Wie wirksam ist die subgingivale Instrumentierung bei Parodontitis?
Prof. Dr. med. dent. Clemens WalterEine systematische Übersichtsstudie ging der Effektivität von Scaling und Rootplaning in Parodontitis-Therapie auf den Grund.Prof. Clemens Walter* fasst die Arbeit zusammen und erklärt die Schlussfolgerungen für die Praxis.
Eine systematische parodontale Therapie erfolgt entsprechend der Leitlinien zur Therapie der Parodontitis aktuell in vier aufeinander aufbauenden Stufen. Nach Abschluss der ersten Stufe werden die erkrankten Parodontien durch den Zahnarzt bzw. eine Dentalhygienikerin oder Dentalhygieniker systematisch – Quadrant für Quadrant, Zahn für Zahn und Wurzeloberfläche für Wurzeloberfläche, gereinigt (subgingivale Instrumentierung, Scaling/Rootplaning).
Hier gibt es im Wesentlichen zwei unterschiedliche zeitliche Protokolle und zwei verschiedene Instrumentengruppen. Entweder erfolgt die subgingivale Instrumentierung in einem schmalen Zeitfenster von 24 Stunden, im Sinne eines sogenannten „Full-Mouth Scalings“, an zwei aufeinander folgenden Tagen oder – eher traditionell – in drei bis vier Behandlungen in etwa wöchentlichem Abstand. Wesentliches
parodontales Behandlungsziel ist eine Reduktion der Weichgewebsentzündung, die sich durch sogenannte geschlossene Zahnfleischtaschen im Sinne von Sondierungstiefen ≤ 4 mm und
ohne eine Sondierungsblutung auszeichnet.
Methodik der Übersichtsarbeit
Im Rahmen des kürzlich erfolgten Leitlinienprozesses beschäftigte sich daher eine systematische Übersichtarbeit [1] mit der Wirksamkeit der subgingivalen Instrumentierung. Es wurden drei Fragen
formuliert und unterschiedliche Therapieoptionen oder Behandlungsprotokolle miteinander verglichen.
- Die Wirksamkeit der subgingivalen im Vergleich zu einer alleinigen supragingivalen Instrumentierung.
- Die Wirksamkeit einer Instrumentierung mit Hand- gegenüber Ultraschallinstrumenten.
- Die Wirksamkeit der subgingivalen Instrumentierung eines „Full-Mouth Scalings“ gegenüber dem quadrantenweisen Vorgehen.
Es wurde eine systematische Literatursuche in elektronischen medizinischen Literaturdatenbanken durchgeführt.
[1] Subgingival instrumentation for treatment of periodontitis. A systematic review. Suvan J, Leira Y,
Moreno Sancho FM, Graziani F, Derks J, Tomasi C.J Clin Periodontol. 2020 Jul;47 Suppl 22:155-175.
Ergebnisse zur subgingivalen Instrumentierung
Zur Klärung der ersten Frage konnten elf prospektive Studien mit einer Mindestbeobachtungszeit von sechs Monaten und ein RCT mit Dreimonatsergebnissen eingeschlossen werden. Die gepoolten Daten dieser Studien zeigen einen mittleren Anteil von 74 % geschlossenen Zahnfleischtaschen und eine mittlere Reduktion des BOP um 63 %.
Evidenz aus vier RCT stand für die Klärung der zweiten Frage zur Verfügung. Es konnten keine wesentlichen Unterschiede hinsichtlich klinischer Ergebnisse zwischen einer Instrumentierung mit Hand- oder maschinell betriebenen Instrumenten gezeigt werden.
Die Daten von 212 Patienten aus acht RCT wurden zur Beantwortung der dritten Frage herangezogen.
Hinsichtlich der zeitlichen Abfolge der Instrumentierung bestanden keine wesentlichen Unterschiede.
Soll-Empfehlung für die subgingivale Instrumentierung
Entsprechend dieser Ergebnisse mit sehr hoher wissenschaftlicher Evidenz wurde eine starke „Soll“-Empfehlung für eine systematische subgingivale Instrumentierung der erkrankten Parodontien
ausgesprochen.
Bei korrekter Durchführung ist demnach mit etwa drei Viertel geschlossenen Zahnfleischtaschen zu rechnen. Da es zwischen Hand- und maschinell betriebenen Instrumenten keine klinisch relevanten Unterschiede gab, soll die subgingivale Instrumentierung entweder mit einer dieser Instrumentengruppen
oder einer Kombination aus beiden durchgeführt werden.
In der klinischen Praxis hat sich ein Hybridkonzept bewährt. Das bedeutet, dass die Bearbeitung zunächst mit Schall-/Ultraschallinstrumenten erfolgt. Verbliebene Ablagerungen werden in einem zweiten Schritt gezielt mit Handinstrumenten entfernt.
So ergänzen sich die Instrumente hinsichtlich ihrer Effektivität und kritische Areale, wie beispielsweise der Furkationsbereich mehrwurzeliger Zähne, können besser erreicht werden.
Ein weiterer Punkt betrifft die notwendige Invasivität, die bei Verwendung von Schallinstrumenten geringer im Vergleich zu Handinstrumenten ist. So kann durch den gezielten Einsatz der Instrumente unnötiger Verlust an Zahnhartsubstanz reduziert und die Invasivität angepasst werden.
Die zeitliche Abfolge der subgingivalen Instrumentierung hat offenbar keinen wesentlichen Einfluss auf die Sondierungstiefenreduktion.
Gesundheitszustand des Patienten sollte das Vorgehen mitbestimmen
Zu berücksichtigen ist aber der Gesundheitszustand des Patienten. Da die subgingivale Instrumentierung zu einer deutlichen systemischen Entzündungsreaktion insbesondere bei Durchführung von Full-Mouth-Protokollen führt, sollte der Gesundheitszustand des Patienten bei der Wahl des entsprechenden Vorgehens eine angemessene Berücksichtigung finden. Im Zweifel ist in vielen Fällen dann das quadrantenweise Vorgehen mit Pausen zwischen den einzelnen Terminen die richtige Wahl.
Abrechnungstipp „Subgingivale Instrumentisierung PAR“
Die subgingivale Instrumentierung PAR (antiinfektiöse Therapie in der 2. Therapiestufe) ist weder in der GOZ noch in der GOÄ enthalten und muss daher als Analogleistung im Sinne des § 6 Abs. 1 GOZ berechnet werden.
Die Leistung wird im Bundesdurchschnitt (Jan. 22 – Dez. 22) mit einem Betrag von 25,92 Euro honoriert.
Die Antiinfektiöse Therapie (AIT) wird in der GKV an einem einwurzligen Zahn mit 14 Punkt und an einem mehrwurzeligen Zahn mit 26 Punkt bewertet. Gerechnet mit einem durchschnittlichen Punktwert von 1,1978 sind das 16,77 Euro an einem einwurzligen und 31,14 Euro an einem mehrwurzligen Zahn.
(Quelle: DZR Deutsches Zahnärztliches Rechenzentrum)
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* Prof. Dr. Clemens Walter erhielt seine Approbation im Jahr 2000. Von 2001 bis 2003 absolvierte er das Postgraduiertenprogramm in Parodontologie und Implantologie an der Charité Berlin. Die Promotion erfolgte 2005.
Von 2010 bis 2021 war er Leiter des Weiterbildungsprogrammes Parodontologie an der Universität Basel, wo er 2012 habilitierte. 2016 wurde er Außerordentlicher Professor an der Universität Basel, 2021 übernahm er den Lehrstuhl für Zahnerhaltung, Parodontologie, Endodontologie, Präventive Zahnmedizin und Kinderzahnheilkunde, Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, Universitätsmedizin Greifswald.
Seit 2023 ist er an der Abteilung für Parodontologie, Orale Medizin und Orale Chirurgie, Charité-Universitätsmedizin Berlin, tätig.