Berufung, nicht Beruf: Interview mit „Dentrepreneurin“ Astrid Tabellion
D&W RedaktionBeim diesjährigen „Alles Ausser Zähne“-Kongress in München erhielt Zahnärztin Astrid Tabellion aus Offenburg den Dentrepreneur Award 2022. Sie ist seit fast 50 Jahren in der Zahnmedizin tätig. Wir wollten mehr erfahren über ihre Begeisterung, ihre Motivation und die Herausforderungen in ihrem Praxisalltag.
Rund 250 Zahnärzte und Industriepartner stimmten beim Kongress ab. Die Mehrheit entschied sich für die sympathische Zahnärztin – und ihr Bewerbungsvideo, das an der Freude, die Astrid Tabellion an ihrem Beruf hat, keinen Zweifel ließ.
Frau Tabellion, Ihr Praxisvideo, das bei der Bewerbung am Kongress gezeigt wurde, hat überzeugt und zeigt ihre Freude am Beruf. War es schon immer ihr Traum, Zahnärztin zu werden?
Ich habe als Zahnarzthelferin angefangen. Mein Chef war mein Vorbild. Ich wollte immer so gut sein wie er. Deshalb habe ich nebenberuflich das Abitur nachgemacht. Während des Studiums hatte ich einen Autounfall und konnte ab diesem Moment rechts nicht mehr essen. Ein Masseur stellte fest, dass mein Atlaswirbel nicht richtig sitzt. Das war der Schlüssel für mein ganzheitliches Interesse. Dazu kommt, dass ich schon immer ein neugieriger Mensch war – Stillstand gibt es bei mir nicht
Es scheint, als wären Sie auch gerne Unternehmerin. Wie lautet Ihr Erfolgsrezept?
Ich habe mich schon immer als Unternehmerin gefühlt und wollte meine eigenen Visionen realisieren. Das ist neben der Zahnmedizin die zweite Grundlage für meinen Erfolg. Ich habe heute fast 20 Mitarbeiterinnen, davon zwei Zahnärztinnen. Es lohnt sich Geduld zu haben, um Mitarbeiter und Patienten abzuholen und sich mit ihnen zu beschäftigen. Mit diesen Aufgaben wächst das ganze Team und fühlt sich wertgeschätzt.
Wie funktioniert Teamarbeit in Ihrer Praxis „dentabellion“?
Als Arbeitgeberin muss ich wissen, wer ich gerade bin. Da muss ich differenzieren, ob ich bei einer OP in der absoluten Konzentration bin, ob ich im Fokus der Praxisinhaberin bin oder als Gesprächspartnerin zur Verfügung stehe. Dabei ist wichtig, dass ich klar zu erkennen gebe, welchen Hut ich gerade aufhabe. In der Behandlungssituation ist keine Zeit für Spaß oder unpassende Gespräche. Außerhalb der Behandlung bin ich immer fürs Team ansprechbar. Da meine Handlungen auch rechtssicher sein müssen, muss ich mich auf eine konstruktive Zuarbeit verlassen können. Wenn es mal einem nicht so gut geht, kann das Team viel auffangen – aber nur dann, wenn man sich gegenseitig Bescheid gibt und vertraut. Bei uns wird der Teamgedanke tagtäglich gelebt.
Hier lesen Sie mehr über die Praxis von Astrid Tabellion.
Und was bedeutet für Sie Erfolg – beruflich und persönlich?
Beruflich verfolge ich das Ziel, tagtäglich die beste Qualität abzuliefern, dann kommt der Erfolg von ganz alleine. Es gibt oft berührende Momente mit Patienten, die einfach nur glücklich sind, dass die Behandlung mit einem schönen Lächeln endet oder sie wieder ohne Probleme essen können oder Schmerzen verschwunden sind. Mein persönliches Erfolgsrezept liegt in der Balance. Für mich ist die Me Time genauso wichtig, wie Kontakte zu pflegen und sich neuen Impulsen zu öffnen.
Welches sind für Sie die größten Herausforderungen in Ihrer Zahnarztpraxis?
Es ist ein immerwährender Prozess mit seinen Aufgaben zu wachsen. Die Herausforderungen sind ganz klar in der Suche nach geeignetem Personal zu sehen. Oder auch in den geänderten Bedürfnissen der
Mitarbeiterinnen. Die richtige Mischung herauszufinden, in der ein Team das täglich anfallende Pensum schaffen kann, ist immer wieder eine Aufgabe, die wir als Team gemeinsam lösen. Das Selbstmanagement
als Praxisinhaber ist eine weitere Herausforderung und auch das Schaffen und Überwachen von Strukturen, an denen sich alle orientieren können. Und zuletzt eine wertschätzende Kommunikation, die nicht für jeden selbstverständlich ist.
Ihre Praxis verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz. Wie reagieren Patienten darauf?
Die ganzheitliche Sicht hat meinen Horizont stark erweitert. Ich wurde dadurch Ansprechpartnerin für viele Patienten, die komplexe Situationen mitbringen, für die es Lösungen braucht. Ich nehme mir entsprechend viel Zeit, um meine Patienten bei Problemen ganzheitlich zu befunden und zu beraten, oft auch gemeinsam mit Orthopäden und Physiotherapeuten. Schön wäre es, wenn in Zukunft noch mehr über den Tellerrand geschaut wird. Es gibt nach wie vor zu wenig Orthopäden und Physiotherapeuten, die auch eine Verbindung zur Zahnmedizin sehen. Ebenso fehlt es an Zahnärzten, die interdisziplinär diagnostizieren oder behandeln.
Was bedeutet Ihnen die Auszeichnung „Dentrepreneurin“?
Ich war total überwältigt und habe mich riesig gefreut. Für mich und mein Team ist das eine wundervolle Wertschätzung und noch mehr Motivation. Wir fühlen uns auf unserem Weg bestätigt und nehmen die Auszeichnung als Ansporn für weitere Pläne.
Was ist nach der Award-Verleihung passiert? Gab es Feedbacks?
Es gab sehr viel Dynamik, mein Team war sehr stolz. Das hätte ich nicht erwartet. Sie haben mich am Montag nach der Verleihung gemeinsam empfangen, es gab sogar eine Torte. Wir haben gemeinsam den
Preis gefeiert und es wurden neue Pläne geschmiedet. Im Nachgang haben wir uns auf unsere Werte fokussiert und festgehalten, wo wir gerade stehen. Die nächsten Projekte sind schon in der Planung, man
darf gespannt sein.
War es Ihrem Team bewusst, dass sie in einer so „ausgezeichneten“ Praxis arbeiten?
In dieser Intensität vermutlich nicht, aber sie haben ja schon in anderen Praxen gearbeitet und wissen dadurch zu schätzen, was bei uns anders ist. Das zieht positive Effekte nach sich, denn wir bekommen
dadurch immer wieder neue Bewerbungen. Bei der Auswahl für die passende Bewerberin darf mein Team übrigens mitentscheiden. Nach meiner Vorauswahl hinsichtlich Praxiswerten und einem ein- oder zweitägigen Probearbeiten sprechen wir im Team darüber, ob es passen könnte. Für uns ist Teamfähigkeit sehr wichtig.
Das Interview führte Carmen Bornfleth