Honorarverteilungsmaßstäbe der Kassenzahnärztlichen Vereinigungen
Dr. jur. Alex JanzenDie Honorarverteilungsmaßstäbe der KZV sollen dazu dienen, die begrenzten Mittel der gesetzlichen Krankenversicherung so unter den Patienten zu verteilen, dass es von den Beteiligten als angemessen empfunden wird – soweit das überhaupt möglich ist. Dr. Alex Janzen erklärt die rechtlichen Grundlagen.
I. Anpassungen der vertragszahnärztlichen Gesamtvergütung
Nach § 85 Abs. 3 Satz 1 SGB V vereinbaren die Parteien des Gesamtvertrages in aller Regel jährlich die Veränderungen der Gesamtvergütung, wobei bestimmte im Gesetz festgelegte Kriterien berücksichtigt werden müssen.
Hierzu gehören:
- Zahl und Struktur der Versicherten,
- Morbiditätsentwicklung,
- Kosten- und Versorgungsstruktur,
- für vertragszahnärztliche Tätigkeit aufzuwendenden Arbeitszeit,
- Art und Umfang der zahnärztlichen Leistungen, soweit diese auf einer Veränderung des gesetzlichen oder satzungsmäßigen Leistungsumfangs beruhen.
Die Berücksichtigung der Zahl der Versicherten soll besser die Gesamtzahl aller Leistungsempfänger inklusive der Familienversicherten abbilden.
Die Struktur der Versicherten stellt auf die Zu- und Abnahme von Leistungsempfängern ausgehend von unterschiedlichen Leistungsbedarfen je nach Altersstufen von Versicherten ab. Die Berücksichtigung der Morbiditätsentwicklung soll eine flexible Anpassung der Gesamtvergütung anhand festgestellter Unterschiede bei Leistungsbedarfen von Versicherten, ebenfalls je nach Altersstufen, jedoch bezogen auf die Gesamtzahl der Versicherten ermöglichen. Das Abstellen auf die Kosten- und Versorgungsstruktur soll regionale Besonderheiten, wie Unterschiede bei der Höhe der Gehälter, Löhne und Praxismieten, die Fortschreitung der Spezialisierung, die wachsende Anzahl von Gemeinschaftspraxen etc. besser bei der Anpassung der Gesamtvergütung berücksichtigen. Die zu berücksichtigende Arbeitszeit umfasst nicht nur die eigentliche vertragszahnärztliche Tätigkeit, sondern auch Tätigkeiten von Zahnärzten, die damit zusammenhängen, wie praxisnotwendige Verwaltungsaufgaben und Fortbildungen. Ändern sich Art und Umfang von vertragszahnärztlichen Leistungen, etwa durch Aufnahme zusätzlicher abrechenbarer Leistungen in BEMA-Z, kann dies eine Veränderung der Gesamtvergütung bewirken.
II. Anspruch auf die Teilhabe an der Honorarverteilung
Nach § 85 Abs. 4 Satz 1 SGB V verteilt die Kassenzahnärztliche Vereinigung die Gesamtvergütungen an die Vertragszahnärzte. Hieraus leitet die Rechtsprechung, dass
- jede Vertragszahnärztin bzw. jeder Vertragszahnarzt einen Anspruch auf eine angemessene bzw. gerechte Teilnahme an der Verteilung der Gesamtvergütung hat und
- der betreffende Anspruch nicht auf einen von Anfang an feststehenden Betrag gerichtet ist.
Die Gesamtvergütung ist vor deren Verteilung auf die Leistungserbringer um bestimmte Vorwegabzüge zu berichtigen. Erst der danach verbliebene Betrag der Gesamtvergütung wird auf Leistungserbringer verteilt.
1. Gebot der leistungsproportionalen Vergütung
Nach § 85 Abs. 4 Satz 3 SGB V wird die Gesamtvergütung an die Vertragszahnärzte ausgehend von deren Leistungen, wie sich diese nach Art und Umfang darstellen, aufgeteilt. Aus dieser gesetzlichen Bestimmung leitet die überwiegende Meinung das Gebot der leistungsproportionalen Vergütung vertragszahnärztlicher Leistungen: danach sind vertragszahnärztliche Leistungen im Grundsatz gleich zu honorieren, soweit sich Vertragszahnärzte in der gleichen Situation befinden.
Unterscheidet sich die Situation von bestimmten Vertragszahnärzten von denen anderer Vertragszahnärzte, verlangt das Gebot der leistungsproportionalen Vergütung eine unterschiedliche Vergütung dieser Vertragszahnarztgruppen. Eine andere Verteilung der Vergütung werde, so die überwiegende Meinung, gegen das Gebot der leistungsproportionalen Vergütung und auch gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz, GG) verstoßen, nach dem Gleiches gleich und Ungleiches ungleich behandelt werden muss.
Das Gebot der leistungsproportionalen Vergütung ist zwar als allgemeiner Grundsatz der Vergütungsverteilung ohne Weiteres nachvollziehbar, allerdings wird er zunehmend begründungsbedürftig, je weiter er sich von seiner Kernaussage entfernt und dabei die Verteilung der Vergütung auf einzelne Gruppen von Leistungserbringern steuert. Leuchtet z. B. die Unterscheidung zwischen den sog. Anfängerpraxen und etablierten größeren und umsatzstarken Praxen auch bei der Verteilung der Vergütung ein, bedarf eine solche Unterscheidung bei Berufsausübungsgemeinschaften und Zahnarzt-MVZ einer fundierten Begründung.
2. Abweichungen vom Gebot der leistungsproportionalen Vergütung
Das Gebot der leistungsproportionalen Vergütung besagt allerdings nicht, dass Abweichungen hiervon unzulässig sind. Solche Abweichungen können zulässig und sogar geboten sein, wenn sie sich auf sachliche Gründe stützen. Betreffende sachliche Gründe können sowohl das Gesetz als auch die hierauf beruhenden Verträge zwischen Kassenzahnärztlichen Vereinigungen und Krankenkassen sowie Dritten liefern. Insbesondere gehört dazu das Gebot der Beitragssatzstabilität: Dieses ist nach § 85 Abs. 3 Satz 2 SGB V zwar nicht mehr wie früher zu beachten, sondern „nur“ zu berücksichtigen. Allerdings kann eine Begrenzung der Gesamtvergütung auch auf ein solches abgeschwächtes Gebot der Beitragssatzstabilität gestützt werden.
Bei kleinen Praxen ist es anerkannt, dass diese eine Möglichkeit haben müssen, vergütungsmäßig einen Durchschnitt ihrer Facharztgruppe innerhalb von 5 Jahren zu erreichen. Wie eine solche Möglichkeit allerdings im Einzelnen gewährleistet werden muss, ist streitig. Einerseits müssen die KZV in Honorarverteilungsmaßstäben zwar keine Regelungen vorsehen, nach denen kleine Praxen alle Leistungen zum Orientierungswert abrechnen müssen. Andererseits dürfen Honorarverteilungsmaßstäbe bei Honorarbegrenzungen kleine Praxen nicht mit etablierten großen Praxen gleichsetzen.
Anfängerpraxen müssen nach überwiegender Meinung die Möglichkeit haben, bis zu ihrer Etablierung während einer bestimmten Zeit ohne Honorarbegrenzungen zu wachsen. Unter Anfängerpraxen sind nicht nur Einzelpraxen, sondern auch Berufsausübungsgemeinschaften und MVZ zu verstehen, sofern deren Berufsträgern ebenfalls ein „Anfängerbonus“ zukommt. Wann dies der Fall ist, bleibt jedoch nicht immer klar. Ist eine Berufsausübungsgemeinschaft bereits mehr als 5 Jahre vertragszahnärztlich tätig, wird sie nach dem Bundessozialgericht (BSG) auch dann nicht zu einer Anfängerpraxis, wenn neue Anfänger-Berufsträger in die BAG eintreten. Dies ist nicht nachvollziehbar, wenn die Mehrheit der „alten“ Berufsträger bzw. alle „alten“ Berufsträger die BAG verlassen und an deren Stelle überwiegend bzw. nur Anfänger-Berufsträger in die betreffende BAG eintreten.
Das Gleiche soll für MVZ gelten. Bei einer MVZ-GmbH kann das Ergebnis nicht überzeugen, da der Leistungserbringer im Sinne des Vertragszahnarztrechts nicht der einzelne angestellte Zahnarzt ist, sondern das MVZ selbst. Würde auch die Dauer der Berufsausübung von angestellten Zahnärzten berücksichtigt, setzte man sich über die Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers hinweg, das MVZ als einen Leistungserbringer im Sinne des Vertragszahnarztrechts zuzulassen.
3. Gleicher Punktwert für eine Krankenkassenart
Gemäß § 85 Abs. 4 Satz 3 HS 2 SGB V muss die Honorarverteilung so erfolgen, dass die Leistungserbringung von Vertragszahnärzten gegenüber Versicherten einer Krankenkassenart stets mit dem Punktwert in gleicher Höhe vergütet wird. Kommt es jedoch zu Punktdifferenzen bei verschiedenen Krankenkassenarten, besteht nach der Rechtsprechung des BSG keine gesetzliche Verpflichtung, die Leistungen mit dem gleichen Punktwert zu vergüten. Welche Krankenkassen zu unterschiedlichen Krankenkassenarten gehören, ist in §§ 143 bis 148 SGB V abschließend gesetzlich festgelegt.
4. Keine übermäßige Ausdehnung der Tätigkeit von Vertragszahnärzten
Nach § 85 Abs. 4 Satz 5 SGB V müssen Honorarverteilungsmaßstäbe Bestimmungen enthalten, die einer übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit von Vertragszahnärzten entgegenwirken. Die gesetzliche Regelung soll insbesondere das Entstehen von übergroßen Praxen verhindern: nach der Annahme des Gesetzgebers könne eine Vertragszahnärztin bzw. ein Vertragszahnarzt bei Überschreitung einer bestimmten Anzahl von Behandlungsfällen eine hinreichende Versorgung eines einzelnen Patienten nicht mehr gewährleisten. Die Rechtsprechung nimmt eine übermäßige Ausdehnung einer Zahnarztpraxis an, wenn die vom Zahnarzt abgerechneten Leistungen nicht so erbracht werden können, wie in dessen Leistungsbeschreibung angegeben.
Eine übermäßige Ausdehnung der Tätigkeit von Vertragszahnärzten betrifft sowohl einzelne Leistungserbringer als auch Facharztgruppen. Es soll insbesondere auch verhindert werden, dass einzelne Zahnarztgruppen den Umfang ihrer Tätigkeit zulasten anderer Zahnarztgruppen ausweiten. Die konkrete Ausgestaltung von Bestimmungen, die einer übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit von Vertragszahnärzten entgegenwirken, steht im Ermessen von Kassenzahnärztlichen Vereinigungen. Die Palette von entsprechenden Maßnahmen, die dabei in Honorarverteilungsmaßstäben geregelt werden, reicht von Bildung einzelner Honorartöpfe, über Regelungen von Fallzahlzuwachs-, Leistungsmengenbeschränkungen und Individualbudgets bis zu komplexen Honorarbegrenzungsregelungen aufgrund der Überschreitung von bestimmten Umsatzgrößen.