Verletzung der Schweigepflicht: Wo Zahnärzten vermeidbare Fehler unterlaufen
Judith MeisterDie zahnärztliche Schweigepflicht betrifft bei Weitem nicht nur die Frage, worüber ein Zahnarzt nicht sprechen darf. Oft geht es auch darum, was er – trotz Schweigepflicht – offenbaren muss. Über eine Abgrenzung, die in der Praxis immer wieder Schwierigkeiten bereitet.
Paragraf sieben der Musterberufsordnung sagt eigentlich alles. Und lässt doch viele Fragen offen. Unter dem Oberbegriff „Verschwiegenheit“ ist unter anderem die Pflicht des Zahnarztes normiert, „über alles, was ihm in seiner Eigenschaft als Zahnarzt anvertraut worden und bekannt geworden ist (Berufsgeheimnisse), gegenüber Dritten Verschwiegenheit zu wahren.“
Diese klaren Vorgaben werden allerdings schon im nächsten Satz relativiert. Danach bleiben „gesetzliche Aussage- und Anzeigepflichten (…) davon unberührt“. Zudem ist der Zahnarzt nach Absatz 2 „zur Offenbarung befugt, soweit er von dem Betroffenen oder seinem gesetzlichen Vertreter von der Schweigepflicht entbunden wurde oder soweit die Offenbarung zum Schutze eines höheren Rechtsgutes erforderlich ist.“ Ausnahmsweise dürfen Berufsgeheimnisse zudem gegenüber den Praxismitarbeitern (…) offenbart werden, soweit dies für die Inanspruchnahme von deren Tätigkeit erforderlich ist.
Viele unbestimmte Rechtsbegriffe – viel Konfliktpotenzial
Wie genau diese Ausnahmen der Schweigepflicht auszulegen sind, führt in der Praxis immer wieder zu Problemen und rechtlichen Auseinandersetzungen. Denn eine Verletzung der Schweigepflicht ist nicht nur strafbar. Die betroffenen Patienten können ihren Zahnarzt auch zivilrechtlich in Anspruch nehmen und Schadensersatz und/oder Schmerzensgeld für die Folgen der Indiskretion verlangen.
Umso wichtiger, dass sich Zahnärzte von den folgenden Mythen und Halbwahrheiten in Sachen Schweigepflicht verabschieden.
Mythos Nr. 1 zur Schweigepflicht
„Mit Kollegen ist ein Austausch von Patientendaten stets erlaubt.“
Falsch. Grundsätzlich ist eine Datenweitergabe auch an Kolleginnen und Kollegen nur rechtens, wenn diese für die (weitere) Behandlung des betroffenen Patienten eine Rolle spielen. Etwas anderes kann allerdings in zahnärztlichen Gemeinschaftspraxen gelten, da Patienten hier den Behandlungsvertrag meist mit der Praxis und nicht mit einem bestimmten Zahnarzt abschließen.
Mythos Nr. 2 zur Schweigepflicht
„Die Weitergabe von Patientendaten an die privatärztliche Verrechnungsstelle ist unproblematisch.“
Mitnichten. Eine solche Weitergabe ist nur erlaubt, wenn der Patient vorab seine Einwilligung erteilt hat.
Mythos Nr. 3 zur Schweigepflicht
„Bei einer Praxisübergabe darf der Nachfolger auch die Patientendateien bedenkenlos übernehmen.“
Falsch. Ohne Einwilligung jedes einzelnen Patienten stellt die Weitergabe einen Verstoß gegen die zahnärztliche Schweigepflicht dar. Im eigenen (und im Interesse des Übernehmers) sollten Zahnärzte, die eine Übergabe vorbereiten, daher die Einverständniserklärungen ihrer Patienten penibel dokumentieren und eine datenschutzkonforme Vereinbarung mit dem übernehmenden Kollegen schließen.
Gleiches gilt, wenn eine Einzel- in eine Gemeinschaftspraxis umgewandelt werden soll.
Mythos Nr. 4 zur Schweigepflicht
„Eltern haben stets das Recht, über die Zahngesundheit ihres Sprösslings informiert zu werden.“
Falsch. Die Schweigepflicht besteht grundsätzlich auch im Verhältnis zu Familienangehörigen des Patienten. Bei Minderjährigen besteht zwar durchaus ein Spannungsverhältnis zwischen dem Geheimhaltungsinteresse des Kindes und dem Informationsrecht der sorgeberechtigten Eltern. Hier verlangt die Rechtsprechung – gerade bei Jugendlichen über 14 – eine sorgfältige Abwägung. In der Zahnarztpraxis dürfte es diesbezüglich allerdings nur selten Probleme geben.
Mythos Nr. 5 zur Schweigepflicht
„Wenn Behörden Auskünfte einfordern, sind Zahnärzte nicht mehr an die Schweigepflicht gebunden.“
Das stimmt nur bedingt. Grundsätzlich dürfen Zahnärzte ihre Schweigepflicht nur dann verletzen, wenn eine gegenwärtige Gefahr für ein wesentlich überwiegendes Rechtsgut besteht und diese sich nicht anders abwenden lässt als durch die Offenbarung des Berufsgeheimnisses. Äußert etwa ein von chronischen Schmerzen geplagter Patient Suizidgedanken, darf der Zahnarzt gegebenenfalls Angehörige oder die Behörden informieren. Gleiches gilt, wenn er im Rahmen der Behandlung erfährt, dass sein Patient ein schweres Verbrechen plant. Auch diese Fälle dürften in der zahnmedizinischen Praxis aber eher eine untergeordnete Rolle spielen.
Auch eine mangelnde Dokumentation kann problematisch werden. Lesen Sie dazu mehr in diesem Beitrag: Gericht verurteilt Zahnarzt wegen mangelnder Dokumentation