Mangelhafte Aufklärung: Zahnarzt zahlt 20.000 Euro Schmerzensgeld
Judith MeisterObwohl eine Patientin durch die Behandlung ihres Zahnarztes keinen unmittelbaren Schaden erlitten hat, verurteilt das Landgericht München II ihn zur Zahlung von Schmerzensgeld. Die Hintergründe.
Wenn Zahnärzte Patienten übernehmen, die zuvor in einer anderen Praxis behandelt wurden, geht damit immer ein gewisses Risiko einher. Wie teuer die kunstgerechte Versorgung einer Frau werden sollte, die sich nach einer Wurzelbehandlung durch einen anderen Kollegen bei ihm vorstellte, ahnte ein Zahnarzt aus Bayern aber wohl nicht.
Der Fall: Wurzelspitzenresektion mit Komplikationen
Die Frau stellte sich bei ihm vor und klagte über Beschwerden in Zahn 37, bei dem sie in einer anderen Praxis bereits eine Wurzelbehandlung hatte durchführen lassen. Als eine durch den neuen Zahnarzt durchgeführte Endo-Revision ebenfalls keine Besserung brachte, begann der neue Behandler mit einer Wurzelspitzenresektion. Diese führte er wegen ausgeprägter Verwachsungen mit dem Nerv allerdings nicht zu Ende, sondern brach die Behandlung ab und verordnete der Patientin Amoxicillin.
Am Folgetag stellte sich die Patientin mit Sensibilitätsstörungen und einer Schwellung erneut in der Praxis vor und nahm auch zwei Wochen später noch einen Termin wahr. Danach wechselte sie den Zahnarzt und suchte einen Oralchirurgen auf, der den Zahn schließlich entfernte.
Warum die Patientin den Zahnarzt verklagte
Da sie auch im Nachgang dieser Behandlung noch erhebliche Beschwerden hatte, verklagte die Frau den Zahnarzt. Ihr Argument: Die Nachbehandlung nach der abgebrochenen Wurzelspitzenresektion habe nicht dem zahnärztlichen Standard entsprochen. Der Zahnmediziner habe ihr schuldhaft den nervus alveolaris verletzt. Hierdurch sei ein Nervenschaden entstanden, der zu unerträglichen Schmerzen, Taubheit, Sprachproblemen und Biss-Beeinträchtigungen führe und sie „sabbern“ lasse. Zudem rügte die Frau, dass die Aufklärung des Zahnarztes nicht ordnungsgemäß erfolgt war.
Behandlungsfehler ohne unmittelbare Gesundheitsschäden – dennoch haftet der Zahnarzt
Der Sachverständige stellte vor Gericht zunächst fest, dass die (Nach-)Behandlung zwar insoweit fehlerhaft war, als das Taubheitsgefühl vom Tag nach dem Eingriff nicht als Zeichen einer möglichen Nervenverletzung gedeutet wurde. Da die Patientin aber nicht nachweisen konnte, dass ihr gerade dadurch ein Gesundheitsschaden entstanden war, schied eine Haftung des Zahnarztes unter diesem Aspekt aus.
Allerdings müsse die Patientin vor dem Hintergrund einer fehlerhaften Einwilligung in den Eingriff entschädigt werden. Auch diesbezüglich stützte sich das Gericht auf die Ausführungen des Sachverständigen, der einer Patientin in einer vergleichbaren Situation von diesem Eingriff abgeraten und stattdessen die Extraktion des Zahnes vorschlagen hätte. Ferner sei auch das schiere Abwarten mit einer Kontrolluntersuchung nach einem halben Jahr eine denkbare Alternative gewesen.
Dem folgte das Gericht und bejahte eine mangelhafte Aufklärung über Behandlungsalternativen. Eine solche Aufklärung sei aber stets eine Voraussetzung für eine wirksame Einwilligung in die Behandlung. Da sie vorliegend fehlte, war der Eingriff rechtswidrig und der Frau stand Schadenersatz und Schmerzensgeld zu (LG München II, Az. 1 O 227/21).