Wirtschaftsnachrichten für Zahnärzte | DENTAL & WIRTSCHAFT
Recht & Steuern
Inhaltsverzeichnis

Aufgrund der gestiegenen Anzahl von investorenbetriebenen Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) und größeren Mehrbehandlerpraxen herrscht mittlerweile ein starker Verdrängungswettbewerb bei Zahnärzten in den Ballungszentren. Einzelpraxen sind immer weniger wettbewerbsfähig. Dies hat verschieden Gründe, zum einen, weil häufig nicht die unternehmerische Führung der Praxis, sondern die Patientenversorgung im Fokus steht. Zum anderen erfordern Selbstzahlerleistungen eine umfangreiche medizinische Praxisausstattung mit Spezialisten, die sich Einzelpraxen immer weniger leisten können.

Auch ist die Praxisnachfolge, gerade für Einzelpraxen und in ländlichen Gebieten, nicht mehr gesichert. Denn junge Zahnärzte entscheiden sich eher für die Anstellung als die eigene Praxisniederlassung. Da bei vielen Praxisfinanzierungen noch ein hoher Praxiskauferlös einkalkuliert wurde, der heute nicht mehr gezahlt wird, ist eine finanzielle Deckungslücke entstanden, die zu einer Liquiditätskrise führen kann.

Eine drastische finanzielle Liquiditätskrise tritt aber nicht nur wegen der fehlenden Praxisnachfolge oder dem verstärkten Wettbewerb ein, sondern auch wegen:

  • zu hohen Privatentnahmen des Inhabers,

  • Regressen seitens der gesetzlichen Krankenkassen,

  • unrentablen Praxiserweiterungen,

  • Gesellschafterstreitigkeiten,

  • Krankheit oder

  • durch Gesetzesänderungen.

So führte die Verabschiedung des Finanzstabilisierungsgesetzes im Oktober 2022 zur Rückkehr der strikten Budgetierung zahnärztlicher Leistungen im GKV-Sachleistungssystem. Erbrachte zahnmedizinisch notwendige Leistungen werden nach Erreichen der Budgetgrenzen nicht zur Auszahlung gelangen. Einbehalte auf Honorarbescheiden in Höhe von 4- bis 5-stelligen Beträgen waren im Jahr 2023 keine Seltenheit. Wenn der Inhaber auf solche neuen gesetzlichen Regelungen nicht rechtzeitig reagiert, ist eine Praxisschieflage vorprogrammiert. Zahnarztpraxen die bereits vor der Budgetierung in einer Liquiditätskrise steckten, rutschten teilweise in die (drohende) Zahlungsunfähigkeit.

Durch Vergleichsverhandlungen und Verzichte ist in diesen Situationen eine außergerichtliche Sanierung zwar möglich. Jedoch ist bei hohen Honorareinbehalten eine Einigung mit den Gläubigern nicht immer erfolgreich, weil die Fixkosten über einen längeren Zeitraum vom Praxisinhaber nicht oder nur teilweise bedient werden können. Das finanzielle Risiko kann und möchte nicht jeder Gläubiger eingehen.

Für die Gläubigerverhandlungen sind Berater mit besonderen Fähigkeiten im Sanierungs- und Steuerrecht notwendig, die die Sanierungsinstrumente in und außerhalb der Insolvenz für Heilberufe sicher anwenden können sowie über das nötige Verhandlungsgeschick verfügen.

Um eine drohende Zahlungsunfähigkeit zu überwinden empfehlen wir in der Regel die folgenden fünf Optionen:

Top 1: Außergerichtliche Sanierung, auch mittels der Instrumente des neuen StaRUG

Im ersten Schritt werden bei einer Krise außergerichtliche Gläubigerverhandlungen geführt. Bei „kleinen“ Krisen helfen bereits Tilgungsaussetzungen für die betrieblichen Darlehen und Stundungs- bzw. Ratenzahlungsvereinbarungen. Gleichzeitig werden notwendige betriebliche Maßnahmen (Abrechnungsoptimierung, Marketingmaßnahmen, Controlling usw.) umgesetzt, um die Fortführungsfähigkeit der Praxis wiederherzustellen. Wenn die betrieblichen Maßnahmen nicht schnell genug greifen und/oder (einzelne) Gläubiger die vorgeschlagenen Sanierungsmaßnahmen ablehnen, kann ein neues außergerichtliches Sanierungsinstrument, das StaRUG, Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen, eingesetzt werden. Dies kann angewendet werden, wenn das Unternehmen bereits drohend zahlungsunfähig im Sinne des § 18 InsO, aber noch nicht zahlungsunfähig oder überschuldet im Sinne der §§ 17, 19 InsO ist. Bestandsfähige Unternehmen sollen in einer Liquiditätskrise frühzeitige Restrukturierungsmöglichkeiten erhalten.

Zentrales Element der Sanierung ist der sog. Restrukturierungsplan, mit dem der Schuldner seinen Gläubigern einen Vorschlag für eine Regulierung seiner Verbindlichkeiten unterbreiten kann. Dieser kann beispielsweise Stundungen oder Schuldenerlasse durch die Gläubiger vorsehen, um die Erhaltung des Unternehmens zu gewährleisten. Die Gläubiger erwarten im Rahmen eines Vergleichs eine höhere Befriedigungsquote als im Regelinsolvenzverfahren. Diese wird häufig durch eine Einmalzahlung von Familienangehörigen erzielt. Der Plan kann mit der Mehrheit der Gläubiger beschlossen werden, mithin kann die Minderheit der „unwilligen“ Gläubiger überstimmt werden.

Nach Ausschöpfung aller außergerichtlichen Maßnahmen ist eine sorgfältige Planung aller Optionen im Insolvenzverfahren wichtig.

In der Insolvenz wird nach Verfahrenseröffnung eine Verwertungsphase durchgeführt, der sich eine Wohlverhaltensperiode von bis zu sechs Jahren nach Eröffnung der Insolvenz anschließt, sofern die Insolvenz nicht vorab zum Abschluss gelangt. Der Inhaber kann seine freiberufliche Tätigkeit in eigener Praxis beenden oder fortsetzen. Manche Inhaber möchten die Praxis einfach nur abwickeln. Der Zahnarzt, der seine freiberufliche Tätigkeit aber nicht beenden möchte, sollte die Risken der Praxisfortführung genau abwägen und einen schnellen aber sicheren Weg aus der Insolvenz wählen.

TOP 2: Das Insolvenzplanverfahren

Das Insolvenzplanverfahren bietet nach unserer Erfahrung eine gute Möglichkeit -insbesondere bei Vorhandensein entsprechender finanzieller Mittel von Dritten- sich schnell aus der Insolvenz zu befreien, auch wenn das Sanierungsinstrument bis heute selten angewendet wird.

Dieses Verfahren ist sinnvoll bei bereits eingetretener Zahlungsunfähigkeit und ausschöpfen aller außergerichtlichen Einigungsmöglichkeiten. Ein Insolvenzplanverfahren ist im Ergebnis ein Vergleichsvorschlag innerhalb des bereits stattfindenden Insolvenzverfahrens, der unter Aufsicht des Gerichts und Beteiligung des Insolvenzverwalters nach einem formal strengen Verfahrensplan den Gläubigern unterbreitet wird. Wie auch bei der außergerichtlichen Einigung mittels StaRUG ist eine höhere Befriedigungsquote für die Gläubiger in der Regel erforderlich.

Wenn die Mehrheit der Gläubiger mit dem Plan einverstanden ist, kann die Sanierung innerhalb der Insolvenz umgesetzt werden. Anders als in der außergerichtlichen Sanierung kann die Minderheit der Gläubiger also überstimmt werden. Sobald der Mehrheitsbeschluss vorliegt, kann der Insolvenzplan innerhalb eines kurzen Zeitraums zu einer Entschuldung des Inhabers führen. Voraussetzung ist, dass die im Plan ausgehandelten Vergleichsbeträge quotal an alle Gläubiger und die Verfahrenskosten vom Inhaber ausgeglichen werden. Ist der Plan in allen Einzelheiten abgearbeitet, hebt das Insolvenzgericht das Verfahren auf und der Inhaber ist wirtschaftlich frei.

TOP 3: Eigenverwaltung in der Insolvenz

Auf ausdrücklichen Antrag des Inhabers ist eine Eigenverwaltung in der Insolvenz möglich, wenn keine Umstände bekannt sind, die erwarten lassen, dass die Anordnung nicht zu Nachteilen der Gläubiger führen wird. Das Gericht bestellt einen Gutachter, der die Eröffnungsfähigkeit prüft. Wenn die Voraussetzungen vorliegen (kein Nachteil für die Gläubiger, Deckung der Verfahrenskosten durch die Masse) ernennt das Gericht bei Anordnung der Eigenverwaltung den Gutachter zum Sachwalter. Dieser kontrolliert und überwacht u. a. die Geschäftsführung. Der Gläubigerausschuss verfügt ebenfalls über Kontrollrechte.

Die Vorteile der Eigenverwaltung liegen für den Inhaber darin, dass die Insolvenz für die Patienten kaum spürbar ist. Ferner bestehen verkürzte Kündigungsfristen, die eine Sanierung der Zahnarztpraxis erleichtern. Bereits mit Einreichen des Insolvenzantrags kann auf Antrag des Schuldners eine vorläufige Eigenverwaltung angeordnet werden. Somit können die Vorteile der Eigenverwaltung bereits im Zeitraum zwischen dem Eingang des Insolvenzantrags und der Eröffnung des Insolvenzverfahrens dem Inhaber gewährt werden.

Die Eigenverwaltung ist nach unserer Erfahrung nur dann sinnvoll, wenn sichergestellt werden kann, dass die Praxis den mit dem Sachwalter festgelegten Betrag erwirtschaften und in die Masse abführen kann. Der Inhaber haftet für die finanziellen Folgen der Praxisfortführung, deshalb sollten Neuverschuldungen vermieden werden.

TOP 4: Fortführung der Praxis im Insolvenzverfahren

Bei einer Fortführung der Praxis durch den Insolvenzverwalter ist der Schuldner stärker unternehmerisch eingeschränkt und das Verfahren läuft nicht mehr geräuschlos, weil die Verfügungsgewalt beim Insolvenzverwalter liegt. Dem Insolvenzverwalter verbleiben für die Masse bis zum Abschluss der Insolvenz, die mit Abschluss der Verwertung des Vermögens des Schuldners erreicht ist, die Einnahmen aus der Praxis mit Ausnahme der dem Inhaber zustehenden Beträge. Der Inhaber kann versuchen eine vorgezogene Restschuldbefreiung durch eine vorzeitige Entschuldung auf drei oder fünf Jahre zu erreichen. Voraussetzung ist, dass er 35 Prozent der Schulden und die Verfahrenskosten beglichen hat.

TOP 5: Freigabe der selbstständigen Tätigkeit im Insolvenzverfahren

Der Insolvenzverwalter muss bei einer beabsichtigten Praxisfortführung die Entscheidung treffen, ob die Praxis mit dem Inhaber gemeinsam fortgeführt werden soll oder freigegeben wird und somit nicht mehr zur Insolvenzmasse gehört.

Eine Freigabe erfolgt häufig dann, wenn ein Überschuss der Einkünfte durch die Praxisfortführung für den Insolvenzverwalter weder sehr wahrscheinlich ist noch eine schnelle übertragende Sanierung erfolgen kann. Entscheidet sich der Insolvenzverwalter für eine Freigabe der Praxis, so hat er dies gegenüber dem Inhaber sowie dem Insolvenzgericht anzuzeigen. Hinsichtlich der Wirksamkeit der Erklärung wird diese bereits mit Zugang beim Inhaber verwirklicht. Die Insolvenzmasse haftet dann für die zukünftigen Verbindlichkeiten nicht mehr. Die Erklärung kann auch rückwirkend auf die Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgeben werden.

Nach Freigabe kann der Inhaber wieder über die Vermögenswerte der Praxis verfügen, die nach der Freigabe erwirtschaftet worden sind. Der Insolvenzverwalter hat aber über alle Vermögensgegenstände der Praxis die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis die zum Zeitpunkt der Freigabe bereits bestand. Der Inhaber und der Insolvenzverwalter können somit die Praxis und alle dazugehörigen Vermögenswerte des Anlage- und Umlaufvermögens in der Regel nur gemeinsam veräußern und den Erlös anteilig aufteilen.

Es empfiehlt sich deshalb klare Vereinbarungen über die Freigabebedingungen zu treffen, damit die Verteilung des Erlöses vor dem Praxisverkauf verbindlich geregelt ist. Auch bei einer Fortführung der Praxis sollten klare Freigabebedingungen mit dem Insolvenzverwalter verhandelt werden. Denn der Inhaber geht bei der Fortführung erneut wirtschaftliche Risiken ein, die Rahmenbedingungen sollten daher verbindlich festgehalten werden.

Dies betrifft insbesondere das pfändbare Einkommen des Praxisinhabers aus seiner weiteren beruflichen Tätigkeit. Der Inhaber muss nach Freigabe und Fortführung der Praxis das fiktive pfändbare Einkommen abführen, welches er bei einer seiner Qualifikation entsprechenden Tätigkeit als Angestellter erzielen würde. Es kommt daher nicht auf den erzielten Praxisgewinn an, sondern auf das fiktive Einkommen bei einer adäquaten angestellten Tätigkeit als Zahnarzt. Wenn das fiktive Einkommen zu hoch angesetzt wird, kann die Fortführung zu einer neuen Verschuldung führen. Eine betriebswirtschaftliche Planung und enge Abstimmung mit dem Insolvenzverwalter sind deshalb empfehlenswert.

Handlungsempfehlungen um die Insolvenz zu vermeiden:

• Regelmäßiges Controlling

Eine Sanierung sollte immer frühzeitig erfolgen. Dies ist aber nur möglich, wenn Krisenanzeichen überhaupt rechtzeitig erkannt werden können. Gemeinsam mit Ihrer Steuerkanzlei sollten Krisenanzeichen besprochen und ein Frühwarnsystem implementiert werden. Es sollte u.a. eine Offene-Posten-Liste (OPOS) geführt werden und die Einführung von Kostenstellen und Controlling-Kennzahlen geprüft und umgesetzt werden. Die betriebswirtschaftlichen Auswertungen sollten monatlich erstellt und gemeinsam mit dem Berater ausgewertet werden. Wichtig ist, dass gemeinsam mit dem Berater auf Änderungen im Honorarverteilungsmaßstab rechtzeitig reagiert wird und die Honorarbescheide ausgewertet werden.

• Prüfung der zahnärztlichen Abrechnungen

Die zahnärztlichen Abrechnungen sollten durch den Inhaber und externe Spezialisten geprüft bzw. das eigene Personal sollte regelmäßig in diesem Bereich fortgebildet werden, um Regresse zu vermeiden.

• Der Notfallkoffer

Die Geschäftsunfähigkeit des Praxisinhabers kann plötzlich und ohne Vorwarnung durch Unfall oder Krankheit eintreten. Für die Fortführung der Praxis sind Handlungsvollmachten für nahe Angehörige oder sonstige Vertrauenspersonen erforderlich, die durch den Notar auch beglaubigt werden sollten. Ein „Notfallkoffer“ mit allen Vollmachten, Kennwörtern und Unterlagen für die Praxisfortführung sollte jederzeit bereitstehen.

• Privatvermögen vor dem Zugriff der Gläubiger schützen

Das Privatvermögen kann vor dem Zugriff der Gläubiger auch bei einer Praxis ohne die Rechtsform einer GmbH teilweise geschützt werden. Auch ist es wichtig, dass Partner die Kreditverträge nicht mitunterzeichnen oder für die Praxisverbindlichkeiten bürgen.

• Sanierungsinstrumente frühzeitig anwenden

Bei drohender Zahlungsunfähigkeit sollte der Inhaber auf seine Gläubiger aktiv zugehen und transparent die Liquiditätskrise schildern sowie geeignete Sanierungsoptionen darstellen. Dabei sollten keine Versprechungen gemacht werden, die nicht eingehalten werden können. Die Instrumente des StaRUG sollten bereits bei den ersten Krisenanzeichen frühzeitig geprüft werden. Dieses Sanierungsinstrument kann nur bei einer drohenden Zahlungsunfähigkeit genutzt werden. Falls ein Insolvenzantrag nicht mehr vermeidbar ist, sollte das gerichtliche Insolvenzverfahren durch einen erfahrenen Berater bereits vor der Insolvenzantragstellung gut vorbereitet werden.

Eine geräuschlose Sanierung ist nach unserer Erfahrung bei einer guten Vorbereitung sowohl außerhalb als auch in einem gerichtlichen Insolvenzverfahren möglich. Wir konnten gemeinsam mit unseren Mandanten im und außerhalb des Insolvenzverfahrens erfolgreiche Gläubigervergleiche schließen und die Praxen erhalten bzw. auf Wunsch des Mandanten übertragen.

Katharina Lieben-Obholzer

Katharina Lieben-Obholzer

Rechtsanwältin und Gründerin, Kanzlei für Medizin und Wirtschaft

info@medizinrecht-aerzte.com