Macht ein Zahnarzt sich strafbar, wenn er seinen Patientenstamm verkauft?
Judith MeisterDie gegenseitige Zuweisung von Patienten gegen Entgelt ist nach dem Berufsrecht der Zahnärzte verboten. Doch welche Handlungen fallen unter diesen Begriff? Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs klärt diese Frage – und wirft etliche neue Probleme auf.
Wer eine Zahnarztpraxis kauft, muss in der Regel nicht nur für das materielle Anlagevermögen bezahlen, sondern auch für den immateriellen Praxiswert, den sogenannten Goodwill. Letzterer ist eine schwer zu greifende Größe: Die Belegschaft, der Standort, vor allem aber Größe und Zusammensetzung des Patientenstammes fließen in seine Berechnung mit ein, zumal letztere regelmäßig Patienten des neuen Praxisinhabers bleiben.
Doch nicht nur die summenmäßige Bestimmung des Goodwills kann Probleme bereiten
Nach einem Beschluss des Bundesgerichtshofs verstößt ein Zahnarzt gegen das Berufsrecht, wenn er seinen Patientenstamm isoliert, also ohne materielles Anlagevermögen, an einen Kollegen verkauft.
Patienten günstig abzugeben
Im konkreten Fall ging es um einen niedergelassenen Zahnarzt aus Regensburg, der beabsichtigte, seine Praxis aufzugeben. Vor diesem Hintergrund schloss er mit einem Kollegen einen „Kaufvertrag [über den] Patientenstamm“.
Dieser regelte unter anderem
- die Veräußerung des Patientenstammes der privat- und vertragszahnärztlichen Praxis,
- die Umleitung sämtlicher Anrufe von der alten in die neue Zahnarztpraxis,
- eine Umleitung der Aufrufe der Internetseite der alten auf die neue Domain und
- eine vollständige Übernahme der (analogen und digitalen) Patientenkartei nach Zahlung des Kaufpreises, soweit eine schriftliche Einwilligungserklärung der Patienten vorliege.
Für den Patientenstamm plus Domain und Telefonnummer (Goodwill) vereinbarten die beiden Zahnärzte einen Kaufpreis von 12.000 Euro.
Zur „Überleitung der Patienten“ verpflichtete sich der verkaufende Zahnarzt zudem, seine Patienten über die Beendigung seiner Tätigkeit zu informieren, die Fortsetzung der Behandlung durch den Kollegen zu empfehlen und sie zu bitten, diesem zukünftig ihr Vertrauen zu schenken.
Pacta sunt servanda – oder doch nicht?
Nach Unterzeichnung des Vertrags kamen dem Mann jedoch Zweifel an dessen Inhalt. Er holte daher eine Auskunft der Landeszahnärztekammer ein. Diese hielt den Vertrag für unwirksam. Daraufhin verweigerte der Verkäufer die Erfüllung des Vertrags. Sein Kollege war damit nicht einverstanden und klagte.
Der Bundesgerichtshof hat nun in letzter Instanz die Rechtsauffassung der Kammer bestätigt und den Vertrag für nichtig erklärt (Az. VIII ZR 362/19). Der Inhalt verstoße gegen § 8 Abs. 5 der Berufsordnung (für Zahnärzte in Bayern). Diese Regelung verbietet es, für die Zuweisung von Patienten oder Untersuchungsmaterial ein Entgelt oder eine sonstige wirtschaftliche Vergünstigung zu fordern, sich versprechen oder gewähren zu lassen oder selbst zu versprechen oder zu gewähren.
Darüber hinaus, so der BGH, würde der Vollzug des Vertrags die Straftatbestände der §§ 299a, 299b StGB verwirklichen.
Zwar führten die Karlsruher Richter aus, dass der Verkauf einer (Zahn-)Arztpraxis im Ganzen weiterhin möglich und zulässig ist. Welche Auswirkungen die Entscheidung auf Fälle hat, in denen der ideelle Wert einer Zahnarztpraxis den materiellen Wert (womöglich bei Weitem) übersteigt, bleibt allerdings offen.
Ebenfalls ungeklärt lässt der BGH die Frage, warum der Verkauf des ideellen Wertes gemeinsam mit den materiellen Werten zulässig ist, während der isolierte Verkauf des Patientenstammes eine Zuweisung gegen Entgelt darstellt. Für Praxiskäufer und -verkäufer bedeutet die Entscheidung daher eine gewisse Rechtsunsicherheit.