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Arbeitsrecht

Die Inzidenzen steigen, Intensivmediziner bereiten sich auf Triage-Entscheidungen vor, der RKI-Chef verliert die Fassung: Die vierte Corona-Welle hat Deutschland mit voller Wucht getroffen. Nach wie vor gibt es aber Menschen, die den Ernst der Lage nicht erkennen (wollen). Das zeigt sich nicht nur an  viel zu niedrigen Impfquote. Auch Verstöße gegen Abstandsgebote und die Maskenpflicht gehören nach wie vor zum Alltag.

Auch Arbeitgeber stehen immer wieder vor dem Problem, wie sie mit Ungeimpften und Unvorsichtigen umgehen sollen. Zwar gilt seit November die 3 G-Regel auch am Arbeitsplatz. Das schafft eine gewisse Rechtssicherheit. Fraglich bleibt jedoch, wie es sich auswirkt, wenn ein Arbeitnehmer in seiner Freizeit beharrlich gegen Abstandsgebote und sonstige Schutzmaßnahmen verstößt.

Mit einem solchen Fall hatte sich vor einiger Zeit das Arbeitsgericht Osnabrück zu befassen (Az.: 2 Ca 143/20).

Infektionsschutz: Wie weit geht die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers?

Im konkreten Fall ging es um einen Techniker, der außerordentlich fristlos gekündigt worden war. Der Mann hatte im ersten Lockdown, am 23.03.2020, ein Foto auf seinem privaten WhatsApp-Profil gepostet. Das Bild war mit dem Text „Quarantäne bei mir“ betitelt. Es zeigte ein Selfie, auf dem der Techniker mit fünf weiteren Männern auf dem Boden saß, die Karten spielten. Obwohl das Selfie erkennbar in der Freizeit aufgenommen war und keinerlei Rückschlüsse auf den Arbeitgeber erlaubte, sah dieser sich doch zum Handeln genötigt. Der Grund: Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung galten umfangreiche Kontaktbeschränkungen, private Treffen waren nur mit zwei Personen erlaubt.

Unter anderem mit Verweis darauf, dass er die restliche Belegschaft für Infektionen schützen müsse, setzte der Chef den Techniker vor die Tür. Eine weitere Zusammenarbeit sei unzumutbar, da dieser die Corona-Schutzmaßnahmen nicht ernst nehme und keinerlei Bereitschaft zeige, sich an diese zu halten. Der geschasste Mitarbeiter hingegen hielt seinen Rauswurf für rechtswidrig. Das Foto sei schon vor dem Lockdown entstanden, der Post ein Scherz gewesen – und außerdem hätte ihn sein Chef vor der Kündigung zunächst abmahnen müssen.

Die Umstände des Einzelfalles entscheiden

Das Gericht stand damit vor der schwierigen Frage, ob und wann ein außerdienstliches Verhalten eines Mitarbeiters so auf das Arbeitsverhältnis ausstrahlt, dass es eine Kündigung rechtfertigt. Im konkreten Fall musste e zwar kein Urteil sprechen, da die Parteien einen Vergleich schlossen: Der Techniker verlor zwar seinen Job, bekam aber bis Ende August weiter sein Gehalt und erhielt zudem eine Abfindung von 2000 Euro.

Grundsätzlich aber kann es Fälle geben, in denen außerdienstliche Fehltritte einen Rauswurf erlaubt. So entschied etwa das Arbeitsgericht Gelsenkirchen: Eine außerordentliche Kündigung ist gerechtfertigt, wenn ein Arbeitnehmer auf einem öffentlich zugänglichen Social Media Profil rassistische Parolen verbreitet (Az. 5 Ca 1444/15). Gleiches gilt, wenn ein Mitarbeiter mit seinem privaten Verhalten dem Ruf des Unternehmens schadet, Geschäfte vereitelt oder den Betriebsfrieden stört (vgl. etwa LAG Köln, Az. 9 (7) Sa 668/05).

In allen Fällen – und damit auch bei Verstößen gegen COVID-19-Schutzmaßnahmen – müssen jedoch die Besonderheiten des Einzelfalles beachtet werden. Statt (fristlos) zu kündigen, müssen Arbeitgeber meist erst ein milderes Mittel ergreifen – zum Beispiel, indem sie eine Abmahnung aussprechen.