Sonderurlaub: Wann Arbeitnehmern die bezahlte Extra-Auszeit zusteht
Judith MeisterManche Dinge im Leben sind wichtiger als die Praxis. Doch nicht immer müssen Vorgesetzte ihre Mitarbeiter deshalb bezahlt von der Arbeit freistellen. Was Zahnärzte und ihre Mitarbeiter zum Thema Sonderurlaub wissen müssen.
Urlaub definieren Juristen wenig klangvoll als „bezahlte Freizeit, die der Wiederherstellung und Erhaltung der Arbeitskraft des Arbeitnehmers dienen soll.“ Damit allerdings ist nur der sogenannte Erholungsurlaub gemeint. In besonderen Situationen können Praxismitarbeiter von ihrem Arbeitgeber auch Sonderurlaub verlangen.
Was ist der Unterschied zwischen Sonderurlaub und Erholungsurlaub?
Sonderurlaub ist eine besondere Form des Urlaubs. Er dient, anders als der Jahresurlaub, nicht der Erholung, sondern steht Arbeitnehmern bei bestimmten freudigen oder traurigen Anlässen zu. Sonderurlaub bekommen Arbeitnehmer nur, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, und zwar immer zusätzlich zum Jahresurlaub.
Eine Gemeinsamkeit haben allerdings beide Urlaubsvarianten: Sie stellen eine Ausnahme von der vielleicht wichtigsten Regel des Arbeitsrechts dar. Sie lautet: „Ohne Arbeit kein Lohn“. Denn sowohl während des Erholungs- als auch während des Sonderurlaubs muss der Praxischef seinen Mitarbeitern ihr reguläres Gehalt zahlen.
Wie viel Erholungsurlaub bekommt ein Arbeitnehmer?
Wie viel Erholungsurlaub einem Mitarbeiter zusteht, bestimmt der Arbeitsvertrag. Die Mindestzahl der vorgeschriebenen Urlaubstage regelt das Bundesurlaubsgesetz.
Wer hat Anspruch auf Sonderurlaub?
Anspruch auf Sonderurlaub haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, wenn es entweder eine gesetzliche oder vertragliche Grundlage gibt oder in der Praxis eine sogenannte betriebliche Übung besteht. Letzteres ist der Fall, wenn es sich in der Praxis über die Jahre eingebürgert hat, dass Teammitglieder bei bestimmten Anlässen freibekommen.
Hat also der Praxischef seinen ZFA zum zehnjährigen Dienstjubiläum schon immer Sonderurlaub gewährt, dürfen verdiente Mitarbeiter auch in Zukunft dieses Entgegenkommen einfordern. Das gilt zumindest dann, wenn der Zahnarzt den Sonderurlaub vorbehaltlos gewährt hat. Dann nämlich, so die Rechtsprechung, dürften Arbeitnehmer darauf vertrauen, ihr Arbeitgeber wolle sich auch für die Zukunft binden („betriebliche Übung“). Ein solcher Vertrauenstatbestand entsteht schon nach dreimaliger Gewährung, es sei denn, der Arbeitgeber schließt jedes Mal ausdrücklich einen Bindungswillen für die Zukunft aus (Az.: 10 AZR 281/08).
Gibt es einen gesetzlichen Anspruch auf Sonderurlaub?
Das Gesetz nennt konkrete Ereignisse, wann ein Arbeitnehmer Sonderurlaub beanspruchen kann. Eine wichtige Regelung ist zum Beispiel § 629 BGB. Danach kann ein Mitarbeiter Sonderurlaub für Bewerbungsgespräche verlangen, wenn sein Arbeitsverhältnis bereits gekündigt ist oder der Zeitvertrag ausläuft.
In den meisten Fällen lässt sich ein Anspruch auf Sonderurlaub aber nur aus der schwammigen Regelung des § 616 BGB ableiten. Danach steht Arbeitnehmern bezahlter Sonderurlaub zu, wenn sie
- unverschuldet,
- vorübergehend und
- aus persönlichen Gründen ihre Arbeitsleistung nicht erbringen können.
Durch diese offene Formulierung sind diverse Konstellationen denkbar, bei denen bezahlter Sonderurlaub zu gewähren ist. Praxisinhaber, die das nicht möchten, sollten die Anwendung des § 616 BGB daher im Arbeitsvertrag ausschließen. Wer das nicht tut, muss zumindest wissen, welche Klassiker des bezahlten Sonderurlaubs sich in der Praxis inzwischen etabliert haben.
Zu welchen Anlässen gibt es Sonderurlaub?
- Todesfall in der Familie: Bezahlter Sonderurlaub steht Praxismitarbeitern immer dann zu, wenn ein enger Verwandter gestorben ist. Wer seine Eltern oder den Ehe- bzw. Lebenspartner verliert, kann daher erwarten, dass der Chef ihm einen bezahlten Urlaubstag am Todestag selbst gewährt. Und einen zweiten Urlaubstag am Tag zur Beerdigung.
- Geburt eines Kindes: Für Mütter stellt sich die Frage noch Sonderurlaub in diesem Fall nicht. Sie sind ohnehin im Mutterschutz. Für Väter kann es im Einzelfall allerdings schwierig sein, für die Geburt unbezahlten Sonderurlaub zu bekommen. Während bei verheirateten Eltern unstreitig ein Anspruch aus§ 616 BGB besteht, sind ledige Väter auf das Entgegenkommen ihres Chefs angewiesen. Denn auch wenn es aus der Zeit gefallen wirkt, hat die Rechtsprechung den Vätern nicht ehelicher Kinder Sonderurlaub nach § 616 BGB bereits verwehrt.
- Hochzeit: Heiraten lohnt sich aus urlaubsrechtlicher Sicht auch deshalb, weil angehenden Eheleuten für den Tag der Hochzeit ein Tag unbezahlter Sonderurlaub zusteht.
- Notfall zu Hause: Die meisten Handwerker zeichnen sich nicht durch Pünktlichkeit aus. Dennoch dürfen Arbeitnehmer wegen eines Termins mit dem Schreiner, Klempner oder Fliesenleger keinen Sonderurlaub verlangen. Ausnahmen bestehen in Notfällen, die sofortiges Handeln erfordern, etwa bei einem Wasserrohrbruch.
- Krankes Kind: Arbeitnehmer, die sich um ihren kranken Nachwuchs kümmern wollen, haben nach § 616 BGB unter folgenden Voraussetzungen Anspruch auf bezahlte Freistellung.
- Das Kind ist so krank, dass es Pflege braucht.
- Es liegt ein ärztliches Attest vor, das das bestätigt.
- Die Pflege lässt sich nicht durch Verwandte oder Freunde sicherstellen.
- Das Kind ist nicht älter als acht Jahre (oder es gibt, bei älteren Kindern, einen besonderen Grund, warum es Betreuung braucht).
- Das Kind lebt im Haushalt des Praxismitarbeiters oder der Praxismitarbeiterin.
Liegen diese Voraussetzungen, hat der Arbeitnehmer für einen Zeitraum von bis zu fünf Arbeitstagen Anspruch auf bezahlte Freistellung, um seinen kranken Nachwuchs zu pflegen.
Lässt sich verpasster Sonderurlaub nachholen?
Nein. Ist das Ereignis verstrichen, ohne dass ein Praxismitarbeiter den ihm zustehenden Sonderurlaub genommen hat, ist der Anspruch unwiederbringlich verloren.