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Haftungsrecht

Bevor Zahnärzte einen Patienten behandeln, müssen sie ihn über die Chancen und Risiken des geplanten Vorgehens aufklären.  Und zwar in einem persönlichen Gespräch. Dabei müssen sie das Wissen vermitteln, das die Betreffenden brauchen, um sich eigenverantwortlich für oder gegen den angeratenen Eingriff zu entscheiden. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) muss der Patient „im Großen und Ganzen“ wissen, worauf er sich einlässt.

Grundsätzlich besteht die Aufklärungspflicht vor jeder Behandlung. Von dieser Regel kann es jedoch auch Ausnahmen geben. Das beweist eine aktuelle Entscheidung des Oberlandesgerichts Brandenburg.

Nervenschaden nach zweiter OP

Im konkreten Fall ging es um eine Patientin, die Probleme mit ihren Weisheitszähnen hatte. Ihre Zahnärztin empfahl ihr daraufhin eine Extraktion „aller Achter“ und überwies die Frau an eine Kieferchirurgin.

In deren Praxis wurden die beiden Operationen dann auch durchgeführt. Während auf der linken Seite alles nach Plan verlief, kam es beim Entfernen der Weisheitszähne auf der rechten Seite zu einer Nervenschädigung. Die Frau, die als Lehrerin arbeitet, klagte daraufhin.

Sie monierte unter anderem, dass es ihr seit dem Eingriff schwerfalle, deutlich zu sprechen. Sie habe ständig das Gefühl einer geschwollenen Zunge, beiße sich beim Essen häufig auf die Zunge und neige zu vermehrtem Speichelfluss und zu einer spuckenden Aussprache. Über diese Risiken sei sie vor der zweiten OP jedoch nicht aufgeklärt worden, sodass ihr nun Schadenersatz und Schmerzensgeld zustehe.

Eine Aufklärung in diesem Fall ausreichend

Das OLG Brandenburg wies die Klage ab (Az. 12 U 8/22).

Zunächst führte es aus, dass nach Meinung des Sachverständigen sowohl der Eingriff an sich als auch die Nachsorge gemäß medizinischem Standard ausgeführt worden seien. Dass ein nahe an den Zähnen liegender Nerv verletzt werde, gehöre zu den Risiken einer solchen Operation.

Über diese sei die Lehrerin im Aufklärungsbogen auch informiert worden. Die Rede war dort von Taubheit und Gefühlsstörungen als möglichen Folgen. Zwar habe die Frau eine umfassende Risikoaufklärung nur vor der ersten Operation erhalten. Das aber sei im konkreten Fall ausreichend.

Mehr Aufklärung hätte nichts geändert

Das Gericht folgte damit der Auffassung der Kieferchirurgin. Sie hatte im Verfahren eingewandt, die Patientin hätte der Entfernung der rechten Weisheitszähne auch dann zugestimmt, wenn sie über das Risiko noch genauer informiert worden wäre. Ferner werde im Aufklärungsbogen der Praxis sogar auf das Risiko eines Durchbruchs zur Nasenhöhle hingewiesen. Diese erhebliche Gefahr habe die Patientin auch vor der ersten Operation nicht abgeschreckt. Entsprechend sei nicht anzunehmen, dass ein deutlicherer Hinweis auf das geringe Risiko einer dauerhaften Nervenschädigung die Patientin von der Zustimmung zur zweiten Operation abgehalten oder sie zumindest in einen Entscheidungskonflikt gestürzt hätte.

Nach Ansicht des Gerichts fehlte daher ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Nervenschädigung der Patientin und der „nicht optimalen“ Aufklärung.

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