Wirtschaftsnachrichten für Zahnärzte | DENTAL & WIRTSCHAFT
Sozialrecht

Zahnärzte müssen ihre Patienten vor Beginn einer Behandlung über die Chancen und Risiken des beabsichtigen Eingriffs aufklären. Andernfalls ist selbst eine lege artis vorgenommene Heilbehandlung rechtswidrig und der Zahnarzt riskiert eine Klage auf Schadenersatz und Schmerzensgeld.

Ein solches Verfahren ist auch deshalb so unangenehm, weil nicht etwa der Patient die fehlerhafte, sondern vielmehr der Zahnarzt die ordnungsgemäße Aufklärung nachweisen muss. Angesichts der Vielzahl von Patienten, die gerade niedergelassene Zahnärzte behandeln, lässt die Rechtsprechung in diesem Zusammenhang aber zumindest gewisse Erleichterungen zugunsten der (Zahn)-Mediziner zu.

Was ist der „immer so“-Beweis?

Die Gerichte erlauben es in Verfahren über Aufklärungsfehler, den sogenannten „immer so“-Beweis zu führen. Danach reicht es, wenn ein Zahnarzt glaubhaft machen kann, dass er in vergleichbaren Fällen stets in rechtmäßiger Art und Weise aufklärt (vgl. BGH, Az. VI ZR 15/83).

Doch profitieren Zahn(ärzte) von diesem Privileg auch dann, wenn kein Aufklärungs- sondern ein Behandlungsfehler im Raum steht? Diese Frage hatte vor Kurzem das Landgericht München zu beantworten (Az. 1 O 1722/22). In dem Fall stand zwar kein Zahnarzt vor Gericht, dennoch ist das Urteil für alle niedergelassenen Mediziner von Bedeutung.

Fehlende Dokumentation als Behandlungsfehler?

Konkret ging es um eine Patientin, die für eine Darmspiegelung vorbereitet worden war. Teile der per Sonde verabreichten Abführlösung waren bei ihr statt im Magen in der Lunge gelandet. Dies hatte bei der Frau erhebliche Gesundheitsprobleme hervorgerufen. Zwar bestand keine akute Lebensgefahr. Aufgrund des eklatanten Abfalls der arteriellen Sauerstoffsättigung hatte die Frau aber das Gefühl des Beinahe-Erstickens sowie Todesangst. Zudem musste sie über mehrere Tage intensiv-medizinisch betreut werden.

Die Patientin klagte nach diesem Vorfall auf Schadenersatz und Schmerzensgeld und warf den Ärzten einen Behandlungsfehler vor, da die obligatorische Lagekontrolle der Sonde nicht durchgeführt und entsprechend im Behandlungsprotokoll nicht dokumentiert worden war.

Auch bei Routinehandlungen sind Fehler nicht ausgeschlossen

Der Arzt wehrte sich gegen diesen Vorwurf mit dem Argument, dass er vor einer Koloskopie stets die Lage der Magensonde kontrolliere. Das Landgericht München ließ diesen „immer-so“-Beweis bei einem im Raum stehenden Behandlungsfehler jedoch nicht gelten. Die Rechtsfigur lasse sich nicht vom Aufklärungs- auf das Behandlungsgeschehen übertragen, so die deutliche Ansage der Richter.

In dessen Kontext reichten Angaben der Beteiligten zu einem stets praktizierten Vorgehen nicht für eine entsprechende Überzeugungsbildung aus, zumal es auch bei Routinehandlungen immer wieder zu Fällen des Versagens kommen könne.

Dass die erforderliche Kontrolle der Lage der Magensonde vor ihrer Verwendung nicht dokumentiert sei; stelle einen groben Behandlungsfehler dar. Auch der Verlauf spreche für eine Fehllage der Sonde.

In Anbetracht dieser Umstände schlug das Gericht den Parteien einen Vergleich vor, wonach der Arzt der Patientin zur Abgeltung aller Ansprüche die Summe von 14.000 Euro zahlen musste.

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