Kritische Aussagen im Gutachten eines Kollegen müssen Zahnärzte hinnehmen
Judith MeisterWie weit reicht das berufsrechtliche Gebot kollegialen Verhaltens unter Zahnärzten? Und welche Form von Kritik muss ein Zahnarzt hinnehmen? Diese Fragen musste vor Kurzem das Bayerische Oberste Landesgericht entscheiden.
Dass sich Patienten gelegentlich über eine (vermeintlich) unzureichende Behandlung oder zu hohe Rechnungen beschweren, ist die eine Sache. Wenn allerdings ein Kollege in einem Gutachten ins selbe Horn stößt, ist das schon deutlich unangenehmer.
Zahnarzt wehrt sich gegen Kritik des Kollegen
Entsprechend vehement wehrte sich denn auch ein bayerischer Zahnarzt gegen die kritische Stellungnahme eines Kollegen. Dieser war von einer privaten Krankenversicherung angeheuert worden, um zu überprüfen, ob die von den Patienten beanstandeten Rechnungen tatsächlich zu bezahlen waren. Die in diesem Zusammenhang getätigten Aussagen hielt der begutachtete Zahnarzt für unkollegial. Er beschwerte sich und verlangte ein berufsgerichtliches Einschreiten gegen den Gutachter.
Bei seinem Vortrag stützte sich der Mann sich unter anderem auf Art. 17 des Heilberufekammergesetzes und das zahnärztliche Berufsrecht. § 8 Abs. 1 der Berufsordnung sieht vor, dass Zahnärzte gegenüber allen Berufsangehörigen jederzeit kollegiales Verhalten zu zeigen haben. Unsachliche Äußerungen über die Person, die Behandlungsweise oder das berufliche Wissen eines Kollegen sind danach berufsunwürdig. § 13 Abs. 1 der Berufsordnung statuiert zudem: Gutachten hat der Zahnarzt neutral, unabhängig und sorgfältig zu erstellen.
Gericht muss entscheiden, ob Kritik unkollegial ist
Auf Basis dieser Vorgaben musste das Gericht nun beurteilen, ob es unkollegial war, dass der beklagte Zahnarzt in seinem Gutachten unter anderem statuiert hatte, dass dem Kollegen mit Blick auf die Abrechnung „nicht mehr nur reine Flüchtigkeitsfehlern“ vorzuwerfen seien. Die Rechnungsstellung sei für den Patienten „unzumutbar intransparent und befremdlich“.
Diese Aussage begründete der Gutachter unter anderem damit, dass diverse Abrechnungspositionen identischer Behandlungstage nicht chronologisch jeweils in drei separat erstellten Rechnungen aufgeführt und dem Patienten gegenüber doppelt abgerechnet wurden. Zudem werde eine Vielzahl von Positionen fachlich zu Unrecht zu Lasten des Patienten in die Rechnungen eingestellt.
Auch mit Blick auf die fachliche Kompetenz des Begutachteten äußerte er sich kritisch. Unter anderem sei die nach einer abgeschlossenen kieferorthopädischen Behandlung vom Behandler vorgenommene Beschleifung der fünf Frontzähne 12, 11, 21, 22 und 23 einer damals 20- jährigen Patientin zu Kronenstümpfen und deren angeschlossene langzeitprovisorische Versorgung nicht medizinisch indiziert und mit Blick auf das Alter der Patientin riskant gewesen. Es hätte sehr viel gesunde Zahnhartsubstanz gekostet, die hätte erhalten werden müssen.
Fachliche Stellungnahme im Gutachten nicht unkollegial
Allerdings konnte das Gericht in seiner Entscheidung keine unkollegiale Äußerung im Sinne des § 8 Absatz 1 der Berufsordnung für Zahnärzte in Bayern erkennen, da der begutachtende Zahnarzt die beanstandeten Formulierungen in einem fachlichen Kontext verwendete, um die nach seiner Ansicht folgenschweren Behandlungs- und Rechnungsstellungsfehler darzulegen.
Zu berücksichtigen war auch, dass der Behandler die ihm vorgeworfenen Fehler nicht in Abrede stellte. Entsprechend gab das Gericht der Meinungsfreiheit des begutachtenden Zahnarztes den Vorrang vor der allgemeinen Berufspflicht des kollegialen Verhaltens (BayObLG,