Zahnmedizin ist der Humanmedizin 10 Jahre voraus
Die verblüffenden Unterschiede im GesundheitswesenAndré BernertWenn es um den wirtschaftlichen Erfolg und das Thema Digitalisierung geht, scheinen Welten zwischen Zahnmedizinern und Hausärzten zu liegen. Aber warum ist das so? Praxisberater André Bernert beleuchtet die Unterschiede.
Warum scheinen Zahnärztinnen und Zahnärzte so viel fortschrittlicher zu sein als ihre humanmedizinischen Kollegen? Warum sind Patienten bereit, für zahnärztliche Leistungen aus eigener Tasche zu zahlen, während sie in der Arztpraxis darauf bestehen, dass ihre Versicherung alles abdeckt? Und vor allem: Warum scheinen Zahnarztpraxen so viel präsenter in den sozialen Medien zu sein und in der Digitalisierung auch vorauslaufen?
Der Unterschied liegt nicht nur in den Zähnen, sondern auch in der Art und Weise, wie diese beiden Fachbereiche innerhalb des Gesundheitssystems agieren. Bereits vor mehr als einem Jahrzehnt begannen Zahnärzt*innen, ihre Patienten per Postkarte an Vorsorgeuntersuchungen zu erinnern. Heute sind digitale Tools in der zahnärztlichen Praxis weit verbreitet - ein Schritt, den die Humanmedizin nur zögerlich geht. Kaum eine hausärztliche Praxis nutzt ein Re-Call und nur wenige die Terminerinnerungsfunktion.
Zahnmedizinisches Personal wird effektiver in medizinische Abläufe eingebunden
Ein weiterer entscheidender Unterschied: In der Zahnheilkunde sind delegierbare Leistungen längst Standard. Prophylaxe-Assistenten nehmen hier routinemäßig Aufgaben wahr, die in der Humanmedizin oft Ärzten vorbehalten bleiben. Es ist an der Zeit, dass die Humanpraxen diese Möglichkeiten ebenfalls nutzen und medizinisches Fachpersonal effektiver im medizinischen Ablauf einsetzen.
Doch warum diese Diskrepanz? Ein wichtiger Faktor ist die seit 2007 abgeschaffte Zulassungssperre in der Zahnmedizin. Im Gegensatz zu Ärzten sind Zahnärzte nicht an eine begrenzte Anzahl von Zulassungen gebunden, was zu einer größeren Konkurrenz unter den Praxen führt. Das Ergebnis? Ein freierer Markt, der zwangsläufig zu Innovation und schnellerer Entwicklung führt, weil Patienten nun mal die Qualität einer Praxis beurteilen und dahin gehen, wo sie sich am wohlsten fühlen. Das hat in Praxen, die sich nicht bewegt haben zu einer Verschlechterung der Wirtschaftlichkeit geführt und langfristig die Qualität der Praxen insgesamt verbessert.
Nachfrage nach Selbstzahlerleistungen steigt
Es ist auch keine ethische Frage mehr, ob Patient*innen etwas „zuzahlen“ sollen, sondern vielmehr eine Frage, ob eine Nachfrage nach medizinischen Leistungen gehört und diese auch bedient wird. Und zwar trennscharf und verständlich.
Humanmediziner sollten diese Entwicklungen nicht ignorieren. Praxen, die proaktiv Prozesse optimieren und die Digitalisierung vorantreiben, werden nicht nur den Anschluss behalten, sondern durch die höhere Effizienz im Verwaltungsbereich auch finanziell davon profitieren. Ein Zeitinvest, dass sich in der Zahnmedizin bezahlt gemacht hat.
Wohlfühlfaktor der Patienten ist wichtig für den wirtschaftlichen Erfolg
Die Zukunft des Gesundheitswesens liegt in der nicht-medizinischen Innovation und dem „Wohlfühlfaktor“ für Patienten. Vielleicht macht es Sinn, dass sich Zahn- und Humanmediziner beizeiten zu diesen Themen austauschen. Die Zahnmediziner*innen haben sich diesen Schritt vor Jahren getraut und es könnte vielleicht sinnvoll sein einige Schritte auch in der Humanmedizin zu gehen - im Sinne der Patient*innen.
PS: Bleiben Sie patientenorientiert und lassen Sie sich dabei helfen, wo Ihre Praxis es braucht (Ihre Patienten tun das ja auch).