich nicht hergibt. Man bedient sich am Praxiskonto und übersieht oft Zahlungen, die längerfristig anstehen. Die Urlaube sind zu weit, die Autos zu groß, die Geschenke zu teuer. Es fehlt das Controlling. Hier kann ein Unternehmergehalt Abhilfe schaffen. Überweist man sich einen Fixbetrag pro Monat, mit dem man seine privaten Ausgaben decken kann, und stimmt diesen regelmäßig mit den Praxiseinnahmen ab, hat man eine gewisse Kontrollfunktion. Ist am Ende des Geldes noch Monat da, dann ist das Gehalt zu niedrig oder der Lebensstandard zu hoch. Hat man Reserven in der Praxis, kann man das Gehalt erhöhen. Hat man keine finanziellen Reserven, muss der Lebensstandard gesenkt werden. Das Unternehmergehalt sollte auf ein separates Konto fließen, um die Finanzströme kontrollieren zu können.

Darlehensfalle:

Man unterscheidet bei einer Finanzierung zwischen endfälligen Darlehen und annuitätischen Darlehen. Während beim annuitätischen Darlehen Zins und Tilgung über eine gewisse Laufzeit geleistet werden, zahlt man beim endfälligen Darlehen nur Zinsen. Die Darlehenssumme wird am Ende auf einen Schlag getilgt. Diese spart man parallel in einem separaten Vertrag an. Das hat für den Zahnarzt den Vorteil, dass er die gleichbleibenden Schuldzinsen steuerlich absetzen und für den Finanzberater den Vorteil, dass er ein teures Finanzprodukt verkaufen kann.

Häufig wird in diesem Kontrakt mit Guthabenzinsen gerechnet, welche die Produkte nicht ansatzweise erreichen können und werden. Es entsteht eine Finanzierungslücke, die, je später sie erkannt wird, immer schwerer geschlossen werden kann. Zusätzlich ist dem Zahnarzt oft nicht klar, dass die Liquiditätsbelastung deutlich höher sein kann, als bei einem annuitätischen Darlehen. Daher sollten beide Varianten beispielhaft in der Liquiditätsplanung langfristig berechnet und verglichen werden.

Noch schlimmer ist es, wenn dieses Konstrukt im privaten Bereich eingesetzt wird, da in diesem Fall, die Sollzinsen nicht abgeschrieben werden können.

Wie ein professioneller Finanzplan vor Geld-Problemen schützt

Ein professioneller Finanzplan hilft. Bei Herrn Dr. E hat er das auf jeden Fall. Zuerst wurden die Einnahmen und Ausgaben gegeneinander gestellt. Alle Finanzprodukte kamen auf den Prüfstein. Auch die provisionsgebundenen Rentenversicherungen, die teilweise zur Rückdeckung von Krediten verwendet wurden und ein enormes Kostengrab darstellten, wurden analysiert und beendet. Ein Kontensystem half Dr. E seine Finanzströme zu entwirren und zu steuern.

Mit der Klarheit über die Finanzen durch den Finanzplan, kamen auch die Ideen, die benötigt wurden, die Insolvenz abzuwenden. Es fand eine Umschuldung statt und damit wurde freie Liquidität geschaffen. Herr Dr. E gab sich ein Unternehmergehalt, an das er sich auch heute noch hält. Es wurden finanzielle Freiräume geschaffen, um notwendige Investitionen anstoßen zu können. Die Praxis ist heute nach 4 Jahren die modernste und die rentabelste Praxis in der Region.

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Karsten Matt

Honorarberater, Bürogemeinschaft Sincereo Investments

matt@sincereo.de