Urlaubstage: Wenn engagierte Mitarbeiter teurer werden
Judith MeisterDieses Urteil sollten Praxischefs kennen: Wer seine Mitarbeiter nicht darauf hinweist, dass nicht genommener Urlaub am Jahresende verfällt, konserviert die unverbrauchten Tage (fast) bis in Ewigkeit. Das kann unangenehme Folgen haben.
Die Regelverjährung in Deutschland beträgt drei Jahre. Sie gilt grundsätzlich auch für nicht verbrauchte Urlaubsansprüche, die Arbeitnehmer angehäuft haben und die keiner (kürzeren) vertraglichen Ausschlussfrist unterliegen. Doch wann beginnt die Frist zu laufen?
Wann nicht genommener Urlaub verfällt
Früher war die Antwort klar. Denn das Bundesurlaubsgesetz sieht vor, dass der bezahlte Urlaub in der Regel im laufenden Urlaubsjahr zu nehmen ist. Nur, wenn dies aus dringenden betrieblichen oder persönlichen Gründen nicht klappt, können Beschäftigte ihre freien Tage noch bis zum Ende des ersten Quartals im Folgejahr abfeiern. Wenn auch das nicht klappt, so die deutsche Regelung, verfällt der deutsche Urlaub. Eigentlich.
Denn schon im Februar 2019 befand das Bundesarbeitsgericht, dass Urlaub nur dann dem strengen gesetzlichen Verfallsdatum unterliegt, wenn der Arbeitgeber seine Mitarbeiter auf diese Gefahr hingewiesen hat. Die Luxemburger Richter haben diese Vorgabe nun konkretisiert.
Wann beginnt die Verjährungsfrist für Urlaubstage?
Einem aktuellen Urteil zufolge beginnt die Verjährungsfrist für Urlaubsansprüche ab dem Zeitpunkt zu laufen, an dem die Beschäftigten auch über sie informiert worden sind. Versäumt der Arbeitgeber eine solche Mitteilung, bleibt der Urlaubsanspruch bestehen.
Steuerfachmann klagt gegen Urlaubsverfall
Eine Steuerfachangestellte aus Deutschland hatte sich dagegen gewehrt, dass ihre Urlaubstage angeblich verfallen waren. Sie hatte von 1996 bis 2017 in einer Kanzlei gearbeitet und laut Arbeitsvertrag einen Urlaubsanspruch von 24 Tagen pro Jahr. Da regelmäßig zu viel zu tun war, nahm die Frau aber fast nie den vollen Urlaub, sodass ihr Chef ihr Anfang März 2012 bescheinigte, dass ihr aus den Vorjahren noch 76 Tage Resturlaub zustünden. Dieser verfalle nicht wie üblich am 31. März 2013, weil sie ihn „wegen des hohen Arbeitsaufwandes in der Kanzlei“ nicht habe antreten können.
Auch in den folgenden Jahren nahm die Steuerfachangestellte die ihr zustehenden Urlaubstage nicht vollständig in Anspruch. Ihr Arbeitgeber forderte sie aber weder auf, den bestehenden Urlaubsberg abzutragen noch wies er die Frau darauf hin, dass der Verlust ihres Resturlaubsanspruchs drohe.
Als das Arbeitsverhältnis Ende Juli 2017 endete, zahlte er der Frau allerdings nur 3201,38 € brutto aus, um die 14 noch offenen Urlaubstage im Jahr 2017 abzugelten. Aus Sicht der einstigen Mitarbeiterin war das deutlich zu wenig. Sie verlangte auch die Abgeltung der noch offenen 101 Urlaubstage. Der Arbeitgeber hielt dagegen und argumentierte, die Ansprüche seien verjährt.
Mehr als 15 Wochen Resturlaub
Der Fall wurde streitig und schaffte es bis zum Bundesarbeitsgericht, das dem EuGH die Frage vorlegte, ob die im deutschen Recht vorgesehene Verjährungsfrist von drei Jahren für nicht genommene Urlaubstage mit dem Europarecht vereinbar ist.
Die Luxemburger Richter bejahten das zwar dem Grunde nach, führten aber aus, dass die Frist frühestens zu dem Zeitpunkt beginnen könne, in dem ein Arbeitgeber darauf hingewiesen hat. Unterlässt er das, bleibt der Urlaub bestehen (Rechtssache C-120/21 LB).
Fünfstellige Summe für Arbeitnehmerin
Der Steuerfachangestellte steht nun eine hohe Nachzahlung ins Haus. Bereits das Urteil des Landesarbeitsgerichts sprach von einem „schlüssig vorgebrachten Resturlaubsanspruch von 76 Tagen“ und sah einen Satz von 228,64 € pro Tag vor. Der Arbeitgeber der Frau muss daher wohl rund 17.400 € plus Zinsen zahlen.