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Geldanlage

Sind strukturierte Zertifikate eine gute Alternative zu Tagesgeld- oder Festgeldangeboten?

© Ernst Fritzemeier Bad Homburg

Marian Henn, Allington Investors AG

Marian Henn: In der Nullzinsphase konnte das unter bestimmten Voraussetzungen eine Idee sein, aber nachdem wir die Zinswende hatten, sind strukturierte Zertifikate gerade für Normalkunden sicher keine Alternative mehr. Denn wer ein Tages- oder Festgeldangebot in Betracht zieht, will in der Regel kein Kapitalverlustrisiko eingehen und im besten Fall noch laufende Erträge generieren. Über Investments am Geldmarkt können Anleger derzeit eine Rendite von bis zu 3,7 Prozent im Jahr erzielen, bei hoher Bonität und niedrigem Zinsänderungsrisiko. Auch bei klassischen Sparkonten gibt es durchaus ordentliche Angebote, da braucht es kein komplexes Zertifikatprodukt als Alternative.

Was muss generell bei solchen Produkten unbedingt beachtet werden?

Henn: Es müssen die Risiken und Bedingungen verstanden werden. Grundsätzlich besteht dabei immer das sogenannte Emittentenrisiko und damit die Gefahr das eingesetzte Kapital zu verlieren. Mit anderen Worten, wenn der Zertifikate Anbieter Pleite geht, kann alles weg sein. Außerdem sind oft die Risiken in den Bedingungen asymmetrisch verteilt. Das heißt, wenn es so läuft, wie man es erwartet, wird der mögliche Gewinn gedeckelt. Kommt es anders, ist der Investor aber in vielen Fällen voll am Verlust beteiligt. Käufer sollten sich auch anschauen, ob der Anbieter zum Beispiel bei sogenannten Marktstörungen die Option hat, keine Kurse zu stellen. Denn genau das sind oft die Situationen, in denen man verkaufen will, aber es dann einfach nicht kann.

Würden Sie einer über 90-jährigen mit 20.000 Euro Ersparnissen ein Zertifikat mit einer Laufzeit von 20 Jahren empfehlen?

Henn: Ganz sicher nicht, denn die Laufzeit ist viel zu lang. Die Kundin dürfte eine plangemäße Rückzahlung statistisch betrachtet nicht erleben. Außerdem scheinen in diesem Fall die kompletten Ersparnisse in ein Produkt geflossen zu sein, was gegen die erste Grundregel am Kapitalmarkt verstößt: Diversifikation. Statt Risiken zu bündeln, sollten sie möglichst breit verteilt werden oder bildlich gesprochen, es sollten nicht alle Eier in einen Korb gelegt werden. Außerdem sind solche Produkte so komplex, dass die allermeisten Anleger sie nicht bis ins Details durchblicken. Und hier greift ein weiteres Grundprinzip: Was man nicht versteht, sollte man sich auch nicht als Geldanlage zulegen.

Sind Zertifikate überhaupt etwas für den „Ottonormalverbraucher“?

Henn: Diese komplexen Produkte sind für den durchschnittlichen Anleger eher nichts. Die meisten wollen langfristig Vermögen aufbauen und hier gibt es ein breites Spektrum an geeigneten passiven und aktiv regulierten Fonds, in die zum Beispiel per Sparplan investiert werden kann. So etwas bringt auch mögliche Wertschwankungen mit sich, aber wer das aushalten kann, wird in aller Regel langfristig belohnt. Im  Anleihen-Bereich gibt es ebenfalls wieder eine breite Palette attraktiver Möglichkeiten, mit der sich ein gut ausgewogenes Anlageportfolio für praktisch jeden Risikotypen zusammenstellen lässt. Da braucht es keine Zertifikate.

Sind Zertifikate per se „Teufelszeug“?

Henn: Nein, in bestimmten Fällen können Zertifikate für professionelle Anleger sinnvolle Anlagevehikel sein. Etwa um in schwer zugängliche Märkte, in Währungen oder in bestimmte Markttendenzen zu investieren. Profis setzen so etwas auch als eine Art Versicherung ein, um Kurschwankungen abzupuffern. Zertifikate sind also nicht per se etwas Schlechtes. Aber wer sie nutzt, muss genau verstehen, was er da kauft und wofür sie geeignet sind. Außerdem schadet es nicht, genug Erfahrung zu haben, um zu wissen, dass hunderprozentig zuverlässige Prognosen meist nicht möglich sind und jeder mal daneben liegen kann.

In den USA können Privatpersonen keine Zertifikate kaufen, sollte das hierzulande auch so sein?

Henn: Nein, professionell eingesetzt und mit dem richtigen Verständnis können Zertifikate auch Privatanlegern nützlich sein. Im Rahmen einer umfassenden Beratung und eines breit aufgestellten Vermögensmix‘, spricht aus meiner Sicht nichts dagegen, das punktuell einzusetzen, wenn die Risiken verstanden werden. Damit lassen sich interessante Nuancen gerade bei größeren Vermögen setzen. Aber die Hürden, dass so etwas einem Ottonormalverbraucher mit begrenztem Kapital empfohlen wird, sollten hoch sein. Und der sprichwörtliche Notgroschen gehört ganz sicher nicht in ein Zertifikat.

© VBank

Breite Zertifikate-Palette

Strukturierte Wertpapiere gibt es viele in Deutschland und manche haben unter Börsianern keinen generell schlechten Ruf, wie etwa Discount-, Bonus- oder Indexzertifikate. Diese können zum Beispiel helfen, Marktschwankungen vorzubeugen oder in wenig zugängliche Märkte zu investieren. Die Mehrheit der Produkte bilden aber strukturierte Anleihen, die momentan wohl auch als Alternative zu Tages- und Festgeldangeboten vertrieben werden, obwohl sie dafür in manchen Fällen kaum geeignet erscheinen.

BSW, Stand 31.3.2024

Autor: Florian Junker