Wirtschaftsnachrichten für Zahnärzte | DENTAL & WIRTSCHAFT
Haftungsrecht

Zahnmedizinische Standards sind kein Selbstzweck, sondern sollen die bestmögliche Versorgung von Patienten sicherstellen – auch, um gesundheitliche Schäden durch Fehlbehandlungen verhindern. Zugleich löst nicht jeder Fehler eines Zahnarztes automatisch Ersatzansprüche von Patienten aus.

Diese Erfahrung machte vor Kurzem auch eine Patientin aus Nordrhein-Westfalen. Sie hatte ihren Zahnarzt auf Schadenersatz und Schmerzensgeld verklagt. Ihr Argument: Er habe beim Einsetzen mehrerer Implantate im Oberkiefer nicht den zahnmedizinischen Standard eingehalten. Insbesondere warf sie dem Zahnarzt zahlreiche, zum Teil schwere Behandlungsfehler vor, darunter die fehlerhafte Insertion der Implantate sowie schlechtsitzende Provisorien.

Verstoß gegen zahnärztliche Behandlungsregeln beim Zahnarzt nachgewiesen

Nach Auffassung eines vom Oberlandesgericht (OLG) Köln bestellten Sachverständigen liefen diese Vorwürfe allerdings größtenteils ins Leere. An einer Stelle allerdings gab der Gutachter – und im Nachgang auch das Gericht – der Patientin Recht: Die Tatsache, dass der Zahnarzt das Implantat im Bereich des Zahnes 24 nach Abnahme des Aufbauteils (Abutments) nicht mit einer Abdeckschraube versehen hatte, verstoße eindeutig gegen bewährte zahnärztliche Behandlungsregeln und sei daher tatsächlich als grober Behandlungsfehler zu werten.

Grober Behandlungsfehler ohne Folgen: kein Anspruch auf Schadenersatz

Die Tatsache, dass ein Zahnarzt einen (schweren) Fehler begangen hat, reicht für sich alleine allerdings nicht aus, damit ein Patient Schadensersatz oder Schmerzensgeld beanspruchen kann. Vielmehr muss besagter Fehler zu einer Gesundheitsschädigung des Patienten führen.

Im konkreten Fall hatte die Frau zwar behauptet, dass sich wegen der fehlenden Abdeckung eine Fistel im Bereich des Zahns 24 entwickelt hatte. Aus Sicht des Sachverständigen ging die Wahrscheinlichkeit, dass die fehlende Abdeckschraube die später aufgetretene Entzündung nebst Fistel ausgelöst hatte, allerdings gegen Null.

Abdeckschrauben würden lediglich verwendet, um das Einwachsen von Gewebe in den Hohlkörper des Implantats zu verhindern. Dass Keime eindringen und sich daraus resultierend Infektionen bilden, sei dadurch hingegen nicht abzuwenden (OLG Köln, Az.: 5 U 151/22).

Ohne Schaden kein Schadenersatz für Patienten

Das Urteil räumt mit dem weit verbreiteten Irrglauben auf, dass ein (grober) Behandlungsfehler automatisch einen Schadensersatzanspruch auslöst. Entscheidend sind vielmehr der Nachweis eines Kausalzusammenhangs zwischen Fehler und Schaden und der sogenannte Schutzzweckzusammenhang. Dabei geht es um Folgendes: Um ein bestimmtes Problem zu verhindern, wird ein bestimmter zahnärztlicher Verhaltensstandard definiert. Eine Abdeckschraube etwa soll also verhindern, dass Gewebe in den Hohlkörper einwächst. Die Frage ist dann, ob das Problem eingetreten ist, das verhindert werden sollte.

Vorliegend waren beide Voraussetzungen nicht erfüllt. Erstens ließ sich nicht nachweisen, dass der (unbestrittene) Fehler des Zahnarztes eine Gesundheitsbeschädigung hervorgerufen hatte. Zweitens umfasste der Schutzzweck des Fehlverhaltens nicht das Verhindern des aufgetretenen Gesundheitsproblems.