Praxisbezeichnung im Werberecht: Was ist zulässig?
D&W RedaktionDie Außendarstellung der Zahnarztpraxis und die damit verbundene Werbewirkung ist immer wieder Streitthema. Ob eine bestimmte Praxisbezeichnung mit den berufsrechtlichen Regelungen vereinbar ist, ist vielfach Auslegungssache und beschäftigt regelmäßig Zahnärztekammern und Gerichte. Rechtsanwältin Nadine Ettling* gibt drei Beispiele.
Das (zahn-)ärztliche Werberecht und damit auch die Möglichkeiten der Praxisbezeichnung
unterliegen einem stetigen Wandel und hängen nicht zuletzt auch von gesellschaftlichen Entwicklungen insbesondere im Hinblick auf den Gesundheitsmarkt ab. Maßstab für die Zulässigkeit einer Bezeichnung
ist immer die Wahrnehmung der Adressaten, also der Patienten.
Die folgenden drei Beispiel zeigen, wie die Gerichte in bestimmten Fällen entschieden und begründet haben.
„Kinderzahnarztpraxis“ muss kindgerecht sein
Eine Kinderzahnarztpraxis muss kindgerecht ausgestattet sein und es muss die überwiegende Behandlung von Kindern gegeben sein. Daneben genügt es, wenn die dort tätigen Zahnärzte und Zahnärztinnen für die Belange von Kindern aufgeschlossen sind. Wichtig: Besondere fachliche Qualifikationen im Bereich der Kinderzahnheilkunde sind nicht erforderlich nach Ansicht des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 07.04.2022 – I ZR 217/20).
Potenzielle Patienten werden nicht allein aufgrund der Bezeichnung als Kinderzahnarztpraxis irregeführt, solange kein personaler Bezug zum Zahnarzt oder der Zahnärztin hergestellt wird. Das Gericht wies in diesem Zusammenhang einmal mehr darauf hin, dass die nach Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Berufsausübungsfreiheit eines Zahnarztes oder einer Zahnärztin auch das Recht zu einer
berufsbezogenen und sachangemessenen Werbung umfasst, soweit diese nicht irreführend ist.
„Praxis für Kieferorthopädie“: nur mit Aufklärung
Differenzierter wird es bei der Bezeichnung „Praxis für Kieferorthopädie“ oder „Kieferorthopädie“. Der Bundesgerichtshof sieht hier eher die Gefahr einer Irreführung der Verbraucher gegeben, die bei dieser Bezeichnung von einem Fachzahnarzt für Kieferorthopädie ausgehen würden (Urteil vom 29.07.2021 – I ZR 114/20). Fehlt eine solche Qualifikation, dann darf die Bezeichnung bei einem entsprechenden
Tätigkeitsschwerpunkt nur dann verwendet werden, wenn der oder die die Bezeichnung Verwendende gleichzeitig klarstellt, dass gerade kein Fachzahnarzt oder -zahnärztin tätig wird.
Welche konkreten Maßnahmen für eine ausreichende Aufklärung gefordert werden, richtet sich wie so oft nach den Umständen des Einzelfalls. In dem vom BGH entschiedenen Fall wurde die Bezeichnung
lediglich im Internetauftritt der Praxis verwendet. Dort genügte dem Gericht ein deutlicher Hinweis auf die Art der bestehenden Zusatzqualifikation, den Umfang der praktischen Erfahrungen sowie der Ausweis eines Tätigkeitsschwerpunkts als Abgrenzung zu einer Fachzahnarztbezeichnung. Insbesondere auch die Angabe „Master of Science Kieferorthopädie“ genügte dem Gericht als hinreichende Aufklärung über die tatsächliche Qualifikation.
Praxisbezeichnung „Zentrum“: zwei Behandelnde genügen
Erst kürzlich hat das Oberlandesgericht Frankfurt entschieden, dass es für eine Bezeichnung der Praxis als „Zentrum“ ausreichend ist, wenn wenigstens zwei Behandler dort tätig sind (Urteil vom 11.05.2023 – Az. 6 U 4/23). Geklagt hatte in diesem Fall ein im gleichen Fachgebiet tätiger Arzt gegen die sich in der Außendarstellung als Zentrum bezeichnende Gemeinschaftspraxis. Er war der Ansicht, ein „Zentrum“ müsse aus mehr als zwei Ärzten bestehen und eine gewisse Mindestgröße vorzuweisen haben.
Das Gericht hingegen fand, auf die Größe komme es nicht an. Durch die in § 95 Abs. 1 S. 1 SGB V für Medizinische Versorgungszentren vorgegebenen Mindestgröße von zwei Behandlern und der Möglichkeit
einer fachgleichen Kooperation in den sogenannten MVZs wird auch in der Verkehrsanschauung keine bestimmte Größe eines „Zentrums“ mehr erwartet. Gleichwohl machte das Gericht deutlich, dass unter dem Begriff „Zentrum“ eine personelle und sachliche Struktur des Unternehmens erwartet werde, die über vergleichbare durchschnittliche Unternehmen hinausgehe. Mindesterfordernisse nannte das Gericht dabei nicht.
Fazit: Zulässige Praxisbezeichnungen sind vielfach Auslegungssache. Wer sich unsicher ist, ob eine bestimmte Bezeichnung gerade noch zulässig ist, sollte sich zur Vermeidung teurer Streitigkeiten oder berufsrechtlicher Sanktionen immer vorab medizinrechtlichen Rat einholen.
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Unsere Autorin:
* Nadine Ettling ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Medizinrecht bei Lyck+Pätzold healthcare.recht. Sie steht (Zahn-)Ärzten bei allen Fragen zu medizinrechtlichen Ansprüchen zur Seite. Sie berät und begleitet bei beruflichen Veränderungen und bei arbeitsrechtlichen und gesellschaftsrechtlichen Herausforderungen. Weitere Informationen unter: www.medizinanwaelte.de, ettling@medizinanwaelte.de