Krankmeldung nach Kündigung: Urteil stärkt Rechte der Arbeitgeber
Judith MeisterEin neues Urteil stärkt Arbeitgeber, die sich gegen Gefälligkeitsatteste nach Kündigungen wehren. Der Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kann erschüttert werden, wenn sie genau die Kündigungsfrist abdeckt. Besonders relevant für Praxen: das LAG fordert Nachweise über echte Arbeitsunfähigkeit und Compliance des Arbeitnehmers.
Es passiert immer wieder: Ein Arbeitgeber spricht eine Kündigung aus – und am nächsten Tag meldet sich der Mitarbeiter erst einmal krank. Und zwar exakt bis zum Ende der Kündigungsfrist.
In einer solchen Konstellation standen Arbeitgeber, und damit auch viele Zahnärzte, bis vor Kurzem noch vor einem ernsten Problem. Denn die Anforderungen, den Beweiswert einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) zu erschüttern, sind im Normalfall hoch. Der Grund: Eine ordnungsgemäß ausgestellte AU ist das gesetzlich vorgesehene Beweismittel für eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit. Entsprechend ist mit ihrer Vorlage der Beweis einer Arbeitsunfähigkeit als erbracht anzusehen, so das Bundesarbeitsgericht (BAG).
Wann gilt eine AU als fragwürdig?
Im oben beschriebenen Fall – der Krankschreibung bis zum Ende der Kündigungsfrist – hat das BAG im Herbst 2021 jedoch eine für Arbeitgeber erfreuliche Entscheidung gefällt. Danach ist der Beweiswert einer AU regelmäßig erschüttert, wenn ein Arbeitnehmer zeitgleich mit seiner Kündigung eine Bescheinigung einreicht, die passgenau die noch verbleibende Dauer des Arbeitsverhältnisses abdeckt (BAG, Az. 5 AZR 149/21).
Wie erschüttert sich der Beweiswert der AU?
Im Einzelfall allerdings lässt sich nach wie vor darüber streiten, wer in einer solchen Konstellation beweisen muss, dass trotz der fragwürdigen AU eine echte Arbeitsunfähigkeit vorlag. Hierzu liefert eine aktuelle Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Mecklenburg-Vorpommern wichtige Hinweise (Az. 5 Sa 98/23). Sie steht in einer Reihe von Urteilen zu diesem Thema – und ist für Praxischefs sehr erfreulich. In diesem Fall kündigte der Mitarbeiter allerdings selbst und meldete sich am Folgetag krank.
Welche Beweise sind für eine echte Arbeitsunfähigkeit nötig?
Konkret ging es um den Mitarbeiter eines Wurstherstellers, der von Oktober bis Dezember 2022 mehrfach krankheitsbedingt ausfiel und seine gesundheitlichen Probleme auch per AU nachwies. Letzter Tag seiner Krankschreibung war der 9. Dezember, ein Freitag. An diesem Tag kündigte der Arbeitnehmer mit Wirkung zum 15. Januar. Das entsprechende Schreiben übergab er am Montag, den 18. Dezember persönlich im Betrieb. Am Dienstag, dem 19. Dezember meldete er sich erneut krank.
Die erste AU (bis zum 06.01.2023) stellte der Hausarzt wegen einer Anpassungsstörung aus. Die Folgebescheinigung bis zum 16.01.2023 stammte von einem Psychiater. Wie sich später herausstellen sollte, tat der Arbeitnehmer jedoch nichts gegen seine Beschwerden. Insbesondere nahm er die ihm verschriebenen Antidepressiva nicht ein.
Fallbeispiel: Entscheidung des LAG Mecklenburg-Vorpommern
Der Arbeitgeber erkannte die Krankschreibung des Arbeitnehmers nicht an und verweigerte ihm die Lohnfortzahlung. Der Fall wurde streitig und landete vor dem LAG Mecklenburg-Vorpommern. Dieses entschied zugunsten des Arbeitgebers. Wörtlich heißt es in der Entscheidung:
„Der Beweiswert von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ist regelmäßig erschüttert, wenn ein Arbeitnehmer unmittelbar nach einer Eigen- oder Arbeitgeberkündigung Bescheinigungen einreicht, die passgenau die noch verbleibende Dauer des Arbeitsverhältnisses abdecken.“
Warum kann die Therapietreue des Arbeitnehmers entscheidend sein?
Ist der Beweiswert der AU erst einmal erschüttert, muss der Arbeitnehmer beweisen, welche konkreten gesundheitlichen Beeinträchtigungen bestanden und welche Auswirkungen sie auf seine Arbeitsfähigkeit hatten. Zudem muss er offenlegen, welche Therapien und Medikamente ärztlich verordnet wurden. Dabei kann es von Bedeutung sein, ob und ggf. welche Vorerkrankungen vorhanden sind und in welchem Umfang der oder die Betreffende die ärztlichen Vorgaben befolgt hat oder nicht.
Diese Anforderungen konnte der Arbeitnehmer vorliegend nicht erfüllen. Da er zudem seine „Medikamente ohne Rücksprache mit dem behandelnden Arzt nicht eingenommen und unabhängig davon auch nicht einen – ggf. längerfristigen – Termin bei einem Facharzt vereinbart hat, weckt (…) Zweifel an einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit“, so das Gericht. Der Arbeitgeber ging daher aus dem Verfahren als Sieger hervor.