Telematikinfrastruktur – Fluch oder ein Segen?
D&W RedaktionIn ihrer Kolumne „Bitte lächeln!“ berichten die niedergelassenen Zahnärztinnen Dr. med. dent. Juliane Becker* und Dr. med. dent. Schamiem Stumpfe* aus ihrem Praxisalltag. In dieser Folge geht es um die Telematikinfrastruktur.
Seit mittlerweile 1,5 Jahren geistert das Thema Telematikinfrastruktur um uns herum. Die Kommunikation zwischen Ärzten, Zahnärzten, Krankenhäusern und Physiotherapeuten soll schneller und sicherer möglich sein und auch medizinische Informationen von Patienten sollen schneller und einfacher verfügbar sein. Durch die Telematikinfrastruktur werden die elektronische Patientenakte, elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen und elektronische Rezepte erst ermöglicht.
Die Idee ist super! Die Digitalisierung vieler Prozesse würde weniger Bürokratie und eine enorme Zeitersparnis bedeuten. Momentan fragen wir uns aber noch: Ist es ein Fluch oder ein Segen?
Schamiem, warst du von Beginn an die Telematik angeschlossen?
Dr. med. dent. Schamiem Stumpfe: Ja. Tatsächlich war ich schon relativ schnell an die Telematik angeschlossen. Seit etwa einem halben Jahr haben wir auch KIM (Kommunikation im Medizinwesen) installiert. Mit dieser Software wird eine sichere Kommunikation innerhalb der TI ermöglicht – Datenschutz und so…
Hat uns das in der Praxis bisher irgendwelche Vorteile gebracht? Nein! Wir haben eher Probleme mit der neuen TI. Viele Versichertenkarten können beispielsweise nicht mehr eingelesen werden. Dann muss man erst einmal versuchen, die aufgeladenen Versichertenkarten an der Heizung zu entladen (einfach Karte an die Heizung halten) und hoffen, dass der kleine Trick 7 erfolgreich war.
Bist du schon an die TI angeschlossen, Juliane?
Dr. med. dent. Juliane Becker: Ich selbst arbeite rein Mac-basiert in meiner Praxis und habe von Anfang an keine Schwierigkeiten gehabt, mich anzubinden. Man sucht sich von Beginn an einen passenden Anbieter und lässt die Hardware sowie Software in das PVS integrieren.
Was kostet der Anschluss an die TI? Muss man das selbst zahlen?
Dr. med. dent. Juliane Becker: Man muss in Vorkasse gehen und mit ca. 2.900 Euro rechnen. Die Refinanzierung hat problemlos über die KZV funktioniert und wurde mit der Monatsabrechnung ausgezahlt.
Was hat dir die Umstellung bisher gebracht?
Dr. med. dent. Juliane Becker: In den ersten Jahren der Einführung der Telematikinfrastruktur hat sich in der Praxis und den Abläufen bisher kein Unterschied gezeigt. Ab 2023 wird es dann aber entscheidende Verbesserungen für den Praxisalltag geben.
Um die neuen essenziellen Funktionen nutzen zu können, muss man KIM installieren. Mit dieser neuen Funktion gibt es für mich als Mac User erstmalig Probleme. Nur wenige Anbieter stellen die benötigte Mail-Adresse bereit und zum aktuellen Zeitpunkt funktioniert das Senden einer KIM Nachricht noch nicht.
Das Ziel wird es sein, Heil- und Kostenpläne online an die Krankenkasse zu übermitteln, die diese dann in kürzester Zeit zurücksenden. Es entfallen Portokosten und auch das altbekannte Bonusheft wird hinfällig.
Endlich beginnt eine fortschrittliche und auch die Praxisbürokratie verschlankende Zeit der Digitalisierung.
Inwieweit ist es in der Kieferorthopädie interessant, die Telematik anzuwenden?
Dr. med. dent. Schamiem Stumpfe: Für uns wäre es auch interessant, die Kommunikation mit den Krankenkassen zu digitalisieren. Beispielsweise könnten Behandlungspläne digital übermittelt werden – dies spart nicht nur Porto, sondern hoffentlich auch Bearbeitungszeit für die Patienten!
Auch Behandlungsfälle, die von einem Gutachter beurteilt werden müssen, könnten so schneller bearbeitet werden. Wie old-school ist es denn, dass wir noch Alginatabdrücke und ausgedruckte Pläne mit der Post zum Gutachten schicken? Und den CO2-Abdruck nicht zu vergessen!
Man könnte aber auch Konformitätserklärungen inklusive Materialnachweislisten der im eigenen Labor hergestellten und eingesetzten Zahnspangen auf die elektronische Patientenakte legen. Somit hätte der Allergologe im Falle einer allergischen Reaktion auf die Zahnspange direkten Zugriff auf die benutzten Materialien. Aber auch Röntgenbilder, Fotos, Modelle und 3D-Scans könnten in die elektronische Patientenakte geladen werden und die Kommunikation zwischen Zahnärzten und Kieferorthopäden erleichtern!
All in all können wir also sagen: Die Idee hinter der Telematikinfrastruktur ist grandios! Sie muss allerdings erst mal funktionieren! Schauen wir also mit einem lächelnden und zwinkernden Auge in die Zukunft und hoffen, dass alles so funktioniert, wie man es sich vorstellt.
*Unsere Kolumnistinnen: Dr. Juliane Becker ist Zahnärztin und hat 2018 eine Bestandspraxis in Dießen am Ammersee übernommen. Dr. Schamiem Stumpfe ist Kieferorthopädin und hat seit Dezember 2019 ihre kieferorthopädische Praxis in Starnberg.