Haftungsrecht: unterschätzte Tücken beim Wirtschaftlichkeitsgebot
Judith MeisterWer das Wirtschaftlichkeitsgebot missachtet, riskiert Honorarrückforderungen. Doch auch wenn Zahnärzte sich bei Kassenpatienten stets an die Vorgaben des Wirtschaftlichkeitsgebots halten, riskieren sie negative Konsequenzen.
Zahnärzte sind auf dem Papier zwar Freiberufler. Gerade, wenn sie an der vertragszahnärztlichen Versorgung teilnehmen, unterliegen sie jedoch einer Fülle von – zum Teil widersprüchlichen – Regelungen. Das gilt vor allem in dem klassischen Konflikt zwischen der Pflicht, zahnmedizinische Standards zu wahren und gleichzeitig wirtschaftlich im Sinne des SGB V zu arbeiten.
Vielfältige Kontrollen des Wirtschaftlichkeitsgebots
Um Letzteres sicherzustellen, prüft die KZV im Rahmen von Wirtschaftlichkeitsprüfungen regelmäßig, ob die (korrekt abrechneten) Leistungen eines Zahnarztes den Vorgaben der gesetzlichen Krankenversicherung entsprechen. Denn Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen und dürfen Zahnärzte nicht erbringen (SGB 5 Gesetzliche Krankenversicherung §12).
Behandlungsfehler bei Unterlassen nicht vergütungsfähiger Kassenleistungen
Dieser Grundsatz gilt jedoch nur im Hinblick auf die gesetzlichen Krankenkassen. Denn gehört eine bestimmte zahnärztliche Behandlung zum fachlichen Standard, darf der Zahnarzt die Leistung auch dann nicht unterlassen, wenn AOK & Co. die Kosten dafür nicht übernehmen. Vielmehr muss er die gebotene Behandlung dann auf privatärztlicher Basis erbringen und abrechnen. Unterlässt ein Zahnarzt die entsprechende Aufklärung sowie die Durchführung der nach zahnmedizinischem Standard erforderlichen Maßnahme, macht er sich haftbar. Das belegt ein Urteil des OLG München (Az. 3 U 5039/13).
Im konkreten Fall war nach einer mangelhaften Brückenversorgung bei einem Patienten eine bis dahin kompensierte Craniomandibuläre Dysfunktion (CMD) aufgetreten. Das OLG München befand, dass der Zahnarzt vor der Eingliederung von Zahnersatz eine funktionelle Befunderhebung – das sogenannte Screening – als Bestandteil zahnärztlichen Standards hätte durchführen müssen.
Im Rahmen eines solchen Screenings wird überprüft, ob die Mundöffnung asymmetrisch bzw. eingeschränkt ist, ob es Kiefergelenkgeräusche gibt, ob die Muskulatur tastempfindlich ist und ob die Seitwärtsbewegung des Kiefergelenks traumatisch ist. Bei zwei oder mehr positiven Befunden sei vom Vorliegen einer CMD auszugehen, was vor Einleitung der Behandlung eine differenzierte Funktionsanalyse erforderlich mache.
Keine Entbindung notwendiger Behandlungsschritte
Die Tatsache, dass diese Maßnahme in der vertragszahnärztlichen Versorgung nicht vergütet werde, entbinde den behandelnden Zahnarzt nicht von der Pflicht, das Screening dennoch durchzuführen. Das Unterlassen des gebotenen Screenings vor Beginn der Eingliederung von zwei Brücken sei daher als Befunderhebungsfehler zu werten, für den der Zahnarzt haftbar sei.
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