Entgeltgleichheit auch in der Zahnarztpraxis
D&W RedaktionDiskriminierung wegen des Geschlechts ist verboten – auch, wenn es um das Gehalt geht. Ob jemand geschickter verhandelt, spielt dabei keine Rolle. Rechtsanwältin Nadine Ettling* über ein entsprechendes Urteil und die Entgeltgleichheit in der Zahnarztpraxis.
Das Gebot der Entgeltgleichheit als Maßnahme gegen den Gender Pay Gap, also gegen das geschlechtsspezifische Lohngefälle, ist nicht neu. Der Grundsatz der Entgeltgleichheit wurde von der Rechtsprechung zunächst aus Art. 3 III Grundgesetz hergeleitet und ergibt sich daneben auch aus den europarechtlichen Vorgaben.
Regelungen zur Entgeltgleichheit
Auch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz setzt ein Entgeltgleichheitsgebot voraus. Keine dieser Regelungen gab ungleich behandelten Arbeitnehmern jedoch einen konkreten Anspruch auf Gleichbehandlung.
Erst mit Inkrafttreten des Entgelttransparenzgesetzes im Jahr 2017 wurde schließlich dort in § 7
EntgTranspG ausdrücklich ein Entgeltgleichheitsgebot für Männer und Frauen gesetzlich normiert, dessen Einhaltung und Überwachung durch konkret geregelte Auskunftsansprüche und Prüfverfahren gewährleistet werden soll.
Entgeltgleichheit von Frauen und Männern: das Urteil
Mit Urteil vom 16.02.2023 (Az. 8 AZR 450/21) hat das Bundesarbeitsgericht nun auf Basis der dargestellten Regelungen entschieden, dass eine Frau Anspruch auf gleiches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeit hat, wenn der Arbeitgeber männlichen Kollegen ein höheres Entgelt zahlt. Irrelevant ist dabei, ob der männliche Arbeitnehmer zu Beginn des Arbeitsverhältnisses besser verhandelt hat.
Die Klägerin war, wie auch zwei männliche Kollegen, als Außendienstmitarbeiterin im Vertrieb beschäftigt. Einer der Kollegen hatte fast zeitgleich mit ihr beim beklagten Arbeitgeber angefangen. Das Grundentgelt der Klägerin betrug anfangs 3.500 Euro brutto, das Gehalt des Kollegen rund 1.000 Euro mehr. Die Begründung des Arbeitgebers: Der männliche Kollege sei nur zu diesem Gehalt zum Abschluss des Arbeitsvertrags bereit gewesen und er sei im Übrigen auch Nachfolger einer höher bezahlten Angestellten gewesen. Hiergegen wandte sich die Klägerin mit dem Anspruch, ein Gehalt in gleicher Höhe wie der besser bezahlte Kollege zu erhalten.
Die Entscheidung: Geschicktes Verhandeln ist kein Argument
Das Arbeitsgericht gab ihr Recht und fand, die Klägerin sei aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt worden. Denn sie habe, obgleich sie und der männliche Kollege gleiche Arbeit verrichteten, ein niedrigeres Grundentgelt erhalten als der männliche Kollege. Dies begründe die Vermutung, dass die Benachteiligung aufgrund des Geschlechts erfolgt sei. Dem Arbeitgeber sei es nicht gelungen, diese Vermutung zu widerlegen.
Praktisch relevant ist das Urteil nun vor allem deshalb, weil das Gericht festhielt, dass der Arbeitgeber sich nicht darauf berufen könne, dass das höhere Grundentgelt des männlichen Kollegen darauf beruhe, dass dieser individuell ein höheres Entgelt ausgehandelt habe. Auch die Erklärung, der männliche Arbeitnehmer sei einer besser vergüteten, ausgeschiedenen Arbeitnehmerin nachgefolgt, ließ das Gericht nicht gelten. Es sprach der Klägerin eine ausgleichende Entschädigungszahlung wegen der erfolgten
Ungleichbehandlung zu.
Entgeltgleichheit: Bedeutung für Zahnärzte als Arbeitgeber
Der Rahmen für frei ausgehandelte Gehälter ist damit auch für Zahnärzte kleiner geworden. Weichen die Vergütungshöhen voneinander ab, werden Arbeitgeber grundsätzlich der Vermutung der Diskriminierung begegnen müssen. Dies allerdings nur dann, wenn Mitarbeitende überhaupt Vergleichsgehälter benennen können. Hier hilft Zahnärzten § 12 EntgTranspG: Er setzt für einen Auskunftsanspruch einen Betrieb mit mehr als 200 Mitarbeitern voraus. Nicht ausgeschlossen ist dabei, dass Arbeitnehmende
auf anderem Wege Kenntnis von den in der Praxis gezahlten Gehältern erlangen.
Im Ergebnis sollten Zahnärzte bei Gehaltsabweichungen sachliche Gründe dokumentieren und langfristig über die Implementierung einheitlicher und transparenter Vergütungssysteme nachdenken. So schaffen sie auch in diesem Punkt von vornherein Rechtssicherheit und erhalten und stärken – unabhängig vom Verhandlungsgeschick – die Motivation der Mitarbeitenden.
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Unsere Autorin:
* Nadine Ettling ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Medizinrecht bei Lyck+Pätzold healthcare.recht. Sie steht (Zahn-)Ärzten bei allen Fragen zu medizinrechtlichen Ansprüchen zur Seite. Sie berät und begleitet bei beruflichen Veränderungen und bei arbeitsrechtlichen und gesellschaftsrechtlichen Herausforderungen. Weitere Informationen unter: www.medizinanwaelte.de, ettling@medizinanwaelte.de