Diese Rechte haben Praxisinhaber bei verdächtigen Krankschreibungen
Judith MeisterPraxisinhaber dürfen Praxisschließungen und Urlaubszeiten vorgeben. Arbeitnehmer, die die Vorgaben mit einer angeblichen Erkrankung boykottieren, riskieren die Kündigung.
Eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) hat im deutschen Arbeitsrecht eine wichtige Funktion. Sie dient – im Normalfall – als Beweis dafür, dass ein Arbeitnehmer krank ist, nicht arbeiten und von seinem Chef Geld bekommen muss, selbst wenn er nicht zum Dienst erscheint. Um den Beweiswert vermeintlicher Gefälligkeitsatteste anzuzweifeln, müssen Arbeitgeber daher meist erheblichen Aufwand betreiben. In einem aktuellen Fall aus Bayern ist einem Praxisinhaber dieses Kunststück gelungen.
Der Arzt hatte über die Osterfeiertage des Jahres 2020 Betriebsferien anberaumt und wollte die Praxis vom 3. bis zum 13. April zusperren. Das teilte er der Belegschaft auch rechtzeitig mit. Nachdem er jedoch wegen der Corona-Infektion einer MFA schon von Mitte März bis zum 1. April zumachen musste, änderte er seine Pläne.
Kurzfristige Änderungen in der Urlaubsplanung
Per Kurznachricht teilte der den Angestellten mit, dass eine erneute Schließung den Patienten nicht zuzumuten sei. Entweder man verschiebe den Urlaub um eine Woche oder arbeite in Schichten mit weniger Personal für 14 Tage. Diese kurzfristige Änderung stieß der Belegschaft auf wenig Gegenliebe.
Es kam zu einem regen Austausch per Kurznachricht, im Rahmen dessen eine MFA die folgende Nachricht verfasste: „Mit uns wird gar nichts besprochen. Uns wird angeordnet. Das funktioniert so nicht, da auch ich eine Familie habe. Und das für mich mit Arbeit nicht vereinbar ist. Ich bin immunsupprimiert und ich brauche gesundheitliche Pausen! Und das auch ohne Homeoffice. Ich kann nächste Woche nicht.“
Erstaunliche Krankheitshäufung im Praxisteam
Trotz des Protestes hielt der Arzt an dem neuen Zeitplan fest. Lediglich bei einer Mitarbeiterin akzeptierte er die Weigerung, auf den geplanten Urlaubszeitraum zu verzichten, da diese für eben jene Tage einen Umzug geplant hatte. Tatsächlich musste der Praxisinhaber aber auch auf die übrigen drei Mitarbeiterinnen verzichten. Die nämlich legten jeweils eine Krankschreibung für den exakten Zeitraum des ursprünglich geplanten Urlaubs vor – und blieben zu Hause.
Praxisinhaber sprach fristlose Kündigung aus
Am Osterdienstag erschienen die MFA – inklusive der „immunsupprimierten“ Angestellten zwar wieder in der Praxis, doch es kam erneut zu Auseinandersetzungen. Diesmal über die geplante Kurzarbeit. Auch damit war die besagte Mitarbeiterin nicht einverstanden.
Der Praxisinhaber hatte genug und kündigte das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos, hilfsweise fristgerecht. Das Argument: Die Frau habe ihre Erkrankung nur vorgetäuscht und sich das vorgelegte ärztliche Attest erschlichen, das ihre Arbeitsunfähigkeit während der ursprünglich geplanten Betriebsferien belegen sollte.
Das LAG Nürnberg teilte diese Rechtsauffassung. Der Beweiswert einer AU-Bescheinigung sei erschüttert, wenn sie genau den Umfang des widerrufenen Betriebsurlaubs umfasst und darüber hinaus die behandelnde Ärztin die MFA gar nicht persönlich untersucht hatte. Die strengen Anforderungen für eine außerordentliche Kündigung seien vorliegend zwar nicht erfüllt gewesen. Die ordentliche Kündigung allerdings hielt der gerichtlichen Überprüfung stand (Az. 7 Sa 359/20).
Insbesondere hielt das Gericht in seinen Leitsätzen fest:
- Der Beweiswert einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist erschüttert, wenn die vom Arbeitgeber vorgetragenen Tatsachen zu ernsthaften Zweifeln an der bescheinigten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung Anlass geben.
- Solche Tatsachen können unter anderem die Erteilung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ohne Untersuchung, nur nach telefonischer Rücksprache oder – wie im vorliegenden Fall – auch die gemeinsame Krankschreibung mehrerer Arbeitnehmer für die Dauer eines vom Arbeitgeber widerrufenen Betriebsurlaubs sein.