Investieren im EU/EWR-Ausland: die Qual der Wahl
Dr. jur. Alex JanzenDas Investieren im Ausland verlangt von Anlegern in rechtlicher, steuerlicher, finanzmathematischer und betriebswirtschaftlicher Hinsicht einiges ab. Dr. Alex Janzen, Fachanwalt für Steuerrecht sowie für Bank- und Kapitalmarktrecht, klärt in diesem Artikel auf.
Investmentvorhaben außerhalb der Europäischen Union (EU) bzw. des europäischen Wirtschaftsraumes (EWR), aber auch Investments innerhalb der EU bzw. des EWR sollten wohl durchdacht und geplant werden.
Rechtssituation länderspezifisch eingehend prüfen
Zwar sind weite Bereiche des Investments-, Bank-, Kapitalmarkt- und Börsenrechts einzelner EU-/EWR-Staaten teilweise harmonisiert worden, gleichwohl können sich rechtliche Rahmenbedingungen von Investments in einzelnen EU-/EWR-Staaten nicht nur in Einzelfragen erheblich unterscheiden.
Zumindest komplexe und/oder größere Investments-Vorhaben sollten deshalb stets aus der Sicht des Anleger- und des Investment-Staats und ggf. auch aus der Sicht von weiteren Staaten eingehend geprüft werden.
Dieser Beitrag kann und will weder Anlage- noch Investmentberatung leisten. Es sollten hier lediglich einige rechtliche Rahmenbedingungen von Investments in der EU bzw. im EWR beleuchtet werden.
Das „magische Viereck“ von Investmentvorhaben
Bei Investmentvorhaben sprechen Fachleute vom sog. „magischen Viereck“ einer Kapitalanlage. Darunter wird regelmäßig die Sicherheit, die Rentabilität, der Liquiditätsgrad und die Steueroptimierung einer Kapitalanlage verstanden. Die Gewichtung dieser Kriterien hängt insbesondere von der Erfahrung, dem Lebensalter, den Zielen und der Investmentstrategie eines Anlegers ab.
Sicherheit beim Investieren
Die Sicherheit einer Anlage setzt sich aus einer Vielzahl von unterschiedlichen Faktoren zusammen, wobei auf der Ebene des Investmentstaats vor allem das Währungs-, Länder-, Zinsänderungs- und Steueränderungsrisiko zu beachten und in Bezug auf den Investmentschuldner insbesondere das Ausfall- und Bonitätsrisiko zu berücksichtigen sind. Auf der EU-Ebene führte die Einlagensicherungsrichtlinie der EU (Richtlinie 2014/49/EU) zum weiteren Ausbau der verpflichtenden Einlagesicherung in den Mitgliedstaaten.
Die Rentabilität von Investments
Bei der Rentabilität spielt insbesondere die Besteuerung der Investmenterträge eine zentrale Rolle. Hier ist zu berücksichtigen, dass eine solche Besteuerung auf der Ebene der EU-/EWR-Staaten nicht harmonisiert worden ist und aus diesem Grund große Unterschiede zwischen einzelnen Mitgliedstaaten bestehen können. Einzelne EU-/EWR-Staaten lassen Gewinne aus Kapitalanlagen unversteuert oder besteuern diese, je nach Art einer Kapitalanlage, vergünstigt. Gebräuchlich ist auch eine Unterscheidung zwischen den laufenden Erträgen aus Kapitalvermögen und Veräußerungsgewinnen, die steuerlich unterschiedlich behandelt werden können. Große Unterschiede können auch bei der Besteuerung von Kapitaleinkünften aus Quellen im Ausland bestehen, wobei stets auf Bestimmungen in Doppelbesteuerungsabkommen zwischen dem Investmentland und dem Ansässigkeitsstaat des Anlegers abzustellen ist.
Der Liquiditätsgrad einer Geldanlage
Der Liquiditätsgrad einzelner Anlageformen kann sehr unterschiedlich sein. Während z. B. Einlagen auf einem Giro- oder Tagesgeldkonto einer Bank hochliquide sind, sinkt der Liquiditätsgrad bei Spareinlagen oder Beteiligungen an Investmentfonds und erst recht bei unverbrieften Unternehmensbeteiligungen, Kapitallebensversicherungen, Immobilien oder Immobilienfonds erheblich.
Steueroptimierung bei Investments
Die Steueroptimierung von Kapitalanlagen kann insbesondere dadurch erfolgen, dass einerseits Steuerfreistellungen und Steuerfreibeträge im Ansässigkeitsstaat des Anlegers sowie ggf. die Reduktion von Quellensteuern im Investmentland genutzt werden und andererseits das Steuergefälle und unterschiedliche Steuersysteme einzelner Mitgliedstaaten vom Anleger zu Nutze gemacht werden.
So erheben zwar viele Mitgliedstaaten Quellensteuern auf Ausschüttungen von Dividenden an ausländische Anteilseigner von Kapitalgesellschaften. Bei einer bestimmten Beteiligungshöhe gewähren viele Doppelbesteuerungsabkommen den ausländischen Muttergesellschaften von inländischen Kapitalgesellschaften im Anwendungsbereich der sog. Mutter-Tochter-Richtlinie der EU eine Reduktion von Quellensteuern oder stellen Dividendenausschüttungen gänzlich von einer Quellensteuer frei.
Investieren mit unterschiedlicher Anlagedauer
Einzelne Anlageklassen können, je nach Anlagedauer, in kurzfristige und langfristige Anlagen eingeteilt werden. Bei kurzfristigen Anlagen sind vor allem diverse hochliquide Einlagen auf Konten von Kreditinstituten zu erwähnen. Dazu gehören Sichteinlagen auf Kontokorrent- und Girokonten sowie Tagesgeld- und Termingeldeinlagen. Während Guthaben auf Kontokorrent- und Girokonten für Berechtigte grundsätzlich jederzeit verfügbar sind, können Tagesgeldeinlagen, je nach rechtlicher Ausgestaltung, normalerweise mit einer Frist von einem Tag bis zu einem Monat gekündigt werden.
Möglichkeiten für die langfristige Geldanlage
Langfristige Anlagearten können unterschiedlichste Formen annehmen: zur besseren Übersicht beschränken wir uns hier auf die gebräuchlichsten Anlagearten, wie Aktien, Anleihen, Schuldverschreibungen im weiteren Sinne sowie Beteiligungen an Investmentfonds.
In Aktien investieren
Unter Aktien werden Anteilsscheine verstanden, die eine Aktiengesellschaft emittiert hat. Ein Aktionär ist nicht lediglich schuldrechtlich mit seiner Aktiengesellschaft verbunden, sondern ist vollwertiger Miteigentümer der Aktiengesellschaft mit entsprechenden gesetzlichen sowie statutarischen Rechten und Pflichten. Zu unterscheiden sind Stamm- und Vorzugsaktien, die eine Aktiengesellschaft emittieren kann.
Bei Stammaktien stehen dem Aktionär neben den üblichen Rechten als Miteigentümer der Aktiengesellschaft auch das Stimmrecht in der Hauptversammlung und damit das Recht zu, auf die Wahl der Organe der Aktiengesellschaft Einfluss zu nehmen.
Bei Vorzugsaktien hat ein Aktionär kein Stimmrecht, dafür aber das Recht auf eine höhere Dividende. Der Liquiditätsgrad von Aktien kann sich stark unterscheiden: bei großen börsennotierten Aktiengesellschaften kann ein Aktionär seine Aktien regelmäßig schnell auf dem Kapitalmarkt veräußern. Bei nicht börsennotierten Aktiengesellschaften kann die Situation anders sein, insbesondere wenn die Statuten der betreffenden Gesellschaft Verfügungsbeschränkungen und/oder Zustimmungserfordernisse der Organe der Aktiengesellschaft oder anderer Aktionäre bei der Veräußerung von Aktien an Dritte vorsehen.
In jedem Fall muss einem Aktionär bewusst sein, dass er als Miteigentümer unmittelbar am Wert seiner Aktiengesellschaft partizipiert und sowohl von Wertsteigerungen als auch von Wertverlusten profitiert, bis hin zum Totalverlust seiner Anlage.
In Anleihen investieren
Eine Anleihe unterscheidet sich grundlegend von einer Aktie. Der Erwerber der Anleihe wird nicht zum Miteigentümer des die Anleihe emittierten Unternehmens und erwirbt grundsätzlich auch keine anderen dinglichen Rechte in Bezug auf den Rechtsträger, der eine Anleihe emittiert. Vielmehr ist eine Anleihe eine Schuldverschreibung, die dem Erwerber der Anleihe eine Reihe von obligatorischen Rechten, insbesondere das Recht auf die Zahlung des vereinbarten Zinses und auf die Rückzahlung des überlassenen Kapitals, verleiht.
Der Kreis von Anleiheemittenten ist nicht auf Aktiengesellschaften bzw. nicht auf privatrechtlich organisierte Unternehmen beschränkt. Zu Anleiheemittenten können sowohl Staaten und andere öffentlich-rechtlich organisierte Rechtsträger als auch Kreditinstitute und andere Rechtsträger des Privatrechts gehören.
Die Laufzeit von Anleihen kann sehr unterschiedlich sein: das Angebot reicht von kurzfristigen Anleihen mit Fälligkeiten bis zu einem Jahr über mittelfristige bis hin zu langfristigen Anleihen mit Laufzeiten bis zu 30 Jahren und ggf. auch länger.
Schuldverschreibungen: eine besondere Art der Anleihe
Eine besondere Form von Anleihen stellen Schuldverschreibungen dar, welche dem Erwerber bestimmte Sonderrechte verleihen. Hierzu gehören Wandelanleihen, Optionsanleihen und Gewinnschuldverschreibungen.
Bei Wandelanleihen hat der Inhaber das Recht, die Anleihe in Aktien des die Anleihe emittierten Unternehmens umzutauschen, wobei der Umtausch nach festgelegten Anleihebedingungen in einer bestimmten Zeit und zu einem bestimmten festgelegten Kurs erfolgt. Wird die Anleihe in Aktien umgetauscht, erlischt bei einer Wandelanleihe das Recht des Anleiheinhabers auf die Rückzahlung der Anleihe.
Bei Optionsanleihen hat der Anleger ebenfalls das Recht, nach festgelegten Bestimmungen Aktien oder weitere Anleihen des emittierten Unternehmens zu erhalten. Im Unterschied zu Wandelanleihen erlischt allerdings das Recht des Inhabers einer Optionsanleihen auf die Rückzahlung der Anleihe nicht, wenn der betreffende Inhaber seine Option auf den Erwerb von Aktien oder Anleihen ausgeübt hat.
Bei Gewinnschuldverschreibungen wird deren Inhaber das Recht auf Gewinnausschüttungen der emittierenden Gesellschaft eingeräumt, die neben oder anstelle der Zinszahlungen treten können.
Tilgung und Zinszahlungen von Anleihen
Ebenso unterschiedlich sind Modalitäten der Tilgung von Anleihen und der Zinszahlung. Neben der Tilgung am Ende der Laufzeit einer Anleihe können auch sukzessive Tilgungen in Teilbeträgen während der Laufzeit sowie Mischformen zwischen der Endtilgung und Teiltilgung vereinbart werden.
In Bezug auf die Zinszahlung können festverzinsliche und variabel verzinsliche Anleihen unterschieden werden. Bei festverzinslichen Anleihen bleibt die Zinszahlung während der gesamten Laufzeit gleich, oder es werden Anleihen unter oder über dem Nennwert emittiert, wobei Zinsen regelmäßig am Ende der Laufzeit der Anleihe zusammen mit der Rückzahlung des Kapitals gezahlt werden. Bei variabel verzinslichen Anleihen können Zinsen vereinbart werden, die in periodischen Abständen steigen, ferner Zinsen, die an einen besonderen Referenzzins angebunden sind.
Beteiligungen an Investmentfonds
Das Recht der Investmentfonds ist durch Vorgaben des EU-Rechts, insbesondere durch die OGAW-Richtlinie (Richtlinie 2009/65/EG), der MiFID I- und MiFID II-Richtlinien (Richtlinie 2004/39/EG und Richtlinie 2014/65/EU) sowie durch die AIFM-Richtlinie (Richtlinie 2011/61/EU) der EU geprägt.
Zum Publikumsinvestmentvermögen gehören die Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) und alternative Investmentfonds (AIF), wobei OGAW zu offenen Publikumsfonds gezählt werden und AIF sowohl offene als auch geschlossene Publikums- sowie Spezialfonds umfassen.
Nach der Investmentstrategie können u. a. Aktienfonds, Immobilienfonds, Geldmarktfonds, Rentenfonds, Mischfonds und Dachfonds unterschieden werden. In Bezug auf die Verwendung der Erträge bzw. Gewinne können ausschüttende Fonds unterschieden werden, die in periodischen Abständen Erträge an Anleger ausschütten, und thesaurierende Fonds, die Fondsverträge akkumulieren. Bei offenen Fonds, z. B. bei offenen Immobilienfonds, ist die Anzahl der Investitionsobjekte nicht begrenzt, während bei geschlossenen Fonds nur in bestimmte Objekte investiert wird und der Kreis der Anleger regelmäßig begrenzt ist.
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