Wurzelbehandlung: Die Keimzellen des Misserfolgs
Judith MeisterSind bei einer Wurzelbehandlung Bakterien im Wurzelkanal verblieben oder haben sich im Anschluss neue Keime angesiedelt, kann es wieder zu einer Entzündung kommen. Doch welche Mikroorganismen tragen Schuld an einem solchen Geschehen?
„Charakterisierung der Mikrobiota von Zähnen mit fehlgeschlagener endodontischer Behandlung durch genetische Sequenzierung und PCR der 16S ribosomalen RNA in den verschiedenen Phasen der endodontischen Behandlung und Assoziierung des Vorhandenseins spezifischer Bakterien mit klinischen und radiologischen Merkmalen bei Zähnen mit apikaler Parodontitis.“ So lautet die etwas sperrige Zielsetzung einer Studie, die brasilianische Wissenschaftler unlängst veröffentlicht haben.
Konkret kombinierten die Forscher Kultur- und molekularen Techniken des Keimnachweises, um einen Zusammenhang herzustellen zwischen den je nach Revisionsbehandlungsphase vorkommenden Bakterien und den klinischen und radiologischen Auffälligkeiten wurzelbehandelter Zähne.
An der Studie nahmen 20 Probanden teil, die durchschnittlich zehn Jahre zuvor eine Wurzelbehandlung an einem einwurzeligen Zahn erhalten hatten und nun Beschwerden hat. Sie Patienten klagten unter anderem über Perkussionsempfindlichkeit oder Druckdolenz im Wurzelspitzenbereich. Einige wiesen eine periapikale Läsion von durchschnittlich 3,5 Millimeter Radius im Röntgenbild auf. Akute Schmerzen hatten die Probanden nicht.
Dreistufiges Verfahren
Für die Studie entnahmen die Wissenschaftler zu drei definierten Zeitpunkten mit einer sterilen Papierspitze Proben aus dem Wurzelkanal:
- Probenentnahme eins erfolgte, nachdem die Forscher das alte Guttapercha-Material mittels Crown-Down-Technik ohne chemisches Lösungsmittel entfernt hatten. War der Wurzelkanal zu trocken für eine Probengewinnung, feuchteten sie ihn mit Kochsalzlösung an.
- Die zweite Probe entnahmen die Wissenschaftler nach einer chemomechanischen Aufbereitung des Kanals auf Arbeitslänge durch. Dazu nutzten sie Reciproc R40-Feilen (VDW) und spülten mit 5,25-prozentigem NaOCl. Am Ende der Aufbereitung spülten sie das NaOCl mit Kochsalzlösung aus dem Kanalsystem heraus. Anschließend spülten sie mit mit fünfprozentigem Natriumthiosulfat, dann mit 17-prozentiger EDTA-Lösung und 0,5-prozentiger Zitronensäure zur Neutralisation des EDTA.
- Die dritte Probe nahmen die Forscher nach Entfernung der medikamentösen Einlage (Kalziumhydroxidpulver mit zwei Prozent Chlorhexidin-Gel in einem Verhältnis von 1:1 gemischt für 30 Tage).
Der Wurzelkanal – ein Tummelplatz für Keime
Insgesamt fanden die Wissenschaftler 89 verschiedene Bakteriengattungen, ihre Zahl verringerte sich im Laufe des Verfahrens aber deutlich.
- Die Proben, die die Forscher direkt nach Entfernung der alten Wurzelfüllung entnommen hatten (Probe eins), enthielten 65 verschiedene Bakteriengattungen. Am häufigsten fanden sich E. faecalis (23/65), Staphylococcus epidermidis (7/65), Streptococcus sanguis (4/65) und A. viridans (4/65).
- In der zweiten Probe, die die Wissenschaftler nach der chemomechanischen Aufbereitung des Wurzelkanals entnommen hatten, fanden sie immerhin noch 15 verschiedene Stämme, wobei E. faecalis (6/15), S. epidermidis (4/15) und P. acnes (2/15) die häufigsten waren.
- Nach medikamentöser Einlage und unmittelbar vor der erneuten Füllung des symptomlosen Zahnes ließen sich in der dritten Probe nur noch neun Stämme nachweisen. Erneut war. E. faecalis die am häufigsten vorkommende Art (3/9).
In Zahlen bedeutet das, dass bereits die chemomechanische Aufbereitung während der Revisionsbehandlung die Zahl der Bakterien um 77 Prozent reduzierte. Die medikamentöse Einlage drückte sie um weitere neun Prozent. Am Ende des Verfahrens stand eine Senkung um insgesamt 86 Prozent.
Die statistische Analyse zeigte zudem einen Zusammenhang zwischen klinischen und/oder radiologischen Merkmalen und verschiedenen mikrobiellen Spezies. So waren P. gingivalis und P. micra signifikant mit dem Auftreten von Schmerzen nach der Wurzelbehandlung assoziiert. P. gingivalis steht in Zusammenhang mit Perkussionsempfindlichkeit, E. faecalis, F. nucleatum und P. gingivalis mit einer periapikalen Läsion von mehr als drei Millimetern.
Arbeitsteiliges Zusammenwirken
Die Forscher schlossen daraus, dass sekundäre endodontische Infektionen offensichtlich auf unterschiedliche Keime zurückgehen können. Es gibt keine einzelne Spezies, die als hauptsächlicher endodontische Erreger fungiert. Wohl aber spielen bestimmte Bakterienkombinationen eine Rolle für das Krankheitsgeschehen und beeinflussen, ob eine Revision der Wurzelbehandlung erforderlich ist. Die Bakterien wirken synergistisch und erhöhen so ihre Virulenz. Auffällig ist jedoch, dass E. faecalis und P. gingivalis in allen Phasen der endodontischen Revision überwogen, und zwar unabhängig von der zur mikrobiellen Identifizierung verwendeten Methode.
Quelle: Marlos Barbosa-Ribeiro, Rodrigo Arruda-Vasconcelos, Lidiane M Louzada, Danielle G Dos Santos, Fernando D Andreote, Brenda P F A Gomes: “ Microbiological analysis of endodontically treated teeth with apical periodontitis before and after endodontic retreatment.“ Clin Oral Investig. 2020 Aug 28. doi: 10.1007/s00784-020-03510-2.