Sind bösartige Nachrichten in privaten Chats ein Kündigungsgrund?
Judith MeisterEin Arbeitnehmer lästert in einer WhatsApp-Gruppe in stark beleidigender, rassistischer, sexistischer Art über Vorgesetzte und Kollegen – und wird daraufhin vor die Tür gesetzt. Doch ist dieser Kündigungsgrund rechtens?
Wenn sich Kollegen aus der Praxis auch privat gut verstehen, ist das eigentlich eine schöne Sache. Wenn sie sich in ihrer Freizeit regelmäßig per WhatsApp austauschen, ebenfalls. Doch was gilt, wenn der Chef Wind davon bekommt, dass in besagter WhatsApp-Gruppe auch über ihn geredet wird – und zwar alles anderes als freundlich?
Mit einem solchen Fall musste sich vor Kurzem das Bundesarbeitsgericht (BAG) befassen – und entschied zugunsten des Arbeitgebers.
Die Grenzen des guten Geschmacks
Im konkreten Fall ging es um sieben Mitarbeiter eines Unternehmens, die seit Jahren befreundet und zudem Mitglieder einer geschlossenen WhatsApp-Gruppe waren. Dort hatten sie sich schon lange Zeit immer wieder private Nachrichten geschickt, bis schließlich einer von ihnen begann, in übelster Weise gegen Vorgesetze aus der Arbeit auszuteilen. Die Äußerungen, so heißt es in einer Mitteilung des BAG, seinen „stark beleidigend, rassistisch, sexistisch und sogar zu Gewalt aufstachelnd“ gewesen.
Da eines der Gruppenmitglieder den Chatinhalt teilte, wurde die Sache ruchbar und landete schließlich auch beim Chef. Dieser kündigte dem respektlosen Arbeitnehmer außerordentlich fristlos. Der wiederum klagte gegen seinen Rauswurf und berief sich auf die Vertraulichkeit der Kommunikation im engsten Freundes- und Familienkreis. Hier müsse man deutlich offener sprechen dürfen als gegenüber Fremden.
Zunächst Erfolg aufgrund von „Vertraulichkeit“
In den ersten beiden Instanzen hatte er mit diesem Vorbringen Erfolg. Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen befand: Zwar seien die Äußerungen des Klägers grundsätzlich geeignet gewesen, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Allerdings gelte das nicht im konkreten Fall, da der Arbeitnehmer sich in einer Umgebung geäußert habe, in der er „berechtigterweise von Vertraulichkeit ausgehen durfte“. Sein Interesse an der Vertraulichkeit im privaten Bereich überwiege daher das Interesse der diffamierten und beleidigten Kollegen.
Das Bundesarbeitsgericht bewertete die Dinge anders. Die Erfurter Richter entschieden, dass die außerordentliche Kündigung gerechtfertigt sei. Eine Vertraulichkeitserwartung sei nur dann berechtigt, wenn Mitglieder einer Chatgruppe den besonderen persönlichkeitsrechtlichen Schutz einer Sphäre vertraulicher Kommunikation in Anspruch nehmen können. Ob sie dies können, sei wiederum abhängig vom Inhalt der Nachrichten sowie der Größe und Zusammensetzung einer Chatgruppe.
Bei stark beleidigenden oder gar menschenverachtenden Äußerungen müsse ein Arbeitnehmer daher besonders begründen, warum er trotz gravierender Äußerungen berechtigterweise erwarten durfte, der Inhalt werde von keinem Gruppenmitglied an Dritte weitergegeben.
Erfreuliche Entscheidung für Arbeitgeber
Das Bundesarbeitsgericht erleichtert es mit seiner Entscheidung Arbeitgebern, konsequent gegen herablassende und diffamierende Äußerungen im Kollegenkreis vorzugehen. Für Praxischefs, die von Beleidigungen durch Mitarbeiter erfahren und hiergegen vorgehen wollen, verringert sich damit zugleich das Prozessrisiko vor dem Arbeitsgericht. Zudem haben sie wirkungsvollere Möglichkeiten als bisher, ein vergiftetes und respektloses Betriebsklima zu vermeiden (BAG, Az. 2 AZR 17/23)
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