Wirtschaftsnachrichten für Zahnärzte | DENTAL & WIRTSCHAFT
Kolumne „Bitte lächeln!“

„Juliane, wann schickst Du Patienten zum Kieferorthopäden?“

„Ich muss sagen: Schuster, bleib bei deinen Leisten. Ich gebe grundsätzlich alle Fälle, die kieferorthopädisch versorgt werden müssen, ab. Ich bin der Meinung, dass Kolleginnen und Kollegen, die sich in dieser Fachrichtung fortgebildet oder spezialisiert haben, das Know-how haben, das benötigt wird. Egal, ob es Kinderkieferorthopädie oder Korrekturen von Fehlstellungen bei Erwachsenen betrifft. Das gehört in die Hände eines Spezialisten. Leider sehe ich aufgrund schlecht gelaufener Kieferorthopädie viele Fälle, die Jahre später Funktionsprobleme haben.

Prinzipiell überweise ich Kinder zur Beratung einer Frühbehandlung oder Erwachsene mit ästhetischen Verbesserungswünschen. Oft kommen auch Patienten mit Funktionsproblemen zu uns, die dann zur Verbesserung der Bisslage überwiesen werden. Prinzipiell finde ich, ist es immer gut, eher zu früh als zu spät zu überweisen, um gemeinsam mit der Kieferorthopädie eine optimale Gesamtlösung für den Patienten zu finden.“ 

„Schamiem, was meinst du? Was ist aus deiner Sicht als Kieferorthopädin am besten?“

„Generell würde ich sagen, dass es grob drei verschiedene Behandlungsmöglichkeiten gibt, nach denen sich der Zahnarzt richten kann:

Möglichkeit 1: die Frühbehandlung

Hier geht es um skelettale Dysgnathien, also wenn ein Kind einen seitlichen oder frontalen Kreuzbiss hat, oder aber wenn die sagittale Stufe sehr ausgeprägt ist und so ein erhöhtes Risiko für ein Frontzahntrauma besteht. Wie oft hatte ich beispielsweise schon Patienten bei mir in der Praxis, die auf dem Spielplatz oder auf beim Sportfeld auf die Frontzähne gefallen sind und wo man schon längst hätte eingreifen können, bevor ein Frontzahnverlust zustande kommt. Diese Patienten kann man gerne schon ab 6 Jahren zum Kieferorthopäden schicken. Generell kann man vielleicht sagen: Wenn man sich unsicher ist, lieber zu früh als zu spät zum Kieferorthopäden.

Möglichkeit 2: die Hauptbehandlung

Bei diesem Behandlungsstadium hat man bereits zumindest einen bleibenden Zahn aus der Stützzone, also 3er, 4er oder 5er. Hier geht es dann ebenfalls um Frontzahnstufen, um Kreuzbisse und skelettale Dysgnathien, oder auch um Engstände im Frontzahnbereich oder Platzmangel im Seitenzahnbereich – wenn beispielsweise ein Milchzahn zu früh ausgefallen ist, der bleibende Zahn nicht nachgekommen ist und hierdurch ein Platzmangel entstanden ist, weil die Zähne nach vorne gekippt oder gewandert sind.

An dieser Stelle kommt mein Hinweis an alle Zahnärzte: Wenn ein Milchzahn gezogen wird, egal wo (außer es ist der 5er und die Molaren sind noch nicht da), bitte denkt immer an einen Lückenhalter! Dann kann man sich viel Zeit beim Kieferorthopäden sparen! Auch ganz wichtig sind Seitenvergleiche: Wenn also der rechte 3er bereits durchgebrochen ist und der linke noch nicht und sich sehr viel Zeit lässt. Hier sollte man immer an eine Verlagerung denken und lieber den Patienten einmal zu früh als zu spät zum Kieferorthopäden schicken!

Möglichkeit 3: die Erwachsenenbehandlung

Hierzu zählen alle Patienten, die über 18 Jahre alt sind. Zum einen haben wir hier Patienten mit ausgeprägten skelettalen Problemen, aber auch die Patienten, die aus ästhetischen Gründen einen Kieferorthopäden aufsuchen oder vom Zahnarzt geschickt werden.

Wichtig ist, dass wir auch bei parodontalen Problemen oder bei Kiefergelenksbeschwerden oft Abhilfe schaffen können und gerne Hand in Hand mit den Zahnärzten zusammenarbeiten. Ich sage nicht, dass jeder Erwachsene, der einen Engstand hat, eine Zahnspange braucht. Dies liegt immer am Leidensdruck der Patienten, aber man muss schon beachten, dass gerade Zähne zu einer besseren Mundhygiene führen und dadurch ein gesünderes Parodontium resultieren kann.“

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Unsere Kolumnistinnen: Dr. Juliane Becker ist Zahnärztin und hat 2018 eine Bestandspraxis in Dießen am Ammersee übernommen.
Dr. Schamiem Stumpfe ist Kieferorthopädin und hat seit Dezember 2019 ihre kieferorthopädische Praxis in Starnberg.

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