Anschlussbehandlung nach Zahn-Notfall – Indiz für einen Behandlungsfehler?
Judith MeisterOb Kirschkern im Kuchen, Sportunfall oder heftig schmerzender Abszess: Wer akute zahnmedizinische Probleme hat, braucht so schnell wie möglich Hilfe. Doch welche Anforderungen sind an die Notfall-Behandlung durch einen fremden Zahnarzt zu stellen und kann man einen Behandlungsfehler unterstellen?
In einer zahnmedizinischen Notsituation muss es schnell gehen . Einerseits, um Schmerzen zu lindern, andererseits, um bleibende Schäden für die Mundgesundheit zu verhindern. Ideal ist es natürlich, wenn ein abgebrochener Zahn oder einer akuten Entzündung direkt von jenem Zahnarzt versorgt ist, bei dem die Betroffenen auch sonst in Behandlung sind.
Die Erfahrung lehrt jedoch, dass Notfälle oft abseits der klassischen Praxisöffnungszeiten auftreten – etwa beim Sport nach Feierabend. Oder mitten in der Nacht. Stellt sich ein Patient dann mit akuten Schmerzen beim Notdienst vor, kommt es im Nachgang nicht selten zu Problemen.
Nachbesserung des Notfalls oder Routinebehandlung?
So auch im Fall eines Mannes aus Nordrhein-Westphalen, der wegen heftiger Schmerzen einen Notzahnarzt aufgesucht und von diesem eine Wurzelbehandlung erhalten hatte. Bei der Nachbehandlung durch den Stamm-Zahnarzt des Patienten stellte sich jedoch heraus, dass im Wurzelkanal Reste von Nervengewebe verblieben waren. Daraufhin bestellt der Zahnarzt seinen Patienten noch einmal ein und vollendete die Vorarbeit seines Kollegen aus dem Notdienst.
Für den Patienten war damit allerdings klar, dass die Notversorgung unsachgemäß erfolgt war und der Korrektur durch seinen Hauszahnarzt bedurfte. Er verklagte den Notzahnarzt auf Schmerzensgeld.
Gericht entscheidet zugunsten des Zahnarztes
Vor dem Amtsgericht Rheine hatte er damit keinen Erfolg. Gestützt auf die Aussage des Sachverständigen befand das Gericht vielmehr, dass die Behandlung des Notzahnarztes den allgemein anerkannten fachlichen Standards genügt habe (Az. 4 C 144/22). Bei einer akuten Schmerzbehandlung sei es nicht ungewöhnlich , dass Nervengewebe auch in möglichen Nebenverästelungen der Hauptwurzelkanäle verbleibe. Die endgültige Aufbereitung erfolge daher meistens in einer folgenden zeitlich geplanten Sitzung. Die Behandlung durch einen weiteren Zahnarzt sei daher mitnichten die Korrektur einer unsachgemäßen Behandlung, sondern vielmehr eine Behandlung, die sich üblicherweise an die Behandlung durch den Notzahnarzt anschließt.
Der Patient musste daher nicht nur auf das begehrte Schmerzensgeld verzichten, sondern stattdessen auch für die Anwaltskosten des beklagten Zahnarztes aufkommen.
Auch interessant:
Schadenersatz und Schmerzensgeld: Was Patienten im Ernstfall wirklich zusteht
Behandlungsfehler, Diagnoseirrtum, Aufklärungsfehler: Wann Zahnärzte haften